Zukunftsvision wird Realität: Nachhaltige Kreislaufwirtschaft durch KI

Künstliche Intelligenz (KI), die dabei hilft, Abfall zu beseitigen und wichtige Ressourcen im Kreislauf zu führen? Was wie Zukunftsmusik klingt, möchte die Fördermaßnahme „KI-Anwendungshub Kunststoffverpackungen – nachhaltige Kreislaufwirtschaft durch Künstliche Intelligenz“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) schnellstmöglich Realität werden lassen. Mit der Initiative will das BMBF die Anwendung von Methoden der KI für eine ressourceneffiziente Kreislaufwirtschaft im Bereich Kunststoffverpackungen in Deutschland vorantreiben.

Nachhaltigkeit von Kunststoffverpackungen verbessern

Schaubild Nachhaltige Kreislaufwirtschaft durch künstlichen Intelligenz ermöglicht Ressourceneffizienz. Editor: KI Hub Kunststoffverpackungen

Bild: KI-Hub Kunststoffverpackungen

Der KI-Anwendungshub Kunststoffverpackungen besteht aus den Innovationslaboren KIOptiPack und K3I-Cycling, in denen 51 Partner aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft aus ganz Deutschland zusammenarbeiten. Ihr Ziel: Die Wertschöpfungskette von Kunststoffverpackungen so weit wie möglich zu schließen, die Rezyklatmengen und -qualitäten erhöhen und sicherstellen, dass sich das Material wiederverwenden lässt. Dazu erforschen und testen interdisziplinäre Expertenteams Methoden der KI in konkreten Anwendungsbereichen und bringen diese in die Praxis ein.

Sie stellen sich damit der Herausforderung, dass in Deutschland trotz hoher Verwertungsquoten bislang ein zu geringer Teil des wertvollen Recyclingmaterials tatsächlich im Kreislauf geführt wird. Eine flächendeckende hochwertige Nutzung von Kunststoffen als Sekundärrohstoff scheitert häufig an technischen und wirtschaftlichen Herausforderungen. Dazu gehören das Problem, Material in guter Qualität zu erhalten, eine fehlende Infrastruktur, zu niedrige Recycling- und Wiederverwendungsquoten oder Industriezweige wie Fast Fashion, die Abfallmengen signifikant erhöhen. Dabei bestehen Kunststoffabfälle weltweit größtenteils aus recycelbaren Verpackungen – ein riesiges Potenzial für mehr Nachhaltigkeit. Die wachsende Leistungsfähigkeit von KI ebnet nun den Weg zu einer nachhaltigeren Kreislaufwirtschaft.

Vom hochwertigen Rezyklat zur neuen Verpackung

Das Innovationslabor KIOptiPack betrachtet den Lebensweg der Verpackung bis zum Vertrieb: Es forscht zu Material, Design und Produktion von Kunststoffverpackungen. Im Fokus steht dabei die ganzheitliche Entwicklung und Optimierung der Verpackungen mit Rezyklatanteil mithilfe von KI. Für Kunststoffverpackungen sieht die EU-Verpackungsverordnung (Packaging and Packaging Waste Regulation, PPWR) ab dem Jahr 2030 ein Mindestgehalt an Post-Consumer-Rezyklaten (PCR) zwischen 10 und 35 Prozent vor, je nach Verpackungsart. Dieses Vorhaben fördern zwar Investitionen in das Recycling, jedoch besteht das Risiko eines Rezyklatmangels. Denn die benötigten Mengen und Qualitäten an Recyclingkunststoffen und damit an Rezyklaten stehen aktuell noch nicht am Markt bereit. Es drohen Vermarktungsverbote für Verpackungen, die diese Quote nicht erfüllen können und damit schwerwiegende Folgen für die Lieferketten. Umso wichtiger ist es, Recyclingtechnologien weiterzuentwickeln und Recyclingstrukturen auszubauen.

Entwicklung Recyklat Nachfrage DeutschlandDamit sich Rezyklate industriell sicher und erfolgreich einsetzen lassen, ist ihre Qualität und damit die Qualität der Verpackungsabfälle entscheidend. Verpackungen für Lebensmittel oder Kosmetika beispielsweise müssen höchsten Qualitätsanforderungen entsprechen. Ob Vorhersage relevanter Materialeigenschaften, Prozessführung, Verpackungs- oder Prozessdesign: Für die ressourceneffiziente und kreislauffähige Gestaltung solcher Verpackungen ist es notwendig, jeden Prozessschritt im Wertschöpfungskreislauf zu optimieren.

Dies gelingt mit KI: Die Expert:innen von KIOptiPack entwickeln für jeden Prozessschritt KI-Methoden und Assistenzsysteme. Diese ermöglichen eine effiziente und robuste Verarbeitung sowie ein zielgerichtetes Produktdesign und berücksichtigen auch Materialeigenschaftsschwankungen und Kontaminationen der Rezyklate. KIOptiPack fokussiert hierbei mit Compoundierung-Spritzgießen und Compoundierung-Extrusion-Thermoformen die Fertigungsverfahren mit dem größten Materialumsatz. Die KI-Tools stellt KIOptiPack in einem KI-Anwendungs- und Datenraum bereit, validiert sie und transferiert sie schließlich in die Anwendung, wenn sie praxisreif sind. Darüber hinaus werden sie mit einer zentralen Netzwerkplattform für das Wertschöpfungsengineering verknüpft. Koordiniert wird KIOptiPack vom Institut für Kunststoffverarbeitung an der RWTH Aachen. Die Laufzeit des Projekts ist vorerst bis Mitte 2025 angesetzt.

