Forschungsprojekt Innoredux: Neue Perspektiven auf Verpackungen

Der Fokus der Verpackungsforschung lag bislang vor allem auf technischen Neuerungen. Seltener wurde untersucht, wie Verpackungen sich hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Umwelt – ihrer Ökobilanz – unterscheiden, wie sich das Verpackungsaufkommen entlang der Wertschöpfungsstufen reduzieren lässt und wie der Handel selbst aktiv werden kann, um Verpackungen aus Kunststoff, Glas oder Karton sinnvoll einzusetzen.

Hier setzt das Forschungsprojekt Innoredux an: Ein Team aus dem Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und dem Institut für Energie- und Umweltforschung (ifeu) hat gemeinsam mit Handelsunternehmen und Verbänden drei Jahre lang innovative, umweltschonende Verpackungslösungen und geeignete Geschäftsmodelle für den Online- und den stationären Handel entwickelt. Dabei geht es um einen ganzheitlichen Blick auf den Einzelhandel und seine Handlungsspielräume. Denn dieser übernimmt als Bindeglied zwischen Herstellern und Verbraucher:innen eine Schlüsselrolle in der nachhaltigen Gestaltung von Wertschöpfungsketten. Die jeweiligen Kommunen unterstützen potenzielle Maßnahmen und etablieren bestehende Trends.

McKinsey Weniger Treibhausgase Durch PlastikÖkobilanzen und innovative Verpackungstrends

Der leichtsinnige Umgang mit Verpackungsmaterialien, die achtlos in der Natur entsorgt werden, belastet die Ökosysteme. Und das Problem scheint nicht kleiner zu werden: Obwohl die Industrie Verpackungen immer weiter optimiert, steigt ihr Verbrauch kontinuierlich an. Wir kaufen insgesamt immer mehr und greifen häufiger zu kleineren Verpackungsgrößen. Diese gegenläufige Entwicklung rückt glücklicherweise zunehmend ins Bewusstsein von Verbraucher:innen sowie der Politik.

Ziel von Innoredux ist es, Kunststoffeinträge in der Umwelt zukünftig durch ideale Verpackungen zu verringern und gleichzeitig die Innovationskraft der Praxispartner herauszustellen. Dazu haben die Forschenden vier Warengruppen unseres Alltags genauer unter die Lupe genommen: Lebensmittel, Textilien, Bürobedarf, Kosmetika und Hygiene-, Wasch-, Putz- sowie Reinigungsmittel. Sie untersuchen repräsentativ, wie sich verschiedene Verpackungen auf die Umwelt und den Einzelhandel auswirken. Zudem sollte gemeinsam mit Partnern aus der unternehmerischen und kommunalen Praxis sowie mit Verbänden eine praktische Umsetzung von Verpackungslösungen im Einzelhandel entwickelt werden. Leitfragen des Forschungsteams waren:

  • Welche Verpackungsinnovationen sind schon im Einsatz und welche sind vielversprechend?
  • Welche Geschäftsmodelle für die Verringerung von Kunststoffabfällen gibt es bereits?
  • Welche Änderungen im Verpackungsmanagement führen zu neuen Geschäftsmodellen bei Einzelhandelsunternehmen sowie ihren Zulieferern und Kooperationspartnern?
  • Wie können innovative nachhaltige Ansätze aus Nischen herauskommen und flächendeckend Anwendung finden?

Die Forschenden suchten dafür gezielt nach Unternehmen, die ihr Handeln bereits auf die Reduktion von Verpackungen im Verkauf, Versand, Transport und Lagerung ausgerichtet haben. Mithilfe von Ökobilanzen sowie sozialen und ökonomischen Analysen von Innovationen wurden Best Practices der jeweiligen Branchen identifiziert. Zudem ermittelten sie in qualitativen Interviews und Workshops, welche Geschäftsmodellinnovationen ökologisch sinnvoll und praktisch umsetzbar sind.

Innovationen im Praxistest

Das Herzstück des Forschungsprojekts war ein Reallabor in Heidelberg. In dieser transdisziplinären Forschungs- und Entwicklungseinrichtung haben Akteure aus Wissenschaft und Gesellschaft an zukunftsfähigen Lösungen gearbeitet. Gemeinsam mit den Praxispartnern wurde schließlich erprobt, ob diese einem Praxistest standhalten. Im Rahmen des „Verpackungslabors“ konnten sich Verbraucher:innen vom 1. Mai bis 31. Juli 2021 in mehreren Heidelberger Geschäften über die Ergebnisse informieren und nachhaltige Verpackungen für verschiedene Produkte ausprobieren. Sie hatten die Möglichkeit, sich vor Ort über nachhaltige Verpackungen zu informieren, die angebotenen Alternativen zu bewerten und an einer Kundenbefragung teilzunehmen. Die Ergebnisse sind schließlich in die weitere Forschung eingeflossen.

