„Die Plastikverpackung ist eine der effizientesten und besten, die wir haben.“

„Die Plastikverpackung ist eine der effizientesten und besten, die wir haben“

Im Dialog mit Dr. Julia Eberhardt, geschäftsführende Gesellschafterin des Verpackungsexperten LEEB Flexibles in Memmingen.

LEEB Flexibles stellt als Spezialist Verbundfolien für Lebensmittel und technische Anwendungen für Kunden auf der ganzen Welt her. Das Portfolio umfasst alle flexiblen Verpackungslösungen aus Kunststoff, Papier und Aluminium. Dabei setzt das Familienunternehmen seit jeher auf eine ressourcenschonende, effiziente und umweltfreundliche Herstellung seiner Verpackungslösungen.

Warum gut durchdachte Kunststoffprodukte wie der Weichkäsewickler Lebensmittel bestmöglich schützen, wo noch Luft nach oben ist und was es mit der Akzeptanz des Endkunden auf sich hat, um in puncto Ressourcenreduktion weiter voranzukommen, hat uns Dr. Julia Eberhardt erzählt. Sie führt gemeinsam mit ihrem Bruder Georg Eberhardt die Geschäfte des Familienunternehmens.

 

Frau Dr. Eberhardt, Leeb ist seit mehr als 90 Jahren am Markt. Sie stellen unzählige Verpackungslösungen her, haben Sie eine Lieblingsverpackung?

LEEB SingleWrap: recyclingfähiger Weichkäsewickler

LEEB SingleWrap: recyclingfähiger Weichkäsewickler – Bild: LEEB

Ja, auf jeden Fall. Das ist der Weichkäsewickler. Denn mit kaum einer anderen, so dünnen und damit effizienten Verpackung lässt sich so viel Produkt schützen. Zudem habe ich über diese Verpackungen meinen heutigen Mann kennengelernt – der Weichkäsewickler ist also im wahrsten Sinne ein Herzensprodukt.

Wie begegnen Sie dem oftmals beschriebenen Zielkonflikt zwischen Marketing und Eco Design?

Für uns steht in erster Linie der Produktschutz im Vordergrund. 97 Prozent dessen, was wir herstellen, dient dazu, ein anspruchsvolles Lebensmittel zu schützen. Wir stellen die gesamte Bandbreite an Verpackungen her, nicht nur für Molkereiprodukte, sondern auch für Frischfleisch, Wurst und Fisch, aber auch Schokolade, Nüsse und hygroskopische Güter.

Lebensmittelabfälle Im Einzelhandel

Lebensmittelabfälle Im Einzelhandel

Dabei bestimmt in erster Linie der erforderliche Produktschutz und die möglichst lange Haltbarkeit in Form einer Barriere oder ähnlichem die Verpackungsart. Sicherlich sind bislang noch nicht alle Möglichkeiten im Sinne der Reduktion und Effizienz ausgeschöpft. Wir erleben aber auch immer wieder, dass der Endkunde derjenige ist, der eine dünne Verpackungsfolie reklamiert, weil er sie für nicht wertig genug hält.

So scheitert es nicht selten auch an der Akzeptanz der Endkunden, um dünne und effiziente Lösungen am Markt zu etablieren. Die Ressourcen unserer Erde sind jedoch sehr begrenzt, daher bin ich persönlich überzeugt davon, dass wir diesen Weg stringent vorangehen müssen.

Wie lässt sich der Zielkonflikt Marketing-Eco Design auflösen?

Wir müssen unterscheiden, wo die Verpackung dem Produktschutz dient, weil ansonsten ein mit viel Energie hergestelltes Lebensmittel verderben würde. Und wo geht es einfach nur darum, Konsumgüter zu Marketingzwecken zu verpacken.

Steht der Produktschutz an erster Stelle, gilt es, diesen zu wahren und darauf basierend die Lösung zu definieren, die für dieses eine Produkt die richtige ist. Im Sinne des Eco Designs und der Materialeffizienz ist da aber sicherlich noch Luft nach oben.

Eco Design Ressourcennutzung Nachhaltigkeit Recycling Umweltbewusst

Quelle: IK – Handbuch EcoDesing (erstellt von FF)

Insgesamt ist die Recyclingquote noch zu gering. Wie lässt sich die geforderte Quote erhöhen?

Es gibt verschiedene Hürden. Bislang gibt es keine einheitlichen Standards – weder innerhalb Europas noch innerhalb Deutschlands – weder technologisch noch politisch.

Jedes Land, und damit auch jeder Abpacker, kocht sein eigenes Süppchen. Es gibt keine Synergien und damit auch keine Effizienz. So kommen wir nicht auf Menge und damit fehlt es an der Wirtschaftlichkeit.

Hinzu kommt das europäische Lebensmittelrecht. Es schränkt den Einsatz von Rezyklaten im Direktkontakt mit Lebensmitteln sehr ein bzw. schließt ihn fast aus. So kann es eine echte Kreislaufwirtschaft für Lebensmittelverpackungen an dieser Stelle noch nicht geben.

