6.2.2023 Berlin – Vor der öffentlichen Anhörung im Bundestag am 8. Februar zum Einweg-Kunststoff-Fonds-Gesetz haben die betroffenen Branchenverbände die geplante staatliche Sonderabgabe als zu hoch kritisiert und vor einer weiteren Belastung der Bürger gewarnt.
Außerdem fordern die Verbände echte Mitspracherechte bei der Umsetzung, wie es die EU-Vorgaben vorsehen.
Die Bundesregierung hatte vorgeschlagen, die Kosten für die Sammlung- und Reinigung von bestimmten Einweg-Kunststoffprodukten im öffentlichen Raum durch eine staatliche Sonderabgabe auf ca. 55.000 Unternehmen abzuwälzen, die Einweg-Kunststoff-Verpackungen für To-Go-Lebensmittel und Getränke, Tragetaschen, Luftballons, Feuchttücher oder Tabakprodukte mit Filter in Verkehr bringen. Die Kommunen, die insgesamt 434 Millionen Euro pro Jahr erhalten sollen, werden im Gegenzug nicht verpflichtet, die Abfallgebühren zu senken.
Bürger zahlen doppelt
„Die Abfallsammlung und Reinigung des öffentlichen Raumes sind Aufgaben der Kommunen, die von den Bürgern und Gewerbetreibenden durch Abfallgebühren finanziert werden. Wir akzeptieren, dass die Beteiligung der Wirtschaft an diesen Kosten politisch gewollt ist. Allerdings führt dies dazu, dass die Bürger doppelt belastet werden: Einerseits durch die Abfallgebühren und andererseits durch den Aufschlag der zusätzlichen Kosten auf die Produktpreise. Daher werden die Bürger zukünftig für die gleichen Leistungen doppelt zur Kasse gebeten“ erklärt Dr. Andreas Gayk vom Markenverband e.V. Er kritisiert, dass die Kommunen bereits im Vorfeld erklärt hätten, die Abfallgebühren nicht entsprechend zu senken. „Der Vorschlag führt auch nicht zu mehr Sauberkeit im öffentlichen Raum. Denn warum sollte derjenige, der ein solches Produkt einfach so wegwirft, sein Verhalten ändern, bloß weil die Kommune die Reinigungskosten durch die Wirtschaft erstattet bekommt?“, fragt Gayk.
Kritik an Kostenberechnung
Im Fokus der Kritik steht die Höhe der vorgeschlagenen Sonderumlage und ihre Berechnung, die die Verbändeallianz aus BdS, BVE, BVTE, HDE, IK, IPV und Markenverband für falsch und unausgewogen hält. „Der aktuelle Vorschlag führt zu einer Schieflage bei der Kostenerstattung“, rechnet Dr. Martin Engelmann von der IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen e.V. vor. „Die betroffenen Produkte machen 5,6 Prozent der gesamten Abfälle im öffentlichen Raum aus. Allerdings sollen deren Hersteller nach dem Vorschlag 17 Prozent der gesamten Sammlungs- und Reinigungskosten der Kommunen tragen, jährlich 434 Millionen Euro. Das ist viel zu hoch, auch im Vergleich zu anderen Ländern“, kritisiert Engelmann.
Hintergrund ist, dass das Umweltbundesamt vorgeschlagen hatte, bei den Kosten für die Streumüllsammlung nicht, wie üblich, auf das Gewicht abzustellen, sondern zudem auch auf Stückzahl und Volumen der Abfälle. „Mit diesem Berechnungstrick werden die Kosten für die Wirtschaft stark in die Höhe getrieben. Dabei gibt es keinen Grund, von der Berechnung ausschließlich auf Basis des Gewichts abzuweichen. Denn schließlich sind die höheren Kosten der Kommunen für die händische Sammlung in den Gesamtkosten der Streumüllsammlung bereits vollständig berücksichtigt“, erklärt Engelmann.
„Hinzu kommt, dass für den kostenintensivsten Faktor der Berechnung, nämlich die Stückzahlen, die methodische Grundlage fehlt. Stückzahlen sind im Bereich der Abfallbewirtschaftung keine gebräuchliche Maßeinheit. Eine anerkannte und standardisierte Methode zur Stückzahlauszählung gibt es nicht“, erläutert Karsten Hunger vom Industrieverband Papier- und Folienverpackungen e.V. Bei einer Berücksichtigung ausschließlich des Gewichts würde die Sonderabgabe insgesamt 164 Millionen Euro pro Jahr betragen.
Hersteller pochen auf Mitsprache
Für die geplante Einwegkunststoff-Kommission fordern die Verbände mehr Mitwirkungsrechte und eine Besetzung entsprechend den EU-Vorgaben. „Die EU-Richtlinie fordert, dass die Kosten „zwischen den betroffenen Akteuren“ festgelegt werden, also zwischen zahlenden Herstellern und den Kommunen. Dass nach dem Gesetzentwurf auch Umwelt- und Verbraucherverbände mitentscheiden sollen, ist nicht richtlinienkonform“, kritisiert Antje Gerstein vom Handelsverband Deutschland HDE e.V. „Mit einer Herstellerverantwortung hat dieser Vorschlag nichts mehr tun.“
Ausnahmen für Getränkeflaschen mit Pfand
Kritik gibt es auch an der Einbeziehung von Getränkeflaschen mit Pfand. „Die durch Handel und Industrie finanzierten Rückgabesysteme für Getränkeflaschen verhindern, dass diese Flaschen als Müll im öffentlichen Raum bleiben“ erklärt Peter Feller von der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie e.V. „Hier liegen die Bürokratiekosten für die Unternehmen vielfach über der Abgabenhöhe. Das ist reine Schikane“, so Feller.
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