Es gibt kaum eine politische Rede zur Verpackungsregulierung, die nicht mit einem Verweis auf die angeblich immer größere Menge an Kunststoffverpackungsabfällen beginnt. Wir haben dies zum Anlass genommen, die verfügbaren Zahlen zum Verpackungsabfallaufkommen zusammenzutragen und die Aussage für Deutschland auf den Prüfstand zu stellen.
Tatsächlich hat sich die Menge an Kunststoffverpackungsabfällen pro Kopf in der EU nach den aktuellsten Eurostat-Daten von 2005 bis 2020 um 19 Prozent erhöht (2005: 28 kg/Kopf – 2020: 34,5 kg/Kopf – für 2021 liegen nur Schätzungen vor).
Zum Vergleich: Das Aufkommen von Papier-, Pappe- und Kartonverpackungsabfällen (PPK) ist etwa doppelt so hoch und hat in diesem Zeitraum um 16 Prozent zugenommen (2005: 61,4 kg/Kopf – 2020: 73 kg/Kopf).
Das Bruttoinlandsprodukt, also der Gesamtwert aller produzierten Waren und Dienstleistungen, ist im gleichen Zeitraum in der EU27 um 29 Prozent gestiegen, also deutlich stärker als die Verpackungsmengen.
Leider gibt es noch keine verlässlichen Eurostat-Daten für das, was nach 2020 geschehen ist. Das ist bedauerlich, denn es gibt Grund für die Annahme, dass die oft beschworene „Verpackungswende“ bereits stattgefunden hat.
Prognose: Rückgang von Kunststoffverpackungen um ein Drittel bis 2045
Eine aktuelle Untersuchung von GVM und ifeu aus dem Jahr 2023 zeigt, dass der Verpackungsverbrauch in Deutschland insgesamt seinen Höhepunkt bereits 2021 erreicht hat. Seitdem sinkt er – und wird bis 2045 weiter sinken. Prognostiziert wird ein Rückgang des Verpackungsverbrauchs bis 2030 um knapp 13 Prozent, bis 2045 sogar um 27 Prozent. Maßgeblich sind dabei die Annahmen über die wirtschaftliche sowie die Bevölkerungsentwicklung, verändertes Verzehr- und Konsumverhalten, Dematerialisierung, Mehrweganwendungen oder auch Versandhandel und Unverpackt-Distribution. Eine große Rolle spielen auch der Klimawandel und die Energiekrise. Die in der Studie getroffenen Annahmen wirken sich mehr oder weniger stark auf den Verbrauch in allen Materialfraktionen aus. Besonders stark betroffen sind die Materialgruppen PPK und Kunststoff, weil sie
- als Transport- und Verkaufsverpackung eingesetzt werden und
- in fast allen Produktgruppen Marktbedeutung haben.
Betrachtet man nur den Verbrauch an Kunststoffverpackungen, fallen die GVM-Zahlen sogar noch deutlicher aus: Bis zum Jahr 2030 erwarten die Verpackungsmarkt-Experten einen Rückgang um 18 Prozent, bis 2045 wird ein Rückgang um ein Drittel prognostiziert. Und die zusätzlichen Auswirkungen der EU-Verpackungsverordnung oder einer deutschen Plastiksteuer wurden dabei noch nicht einmal berücksichtigt.
Zentrale Stelle Verpackungsregister bestätigt Trendumkehr
Tatsächlich zeigen auch die aktuellen Daten der Zentrale Stelle Verpackungsregister (ZSVR), dass eine Trendumkehr bereits stattgefunden hat: Erstmals ging der Verpackungsverbrauch im Jahr 2022 insgesamt zurück. Gründe dafür sind die Konsumzurückhaltung infolge der Inflation, die Mehrwegangebotspflicht sowie die Ausweitung der Pfandpflicht im Getränkebereich. Allerdings sind nicht alle Verpackungsmaterialien gleichermaßen betroffen: Während die Menge an Glas- und sogenannter Leichtverpackungen (aus Kunststoff) 2022 deutlich zurückgegangen ist, stieg die Menge an Papier-, Pappe- und Kartonverpackungen sogar leicht an. Gegen den sinkenden Trend wuchs insbesondere die Menge an oftmals schwer recycelbaren Verbundverpackungen aus Papier und Kunststoff.
Die ZSVR geht davon aus, dass der Verpackungsverbrauch auch in den nächsten Jahren sinken wird. Prognostiziert wird, dass die Menge systembeteiligungspflichtiger Verpackungen – also mit Ware befüllte Verkaufsverpackungen sowie Umverpackungen, die nach Gebrauch typischerweise beim privaten Endverbraucher als Abfall anfallen – voraussichtlich von 8,1 Mio. Tonnen in 2022 auf 7,9 Mio. Tonnen (2023) bzw. 7,6 Mio. Tonnen (2024) sinkt.
Der Verbrauch von Leichtverpackungen sinkt nach Prognose der ZSVR bis 2024 voraussichtlich um 6,2 Prozent. Bei Papier-, Pappe- und Kartonverpackungen ist ein Rückgang um 7,6 Prozent zu erwarten. Dennoch ist auch für die nächsten Jahre mit einem weiteren Anstieg der problematischen Papier-Kunststoff-Verbundverpackungen zu rechnen. Und auch hier sind die Wirkungen einer Plastiksteuer noch nicht berücksichtigt.
Statistisches Bundesamt: Historischer Tiefstand bei Haushaltsabfällen
Bestätigt wird diese Prognose zusätzlich durch die jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes zum Haushaltsabfallaufkommen: Danach ist die Menge an Haushaltsabfällen 2022 in Deutschland auf einen historischen Tiefstand gesunken. Die getrennt vom Hausmüll gesammelte Abfallmenge „Gemischte Wertstoffe/Verpackungen (inkl. LVP), Verbunde“ ist von 2.932 kt (oder 35 kg/Einwohner) 2020 auf 2.730 kt (32 kg/Einwohner) 2022 gesunken, die Menge an „Papier, Pappe, Karton (PPK)“ von 5.512 kt (66 kg/Einwohner) auf 5.022 kt (60 kg/Einwohner) im gleichen Zeitraum.
Im Ergebnis lässt sich festhalten: Der Verpackungsverbrauch in Deutschland hat seinen Höhepunkt bereits 2021 überschritten, seitdem sinken die Verpackungsmengen. Eine Ausnahme bilden oftmals nicht oder nur schwer zu recycelnde Papier-Kunststoffverpackungen, deren Mengen steigen. Wie eine aktuelle Studie des Umweltbundesamts (UBA) festgestellt hat, würde eine Plastiksteuer diesen Negativ-Trend noch verstärken: Verpackungsdesigner würden aufgefordert, weniger Kunststoff in Verpackungen einzusetzen, um Steuern zu sparen. Ganz auf Kunststoff verzichten kann man wegen seiner Funktionen allerdings nicht, insbesondere nicht bei Lebensmittelverpackungen. Das Ergebnis sind noch mehr schwer recycelbare Verbundverpackungen. Die Aussage, es gäbe immer mehr Kunststoffverpackungen, ist daher zumindest für Deutschland nachweislich falsch.
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