Auf Basis der Untersuchungs- und Befragungsergebnisse entwickelten die Forschenden gemeinsam mit den Praxispartnern Strategien, mit denen Kommunen und Einzelhandelsunternehmen Kunststoffverpackungen sinnvoll reduzieren können. Bestehende Trends zu ökologisch sinnvollen Verpackungslösungen sollen so zudem gestärkt werden. 

Wir geben an dieser Stelle einen kleinen Einblick in die Forschung von Innoredux. Spannend ist besonders die Frage nach Einweg- oder Mehrwegverpackungen. In der EU-Abfallhierarchie adressieren Mehrweggebinde die Stufe 2 (Wiederverwendung), Einweggebinde nur die Stufe 3 (Recycling). Das Abfallrecht bewertet Mehrweggebinde somit besser als Einweggebinde. Ökobilanzielle Analysen kommen jedoch durchaus zu anderen Ergebnissen, da verschiedene Faktoren die Ökobilanz der Mehrwegsysteme beeinflussen können.

Infografik Mandeln Innoredux Kunststoff VerpackungenDamen-T-Shirts

Innoredux untersuchte Einweg- und Mehrwegversandverpackungen von Damen-T-Shirts für den Onlinehandel anhand von zwei Referenzfällen sowie in vier Varianten, die zu diesem Zeitpunkt markttypisch waren. Die Ökobilanzen zeigen: Leichte Mehrwegversandbeutel haben die geringsten Umweltwirkungen – allerdings nur, wenn sie bis zu 40-mal wiederwendet werden. Diese ideale Wiederverwertungsrate wird bislang nicht erreicht. Materialaufwändigere zweiwellige Einwegversandkartons erzielten in allen Kategorien die höchsten Umweltlasten. Werden Mehrwegversandbeutel aus rezykliertem Polypropylen vollständig in Deutschland hergestellt, reduziert sich ihre Umweltwirkung so weit, dass sie insgesamt besser abschneiden als Mehrwegboxen aus rezykliertem Polypropylen (rPP).

Tomatenpassata

Das Forschungsteam verglich auch Verpackungen von Tomatenpassata: Einweggläser, Einwegverbundkartons und Mehrweggläser. Einweggläser erzielten in den meisten der untersuchten Wirkungskategorien die höchste Ökobilanz: Allein die Glasherstellung verursacht höhere Klimawirkungen als das Gesamtsystem des Einwegverbundkartons oder des Mehrwegglases. Einwegverbundkartons haben in den Kategorien „Klimawandel“ und „fossiler Ressourcenverbrauch“ hingegen die niedrigste und damit beste Ökobilanz. Die hohe Klimabilanz der Mehrweggläser ergibt sich durch ihre Einwegdeckel und die aufwändige Reinigung.

Mandeln

Ebenfalls unter der Lupe waren Mandelverpackungen. Neben zwei unverpackten Varianten verglichen die Forschende Einwegverpackungen aus Kunststoff (Mehrschichtverpackung) und Mehrweggläser. Einwegkunststoffverpackungen schnitten in fast allen Kategorien besser ab als Mehrweggläser. Das liegt vor allem daran, dass allein ihr Einwegdeckel ein höheres Gesamtgewicht (8 g) hat als die gesamte Einwegverpackung (5 g). Mehrweggläser verursachten in nahezu allen untersuchten Kategorien deutlich höhere Beiträge: Das Pfandsystem verliert durch die Einwegdeckel an Effizienz, hinzu kommen höhere CO2-Emissionen durch den Rücktransport und die Reinigung.

Welche Verpackungen ökologisch sinnvoll und praktisch umsetzbar sind, hängt also von verschiedenen Faktoren ab. Bei Mehrwegverpackungen spielen nicht nur Wiederverwendungsraten eine Rolle, sondern auch Verpackungsgewicht, Materialbedarf und Transportaufwand. So haben beispielsweise PET-Mehrwegflaschen trotz meist niedriger Wiederverwendungsraten oft ökobilanzielle Vorteile gegenüber Glasmehrwegflaschen. Für Industrie und Handel gilt es, aus Forschungsprojekten wie Innoredux die richtigen Schlüsse für einen nachhaltigeren Umgang mit Rohstoffen und Ressourcen abzuleiten.

Bildnachweis:

Beitragsbild: AdobeStock | Pixel-Shot

15. März, 2023|
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