Allerdings gibt es viele andere verpackte Produkte. Man muss nur mal durch einen Baumarkt, einen Elektronikmarkt oder ein Kinderspielwarengeschäft gehen. Hier könnte es viel schneller vorangehen – immer vorausgesetzt, es werden Synergien geschaffen und die Rezyklate werden dadurch auch preislich attraktiv.

Recyclingquoten Bei Kunststoffverpackungen Erreicht

Sind Rezyklat-Mindesteinsatzquoten die Lösung?

Wenn wir Rezyklate haben, die innerhalb des existierenden Lebensmittelrechts funktionieren würden, kann man darüber nachdenken. Das Lebensmittelrecht kommt aber aus dem Gedanken des Produktschutzes, es geht hier um Kontamination und Migration. Hier stellt sich die Frage: Würden wir auf Grenzwerte verzichten? Wie entwickeln sich Recyclingtechnologien weiter? Es macht sicherlich keinen Sinn, das Lebensmittelrecht gänzlich auszuhebeln für einen höheren Rezyklatanteil.

Ich könnte mir aber sehr wohl vorstellen, dass man sich durch eine sinnvolle Herangehensweise an eine angepasste Gesetzgebung einer Kreislaufwirtschaft nähern könnte, ohne dabei den Konsumenten zu gefährden.

Sie haben sicherlich die ARD-Doku „Recyclinglüge“ gesehen. Haben Sie sich darüber geärgert?

LEEB NaturePack: recyclingfähige Tiefziehverpackung aus 70% nachwachsenden Rohstoffen

LEEB NaturePack: recyclingfähige Tiefziehverpackung aus 70% nachwachsenden Rohstoffen – Bild: LEEB

Nein, denn es ist immer gut zu verstehen, wie Medien funktionieren, wie sie wirken und wo Meinungsbildung passiert. Die Welt hat sehr wohl ein Problem des nicht fachgerecht entsorgten Plastiks.

Das darf man nicht schönreden. Man sollte die Plastikverpackung auch nicht glorifizieren. Aber dennoch bleibt: Sie ist trotz allem eine der effizientesten und besten Verpackungen, um Produkte zu schützen und haltbar machen.

Schön wäre, wenn wir als Industrie und als diejenigen, die Verpackungen herstellen, unsere Position ebenso medial wirksam und eindrücklich vertreten würden und den Endverbraucher darüber informieren und von flexiblen Verpackungen überzeugen.

Sie erfinden neue Lösungen, um effizientere Verpackungen zu entwickeln. Wie sie eben sagten, ist der Endverbraucher demgegenüber jedoch oft sehr kritisch. Wie gehen Sie mit der Kritik und der Erwartungshaltung Ihrer Kunden um?

Die aktuelle Weltlage zeigt, dass Energie ein sehr rares Gut ist. Das merken wir jetzt erstmals alle ganz persönlich. Daher bin ich davon überzeugt, dass Produkte, die mit extrem hohem Energie- und Wassereinsatz hergestellt werden, wie dies bei Lebensmitteln der Fall ist, so lange wie möglich haltbar gemacht und so gut wie möglich geschützt werden müssen. Das muss die oberste Prämisse sein.

Wenn wir mit gut durchdachten und effizienten Kunststoffverpackungen dazu beitragen können, dann ist es absolut wert, das zu tun. Das ist mein Credo, das ich aus tiefstem Herzen verteidige. Da sind wir sehr stolz drauf.

Kunststoff Umweltbelastung Vs Andere Materialien Energie Bedarf 04 Beschnitten

Wie stärken Sie Ihrer Belegschaft den Rücken, wenn es um Vorbehalte gegenüber der Kunststoffindustrie geht?

Über genau diese Argumente und unserer Leidenschaft, mit der wir täglich am Start sind. Wir tun – auch wenn wir am Ende Abfall herstellen – auf dem Weg, bis die Verpackung zum Abfall wird, sehr viel Gutes. Und wir versuchen das so effizient wie möglich zu machen. Nicht nur bei der Verpackung selbst, sondern auch im Herstellprozess. Das gilt für die Ressourcen, aber auch für den Energieeinsatz und die Technologien, sowie für den Abfall und die Emissionen, die wir produzieren.

Wir versuchen an allen Stellen so wenig wie möglich einzusetzen und am Ende ein Produkt herzustellen, das ein noch schützenswerteres Produkt haltbar macht. Und um all die Probleme, die danach kommen zu lösen, braucht es motivierte Menschen, die sich genau mit diesen Fragestellungen auseinandersetzen. Auch wenn wir noch nicht bei der Lösung sind. Wir haben die Chance – jeder für sich – an einem extrem fundamentalen Thema mitzuarbeiten.

Haben Sie ein Nachwuchsproblem?

Unsere gesamte Region hat eine Arbeitslosenquote von deutlich unter drei Prozent. Wir haben eine extrem starke Wirtschaft. Das zeichnet unsere Region einerseits aus, gleichzeitig haben aber auch alle Unternehmen hier ein massives Fachkräfteproblem. Auch uns fehlen Fachkräfte. Wir bilden aus und versuchen alles, um dem entgegenzuwirken.

