Kunststoff: Kein anderes Material ist so leicht, schützt so gut und ist auch bei mehrfacher Verwendung so stabil und hygienisch. Richtig designt sind Kunststoffverpackungen ein Vorbild in Sachen Recyclingfähigkeit. Genau diese wird in Europa zukünftig eine Marktvoraussetzung werden: Die Europäische Kommission hat Ende 2022 Vorschläge für eine neue EU-Verpackungsverordnung ab 2030 vorgestellt. Sie sieht auch anspruchsvolle Vorgaben für den Einsatz von Post-Consumer-Rezyklaten (PCR) in Kunststoffverpackungen vor.
Die Industrievereinigung Kunststoffverpackungen (IK) begrüßt diesen weiteren Schritt im Rahmen der Transformation zur Circular Economy grundsätzlich. Denn der Einsatz von Rezyklat schont Ressourcen, die Umwelt und das Klima. Doch die Pläne der EU haben einen entscheidenden Haken: Die Voraussetzungen – verfügbare Mengen und Qualitäten an PCR – sind noch nicht gegeben. Hier herrscht dringender Handlungsbedarf, gerade seitens der Politik.
Status Quo
Bislang haben Rezyklateinsatzquoten nur Einweggetränkeflaschen betroffen: Die EU-Richtlinie 2019/904 schreibt vor, dass PET-Einweggetränkeflaschen ab 2025 mindestens 25% Rezyklat enthalten müssen. Ab 2030 gilt für alle Einweggetränkeflaschen aus Kunststoff eine Quote von mindestens 30%. Hier nimmt Deutschland EU-weit eine Vorreiterrolle ein: Durchschnittlich ist hierzulande bereits über 40% Rezyklat in solchen Flaschen enthalten.
Ambitionierte Pläne der EU
Diese Vorgaben ändern und erweitern sich mit dem Plan der EU, die bisherige EU-Verpackungsrichtlinie 94/62/EC im Rahmen des Green Deals und des Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft zu ersetzen. Die Ziele: Ein effizienterer Binnenmarkt, Schutz von Mensch und Natur, Abfallreduktion sowie die Transformation zu einer klimaneutralen Kreislaufwirtschaft bis 2050. Um Verpackungen nachhaltiger zu gestalten, schlägt die EU unter anderem Mindestanteile an PCR in vielen Kunststoffverpackungen ab 2030 vor. Sie gehen weit über die bisherigen Vorgaben hinaus:
- Mindestens 30% PCR (ab 2040: 50%) in kontakt-sensiblen Verpackungen aus PET (Verpackungen für Lebensmittel, Tierfutter, Kosmetika, Gefahrgüter, Medizinprodukte und Arzneimittel für Mensch und Tier)
- Mindestens 10% PCR (ab 2040: 50%) in anderen kontakt-sensiblen Verpackungen (außer PET und Getränkeflaschen)
- Mindestens 35% PCR (ab 2040: 65%) in sonstigen Kunststoffverpackungen
- Einweggetränkeflaschen müssen die bereits bekannte Quote von 30% PCR erfüllen (ab 2040: 65%)
Ausnahmen soll es für kompostierbare Kunststoffverpackungen und bestimmte Anwendungen geben, etwa Primärverpackungen für Human- und Tierarzneimittel oder kontaktsensitive Verpackungen für Medizinprodukte. Bis zum 1. Januar 2028 prüft die EU-Kommission, ob weitere Ausnahmen erforderlich sind, zum Beispiel, wenn notwendige geeignete Recyclingtechnologien nicht oder nicht ausreichend verfügbar sind. Sie behält sich ebenfalls vor, Mindestrezyklatgehalte zu ändern, etwa bei mangelnder Verfügbarkeit oder überhöhten Preise bestimmter Rezyklate. Doch ohne entsprechende Recyclingmengen und ohne die zügige Genehmigung weiterer Technologien sind die vorgesehenen Quoten höchstwahrscheinlich unerreichbar.
