Sie sind jung, talentiert, wollen Veränderungen mitgestalten – und sie sind die Zukunft der Kunststoffverpackung: die Young Talents, die kontinuierlich an und mit innovativen Produkten arbeiten. Sie bewegen bereits viel, obwohl sie erst am Beginn ihrer beruflichen Laufbahn stehen. Einer von ihnen ist Marvin Pfeiffer. Der gebürtige Bremer ist Gründer und CEO von Sinox Polymers, einer Beschaffungsplattform für recycelte PCR- und PIR-Kunststoffrezyklate (Regranulate, Mahlgüter und Agglomerate). Das Unternehmen bietet seinen meist mittelständischen und größeren Kund:innen ein breites Sortiment an konventionellen und zertifizierten recycelten Kunststoffen, die es lokal aus Europa und der ganzen Welt beschafft.
Durch Innovation ist vieles möglich
Mit Sinox Polymers möchte Marvin Pfeiffer dazu beitragen, eine funktionierende Kreislaufwirtschaft in der Kunststoffindustrie basierend auf dem Cradle-to-Cradle-Prinzip zu etablieren. Recycling und Kreislaufwirtschaft weckten bereits im Grundschulalter sein Interesse. Er sammelte zurückgelassene Pfandflaschen und Altmetalle ein, weil er es als richtig empfand, die Materialien im Kreislauf zu halten. Nach dem Abitur entschied er sich für ein Duales Bachelor-Studium bei der Aurubis AG in Hamburg, der größten Kupferrecyclerin der Welt. Anschließend wechselte er zu Serohtec, einem Startup aus Köln, wo er die Strukturen eines digitalen Marktplatzes für Nichteisenmetallschrotte aufbaute.
Noch vor dem Masterstudium gründete er Sinox Polymers in Bremen, um Kunststoff-Granulate aus Europa an chinesische Hersteller zu distribuieren. Das Geschäft startete so gut, dass 2019 die Gründung der chinesischen Tochtergesellschaft und 2020 der Gesellschaft in Hongkong folgte. 2021 rechnete sich der Import von Regranulat aus Europa nach China nicht mehr, weshalb das Unternehmen inzwischen Regranulat mit Ocean Bound Plastic (OBP)- und Global Recycled Standard (GRS)-Zertifizierung aus Südostasien in China distribuiert. Seit 2022 baut Marvin Pfeiffer verstärkt auch die europaweite Beschaffung von Ballenware, Mahlgütern und Regranulaten für europäische Hersteller aus. „Mit Sinox Polymers möchte ich dazu beitragen, Kunststoffe bestmöglich über mechanische Recyclingverfahren im Kreislauf zu halten. Die technologische Entwicklung von Bottle2Bottle-Recycling in den letzten Jahren hat gezeigt, dass durch Innovation vieles möglich ist“, sagt er.
Herr Pfeiffer, was begeistert Sie an Kunststoffen?
Marvin Pfeiffer: „Dass ich in der Kunststoffbranche gegründet habe, war Zufall, weil ich hier meinen ersten Lieferanten gefunden hatte. Ehrlicherweise stellte ich mir anfangs die Frage, ob ich hauptberuflich mit einem Material arbeiten will, das mit so vielen negativen Assoziationen behaftet ist. Kunststoffabfall ist im Gegensatz zu beispielsweise Altmetallen heutzutage fast schon der Inbegriff von Umweltverschmutzung. Genau das ist auch der Grund, warum ich mich für das Kunststoffrecycling entschieden habe: Kupfer wird bereits zu 99 Prozent recycelt. Im Kunststoffrecycling hingegen gibt es noch mehr als genug zu tun und man kann einen wirklichen Unterschied machen.“
Was macht die Kunststoffbranche aus Ihrer Sicht für Nachwuchskräfte so interessant?
Marvin Pfeiffer: „In der Kunststoffindustrie können sich Nachwuchskräfte einbringen und diese Industrie in eine kreislauffähige nachhaltige Zukunft zu führen. Eine Zukunft, in der Kunststoff kein Umweltproblem mehr darstellt, sondern der positive Beitrag für Gesellschaft und Umwelt im Mittelpunkt steht. Kunststoff ist der Werkstoff, der unsere moderne Gesellschaft in weiten Teilen überhaupt erst möglich gemacht hat und der durch seinen niedrigen CO2-Fußabdruck einen großen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel leistet. Dieser Imagewechsel – weg vom Problem und hin zur Lösung – funktioniert jedoch nur, wenn Kunststoff nur dort Anwendung findet, wo er wirklich einen Mehrwert bietet. Genau daran arbeitet die Branche mit Nachdruck.“
Wie erklären Sie sich das schlechte Image von Kunststoff?