Wie sieht die Entwicklung Ihres Unternehmens aus?

 

Letztendlich geht es darum, dünnere und sortenreine Verpackungen herzustellen, um recyclingfähig und kreislauffähiger zu werden. Bei allem, was wir erproben und bei allen Substraten, die wir zum Einsatz bringen, stellen wir uns die Frage, ob das damit möglich ist oder wie man ein heute eingesetztes Material gegen ein Alternatives tauschen oder verändern kann.

Das passiert auf verschiedenen Ebenen. In der Entwicklung genauso, wie in jedem Kundengespräch. Und natürlich auch in Gesprächen mit Mitarbeiter:innen. Denn genau das sind die Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen: Wie schaffen auch wir es, mit den Materialien, die wir in den Handel bringen, zu diesen Zielen beizutragen?

Bei Ihnen werden sehr viele Mittel in die Forschung & Entwicklung gesteckt, um nicht nur den bestehenden Markt mit den bestehenden Produkten zu versorgen, sondern um sich den Problemstellungen auch aktiv anzunehmen.

Wir sind in unserer Branche einer der wenigen übriggebliebenen Mittelständler. Wir haben einen Standort im Allgäu mit knapp 200 Mitarbeiter:innen.

Natürlich sind unsere Mittel begrenzt. Aber die, die wir haben, stecken wir genau da rein. Und zwar nicht nur in die Produktentwicklung, sondern auch in die Ausstattung unserer Firma, angefangen von der Isolierung unserer Dächer bis hin zu den eingesetzten Druckmaschinen und Produktionsverfahren.

Sie sind sehr engagiert in dem, was Sie tun. Was motiviert Sie persönlich?

 

LEEB SingleFlow: recyclingfähiger Schlauchbeutel auch für anspruchsvolle Füllgüter

LEEB SingleFlow: recyclingfähiger Schlauchbeutel auch für anspruchsvolle Füllgüter – Bild: LEEB

Es sind zwei Dinge: Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir unter dem Strich etwas Gutes tun. Auch wenn es nicht perfekt ist. Ich wüsste jedoch nicht, wie man schnell verderbliche Lebensmittel besser verpacken könnte, als wir dies bereits tun – mit gut konzipierten flexiblen Verpackungen aus Kunststoff.

Zum anderen haben wir 200 Mitarbeiter:innen. Ich kenne sie, ich weiß, was sie tun, und ich weiß, dass sie das Unternehmen voranzubringen wollen. Das ist mehr als Motivation und Anreiz genug, die Firma so zu führen, dass diese Mitarbeiter:innen auch in 20 Jahren noch einen sicheren Arbeitsplatz bei uns haben.

Und was muss die Gesellschaft lernen, um ihren Lebensstil so beizubehalten?

Ich glaube, die richtige Frage wäre: Wie schaffen wir es, dass wir alle erkennen, dass wir unseren Lebensstil auf dem hohen Niveau, wie wir ihn führen, etwas herunterschrauben müssten, wenn wir global einen Schritt vorankommen möchten?

Am Ende geht es um die Bereitschaft zu verzichten. Wenn nicht alle, die von allem viel zu haben, etwas abgeben, dann wird nichts passieren. Ich bin allerdings nicht besonders hoffnungsfroh, dass das je passieren wird. Wir sehen überall, dass das Individuum nicht bereit ist, für das Kollektiv zu verzichten oder sich zu verändern.

Vielen Dank Frau Dr. Eberhardt für das Gespräch.

Über Dr. Julia Eberhardt

Dr. Julia Eberhardt führt als geschäftsführende Gesellschafterin seit 2018 gemeinsam mit ihrem Bruder Georg Eberhardt den Verpackungsexperten LEEB Flexibles in Memmingen in vierter Generation. Bis zu ihrem Einstieg bei LEEB in 2011 war die Betriebswirtin und Wirtschaftspsychologin seit 2005 für internationale Konzerne der Luftfahrt- und Telekommunikationsindustrie tätig. 2021 wurde sie in das Präsidium des Flexodruck Fachverbands DFTA gewählt.

Julia Eberhardt Portrait

Über den LEEB Flexibles

Leeb Flexibles mit Sitz in Memmingen beschäftigt rund 200 Mitarbeiter. Das Unternehmen spezialisiert sich seit mehr als 90 Jahren auf die Herstellung von Verbundfolien für Lebensmittel und technische Anwendungen. Das Portfolio umfasst Barrierefolien, Siegelfolien, Wiederverschluss-Systeme und kundenindividuelle Entwicklungen aus Kunststoffen, Papieren, Aluminium und nachwachsenden Rohstoffen. Die ideale Materialauswahl durch die Lebensmittel- und Verpackungsexperten optimiert den Abpackprozess und reduziert den Ressourceneinsatz. Ein mehrfach ausgezeichneter 10+1 Farben Druck veredelt Produkte und trägt sichtbar zum Erfolg am POS bei.

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Im Dialog – Unser Magazin zur Interviewreihe um Kunststoff Recycling Klima- und Umweltschutz.