Ohne Rezyklat keine Quotenerfüllung
Die geplanten Rezyklateinsatzquoten scheinen vor allem aufgrund der mangelnden Verfügbarkeit geeigneter Rezyklate nicht realistisch. Deutsche Hersteller setzen bereits 467.000 Tonnen Rezyklat (ohne Nebenprodukte) bei der Produktion von Kunststoffverpackungen ein, davon 370.000 Tonnen PCR. Dessen anspruchsvoller Einsatz hat sich seit 2017 mehr als verdoppelt. Durch die geplanten Quoten steigt der Bedarf allerdings auf über 1 Million Tonnen. Doch woher nehmen? Der Vorschlag der Kommission beruht auf der Annahme, dass eine Recyclingquote für Kunststoffe von mindestens 55% bis 2030 in allen EU-Mitgliedsstaaten erreicht wird. Während Deutschland mit einer Recyclingquote von 46,2% momentan zu den Spitzenreitern der EU gehört, liegt der EU-Durchschnitt bei gerade einmal 38%.
Fragwürdige Quoten für Lebensmittelverpackungen
Vor allem für Lebensmittelverpackungen und andere kontaktsensitive Anwendungen sind die Einsatzquoten eine Herausforderung. Denn diese unterliegen strengen Regulierungen. Diese führen dazu, dass für einen Großteil der Lebensmittelverpackungen noch keine zulässigen Rezyklate am Markt existieren. Laut einer neuen Kommissionsverordnung (Nr. 2022/1616) dürfen Rezyklate, die nicht mittels einer „geeigneten“ Recyclingtechnologie hergestellt wurden, nur noch bis Anfang Juli 2023 weiter in Verkehr gebracht werden.
Danach müssen die Rezyklate für solche Verpackungen aus Recyclingverfahren zweier „geeigneter“ Technologien stammen: Dies sind zum einen mechanisches Recycling von Post-Consumer-PET-Abfällen. Das zweite Verfahren ist Recycling von Abfällen aus geschlossenen und überwachten Produktkreisläufen, zum Beispiel Produktionsabfälle, Rückläufer aus der Lieferkette oder Catering-Geschirr. „Neuartige“ Technologien müssen erst aufwändig zugelassen werden. Doch hier geht es nur langsam voran: Bis zu sieben Jahre kann das Verfahren in Anspruch nehmen. Es bleibt die Hoffnung auf das chemische Recycling, das sich ökologisch und wirtschaftlich aber erst noch beweisen muss. Hersteller von Kunststoffverpackungen in Deutschland setzen sich deshalb dafür ein, Lebensmittelverpackungen von den Rezyklateinsatzquoten auszunehmen.
Sinnvolle Weiterentwicklung statt kurzgedachte Quotenlösung
Rezyklateinsatzquoten sollen die Nachfrage nach Rezyklaten garantieren, damit Investitionen ins Recycling absichern sowie CO2-Emissionen reduzieren. Diese Quoten zu erreichen und damit die umfassende Rohstoffwende des Kunststoffmarkts einzuläuten, steht jedoch nicht in alleiniger Macht der Kunststoffverarbeiter. Die gesamte Wertschöpfungskette muss zusammenarbeiten, um die Mengen und Qualitäten der Rezyklate in der Kunststoffverarbeitung zu steigern.
Um die Ziele der EU zu erreichen, braucht es mehr als bloße Quoten: Recyclingfähigkeit beginnt mit einem intelligenten Design-for-Recycling nach strikten Vorgaben. Ausreichende Rezyklatmengen setzen hohe Recyclingquoten voraus, die im gesamten EU-Raum durchgesetzt werden müssen. Um mehr Rezyklat für Lebensmittelverpackungen zu gewinnen, müssen neuartige Recyclingtechnologien als „geeignete“ Technologien für den Lebensmitteleinsatz schneller eine Zulassung bekommen. Der Rezyklateinsatz muss zudem flexibler werden, um die unterschiedlichen Voraussetzungen verschiedener Produkte für den Rezyklateinsatz auszugleichen. Denkbar sind Massebilanzierung, Gutschriftenmethoden und Zertifikathandel. Nicht zuletzt bedarf es eines effektiven Sicherheitsnetzes für die Industrie: zum einen, um sie vor einem unverschuldeten Vermarktungsverbot wegen eines strukturbedingten Rezyklatmangels zu schützen und zum anderen, um die betroffenen Lieferketten nicht zu gefährden.