„Recycler und Kunststoffbranche müssen enger zusammenarbeiten“
„Recycler und Kunststoffbranche müssen enger zusammenarbeiten“
Im Dialog mit Prof. Dr.-Ing. Christina Dornack, Direktorin des Instituts für Abfall- und Kreislaufwirtschaft an der TU Dresden
Frau Prof. Dr. Christina Dornack ist Professorin für Abfall- und Kreislaufwirtschaft im Bereich Umweltwissenschaften an der TU Dresden. Im Interview hat sie uns unter anderem erzählt, warum ein Verzicht auf Plastik keine Lösung ist und mit welchen Stellschrauben sich das Image von Kunststoff verbessern lässt.
Sie haben sich die Reportage „Die Recyclinglüge“ angeschaut. Ist Mülltrennung und Recycling in Deutschland eine Lüge?
Mülltrennung funktioniert in Deutschland seit vielen Jahren sehr gut. Nur weil auch in trennenden Systemen Sortier- und Aufbereitungsverluste auftreten und daraus erzeugte Abfallströme in Einzelfällen skandalträchtige Wege nehmen, wäre es falsch zu behaupten, dass das gesamte System nicht funktioniert. Seitdem sie eingeführt wurde, haben wir eine ganze Menge gelernt. Das Recyclingsystem ist auf diese Mülltrennung ausgerichtet bzw. die Mülltrennung auf das Recyclingsystem – und so funktioniert es auch. Nur der Abfall, der sauber getrennt wurde, lässt sich im Anschluss auch gut recyceln. Wenn wir nicht trennen, können wir nicht recyceln. Es ist keine Lüge, wir haben hierzulande sehr hohe Recyclingquoten. Wir haben hohe Stoffmengen, die wir als Sekundärrohstoffe auch wiederverwenden können. Daher passen Mülltrennung und Recycling sehr gut zusammen.
Die Kunststoffindustrie kennt ihre Schwachstellen und arbeitet daran, diese zu beheben. Seit drei Jahren ist – auch durch das Verpackungsgesetz – viel in Bewegung. Was ist Ihre Meinung dazu?
Die Zusammenarbeit zwischen den Kunststoffherstellern und den Recyclern muss sich noch deutlich verbessern. Die Recycler wissen sehr gut, welche Kunststoffe sich gut recyceln und wie sich daraus hochqualitative Sekundärrohstoffe herstellen lassen. Die Industrie hingegen kennt ihre Anforderungen an hochwertige Inputstoffe für die Produktion sehr gut. Die Kunststoffhersteller und Recycler müssen sich besser zusammentun, damit die Produkte am Ende gut recyclingfähig sind. Dann kommen wir zu einem wesentlich höherwertigen Recycling. Gleichzeitig werden die Sekundärrohstoffe qualitativ besser, so dass es auch hier zu einer deutlichen Verbesserung der Produkte hinsichtlich ihrer Recyclingfähigkeit kommen kann.
Im Film wird auch über das Greenwashing der großen Konzerne gesprochen. Richtig oder falsch?
Aus meiner Sicht findet kein Greenwashing statt. Natürlich gibt es in jeder Branche immer ein paar schwarze Schafe und es ist auch gut, wenn ein paar Dinge aufgedeckt werden. Aber man darf eine Branche nicht pauschalisieren. Was die Recyclingindustrie in den letzten Jahren geleistet und entwickelt hat, wie hochwertig ihre Sekundärrohstoffe mittlerweile sind, die sie aus den recycelten Materialien herstellt, das ist eine gute Leistung. Man kann nicht einer Branche generell Dinge zuordnen, die ein, zwei oder auch mehr Akteure umsetzen und die nicht den Normen genügen.
Es wird der Verzicht auf Plastik gefordert. Ist das für Sie die Lösung?
Der Verzicht auf Plastik ist keine Lösung. Kunststoffe und Plastik sind sehr wichtige und sehr wertvolle Produkte. Sie helfen uns in vielen Lebenslagen und machen viele Produkte überhaupt erst möglich. Allerdings sollten wir auf kurzlebige Kunststoffe und kurzlebige Verpackungen, die aus Kunststoff hergestellt und die nur einmal kurzweilig genutzt werden, verzichten. Es geht darum, Plastik- und Kunststoffprodukte wesentlich länger in der Nutzung zu halten. Da können wir im Verpackungsbereich über Mehrweg sprechen und über Alternativen. Plastik generell zu verteufeln ist meiner Meinung nach falsch. Kunststoffprodukte und insbesondere recycelte Kunststoffprodukte sind häufig umweltfreundlicher im Vergleich zu gleichartig verwendeten alternativen Materialien. Das wird heute oft bei der Entwicklung von alternativen Materialien zum Beispiel aus biologischem Material nicht berücksichtigt.
Glauben Sie, dass die Bürger ihr Konsumverhalten ändern?