Besseres Recycling dank digitalem Zwilling

Anders als KIOptiPack setzt das Innovationslabor K3I-Cycling beim Wegwerfen an: Die Projektpartner erforschen, wie sich die Kreislaufführung von Kunststoffverpackungen KI-gestützt optimieren und somit der Kreislauf schließen lässt. Ziel ist es, das werkstoffliche Recycling von Post-Consumer-Kunststoffverpackungsabfällen in quantitativer und qualitativer Hinsicht zu verbessern. Dafür nehmen sie Sammlungs-, Logistik-, Sortierungs-, Trennungs- und Aufbereitungsprozesse unter die Lupe. So werden zum Beispiel die Stoffströme aus Wertstofftonnen und Gelben Säcken analysiert, sowie Strategien und Konzepte zur Sortierung und Aufbereitung der Verpackungsabfälle entworfen. Dafür entwickeln und pilotieren die Projektpartner spezifische KI-Methoden: Neben der Optimierung von Sortierprozessen oder Materialtrennung durch Roboter soll eine KI Gefahr- und Störstoffe im zu recycelnden Material – etwa gefüllte Farbeimer oder Scherben im Verpackungsabfall aus dem Gelben Sack ­– erkennen und entfernen.

Zu diesem Zweck arbeitet K3I-Cycling erstmals an und mit einem Artificial Neural Twin (ANT), der in einer realen Leichtverpackungs-Sortieranlage getestet und optimiert wird. Mit dieser vollständig differenzierbaren digitalen Darstellung des realen Stoffkreislaufs lassen sich Einzelkomponenten im Verhältnis zum gesamten System optimieren. Dazu werden verschiedene sensorische Informationen entlang des Materialflusses als Daten erfasst. Mithilfe des ANT entwickelt K3I-Cycling eine neue, offene und standardisierbare KI-Schnittstelle. Über sie lassen sich relevante Informationen – Komponenten, Materialien und chemischen Substanzen oder auch Informationen zu Reparierbarkeit, Ersatzteilen oder fachgerechter Entsorgung – über verschiedene Sektoren hinweg für einen digitalen Leichtverpackungs-Produktpass wie R-Cycle sammeln. Er enthält beispielsweise Informationen zur Art der Laminierung oder die Eigenschaften der Tinte für den Aufdruck. So wissen Recycler, wie sie den Stoff verwerten können.

Auf dieser Datenbasis lassen sich alle Stakeholder entlang des Wertschöpfungskreislaufs von Leichtverpackungen digital vernetzen sowie Prozesse an den einzelnen Stationen der Wertschöpfungskette und des gesamten Kreislaufs KI-basiert optimieren. K3I-Cycling wird vom Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS koordiniert und ist vorerst bis Mitte 2025 geplant.

Gemeinsam für KI als Wegbereiter der Kreislaufwirtschaft

Darstellung Kreislauf von Kunststoffverpackungen bedeutet Ressourceneffizienz. Auf der Grafik zu sehen - Kreis unterbrochen durch die Bubbles: Rohstoffe, Kunststoffproduktion, Produktherstellung, Nutzung, Recycling. Pfeile an verschiedenen Stellen deuten an, dass entweder beim Verwerten von Kunststoff Energie entsteht oder für bestimmte Prozessschritte Energie benötigt werden. Der KI-Anwendungshub ein Forum, um das interdisziplinäre Projekt durch Publikationen, Veranstaltungen und weitere Maßnahmen mit allen Stakeholdern des Kunststoffverpackungskreislaufs in einen Dialog bringen. Die Themen des KI-Hubs sollen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Geplant sind neben Events auch ein Podcast und ein Open-Hub-Day. Ihre Forschung präsentieren die Innovationslabore zudem auf Fachtagungen und Konferenzen, etwa auf der Berlin Science Week oder beim COSMO Wissenschaftsforum Dresden in diesem Jahr. Dort erläuterten Projektpartner, wie eine trainierte KI in der Lage ist, unbekannte Daten zu analysieren und präzise Lösungen für auftretende Produktionsprobleme zu bieten. Sie sagt beispielsweise vorher, dass eine Produktionsmaschine einen Joghurtdeckel mit einer Wahrscheinlichkeit von 67 Prozent nicht richtig auf dem Becher platzieren wird. Als Lösung empfiehlt sie, den Abzug neu einzustellen.

Die Innovationslabore bilden zusammen den gesamten Wertschöpfungskreislauf von Kunststoffverpackungen ab. Zentral ist, die Forschungsergebnisse für das jeweils andere Innovationslabor zugänglich zu machen. Denn nur ein gemeinsamer Datenaustausch ermöglicht es, Erkenntnisse ganzheitlich über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg zu betrachten und die Kunststoffkreislaufwirtschaft nachhaltiger zu gestalten.

 

Beitragsbild: iStock | LaymanZoom

8. Dezember, 2023|
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