Ich bin der Meinung, dass wir unser Konsumverhalten ändern können. Es ist aber immer eine Frage, ob uns dabei geholfen wird, beispielsweise dadurch, dass wir Informationen bekommen, was für die Umwelt gut ist und was nicht, zum Beispiel durch entsprechende Produktzertifizierung oder Recyclinglabel. Zudem sollte die Politik auch etwas nachhelfen. Es wäre sinnvoll, wenn wir auf Verpackungen wie kurzlebige Mehrschichtverpackungen und Verbundverpackungen aus Kunststoff, einen Preis zahlen müssten, der abbildet, wie schädlich sie für die Umwelt sind. Dieser Preis würde es sicherlich leichter machen, zu einer ökologischeren Verpackung zu greifen.
Verbessern Recycling und Kreislaufwirtschaft neben der Klimabilanz auch das Plastik-Image?
Natürlich können Recycling und Kreislaufwirtschaft das Plastikimage verbessern. Plastik ist ein tolles Produkt, das wir auch in Zukunft weiter benötigen. Die Frage ist nur: Was machen wir am Lebensende damit, wenn es sich nicht mehr nutzen lässt. Wie gehen wir damit um? Und gelingt es uns, das Plastik wieder zurück in ein Produkt zu bekommen? Das funktioniert nur, indem wir recyclingfähige Kunststoffprodukte und auch Kunststoffverpackungen herstellen, die im Kreislauf gehalten werden können. Denn dann landen sie erst gar nicht in der Umwelt.
Welche Wünsche haben Sie an die Kunststoffbranche?
Die bisher geschlossenen Allianzen zwischen Kuntstoffrecyclern und Einzelhändlern oder Kunststoffproduzenten (Prezero und Lidl bzw. Borealis und mtm plastics) sowie die Committments für mehr Recyclateinsatz sind ein sehr guter Anfang, der weiterentwickelt werden sollte. Wenn wir enge Kreisläufe haben, die so gestaltet sind, dass sie innerhalb der einzelnen Branchen funktionieren, wie beispielsweise bei speziellen Verpackungen oder bei PET-Flaschen, dann haben sich die Hersteller bereits ihre eigene Sekundärrohstoffquelle erschlossen und die Kreisläufe funktionieren recht gut. Die Hersteller von PET-Flaschen nutzen gerne das recycelte PET, um wieder neue Produkte herzustellen. Denn es hat eine gute Qualität, die sich zudem gut bewerten lässt. Andere müssen hier nachziehen und ebenfalls innere Kreisläufe aufbauen, wie zum Beispiel die Textilindustrie, die ebenfalls gerne auf Kunststoffe aus dem PET-Bereich zurückgreifen würde, aber keine eigenen Kunststoffkreisläufe hat. Wenn wir hier branchenspezifische Kreisläufe weiter aufbauen können, wäre das wunderbar.
Was wünschen Sie sich von der Politik in Deutschland und der EU?
Ich wünsche mir eine umweltgerechte Politik, die ein umweltgerechtes Verhalten und umweltgerechte Produkte fördert. Produkte, die nicht umweltfreundlich sind oder die nicht umweltfreundlich bzw. nicht nach ethischen Normen hergestellt werden, sollten finanziell unattraktiv werden. Das umweltfreundlichere Produkt sollte auch das günstigere Produkt sein. Dann würden umweltfreundlichere Produkte auch mehr gekauft werden. Darauf muss die Politik entsprechend Einfluss nehmen. Dafür muss die Politik mutig sein und den Weg für umweltfreundliche Verpackungen und für umweltfreundliche Produkte zu ebnen.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Prof. Dr. Dornack.
Über Prof. Dr. Christina Dornack
Prof. Dr. Ing. habil. Christina Dornack ist seit Oktober 2020 Prodekanin Lehre der Fakultät Umweltwissenschaften der TU Dresden. Seit 2015 ist sie dort bereits Professorin für Abfall- und Kreislaufwirtschaft. Zuvor leitete sie 2013 und 2014 die Abteilung Rohstoffe und Recycling der der Papiertechnischen Stiftung Heidenau, München
Prof. Dr. Dornack wurde darüber hinaus 2020 in den Sachverständigenrat für Umweltfragen des Bundesumweltministeriums berufen. Seit 2017 ist sie Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats des Landesverbandes für Recycling des Freistaates Sachsen. Bereits 2016 wurde sie in den wissenschaftlichen Beitrat des Deutschen Biomesseforschungszentrums e.V. (DBFZ) berufen, deren Vorsitzende sie seit 2020 ist. Zudem ist sie seit Juli 2015 im wissenschaftlichen Beitrat „Umwelt“ der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) und seit Februar 2013 im Fachausschuss der ProcessNet-Arbeitsgruppe „Abfallwirtschaft und Wertstoffrückgewinnung“ (VDI / Dechema).