Marvin Pfeiffer: „Es ist paradox, dass die Vorteile von Kunststoff gleichzeitig verantwortlich sind für sein schlechtes Image. Kein anderer Werkstoff ist so vielseitig, resistent gegenüber Umwelteinwirkungen und lässt sich gleichzeitig so kostengünstig und skalierbar produzieren. Deshalb wird Kunststoff heute in allen Lebensbereichen eingesetzt – auch dort, wo er nicht unbedingt notwendig ist. Seine Entsorgung bringt Hürden mit sich: Er ist nicht biologisch abbaubar. Als Verbundstoff oder nicht sortenreiner Kunststoff ist er zudem auch nicht gut oder zum Teil gar nicht rezyklierbar.Neuware-Kunststoff ist zudem sehr günstig und kein Hersteller kauft freiwillig qualitativ minderwertigeres Rezyklat zum gleichen oder gar höheren Preis. Ohne externe Kosten einzubeziehen, etwa CO2-Einsparungen gegenüber der Neuwareproduktion, ergibt es meist wenig Sinn, post-consumer Kunststoff zu recyceln. Hauptursache für die Umweltverschmutzung, die zum schlechten Image führt, sind geographisch gesehen jedoch die Entwicklungsländer ohne Sammel- oder Recyclinginfrastruktur. Solange entwickelte Länder, wie die EU-Staaten und die USA, weitgehend unkontrolliert Kunststoffabfälle dorthin exportieren, machen sie sich aktiv mitverantwortlich. Die EU ist durch neue Gesetzgebung auf einem guten Weg das zu verbessern. Für die deutsche Kunststoffindustrie allein ist dieses globale Problem nur schwer beeinflussbar.“
Faszination Fernost
Marvin Pfeiffer hat Teile seines Studiums in China absolviert, spricht fließend Mandarin. Schnell war klar: Auch beruflich wird China eine große Rolle spielen. Er findet, dass China und Deutschland in Sachen Kreislaufwirtschaft viel voneinander lernen können. So hat China aus seiner Sicht eine große Expertise in Sachen Trennung und Recycling von bestimmten Mischkunststoff-Fraktionen zu hochwertigen sortenreinen Rezyklaten entwickelt. Anders sehe dies beim Umweltbewusstsein aus, so Pfeiffer. Die europäische Bevölkerung betrachte Produkte aus Recycling-Kunststoff häufig als umweltfreundlicher und sei bereit, den gleichen oder sogar einen höheren Preis zu zahlen als für ein vergleichbares Produkt aus Neukunststoff. In China gelten Produkte aus Recycling-Kunststoff als minderwertig und müssten sich eindeutig über den Preis von Produkten aus Neuware absetzen, sonst würden sie nicht gekauft. Der Umweltgedanke spiele hier keine nennenswerte Rolle.
Warum sind Rezyklate für Sie der Schlüssel zu einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft und damit zu mehr Nachhaltigkeit?
Marvin Pfeiffer: „Es ist wichtig, Kunststoff aus der Umwelt fernzuhalten und Produkte mit möglichst geringem oder perspektivisch gar keinem CO2-Fußabdruck herzustellen. Kunststoff-Rezyklat hat einen geringeren CO2-Fußabdruck als Neukunststoff und senkt somit die CO2-Bilanz der Produkte. Ziel sollte eine Cradle-to-Cradle-Kreislaufwirtschaft sein, wie es im Kupferrecycling bereits Wirklichkeit ist. Dabei werden Kunststoffprodukte so lange mechanisch recycelt, bis die Qualität zu stark degradiert ist. Durch chemisches Recycling lassen sich diese minderwertigen Polymere zurück in ihre Monomere zersetzen, aus denen wieder Kunststoffe in Neuware-Qualität hergestellt werden. Wie beim Kupfer wird es jedoch für einige Zeit notwendig sein, Neuware zuzuführen, da wir mehr neu produzieren als recyceln.“
Was bedeutet Innovation und Transformation für Sie und Ihr Unternehmen im Kontext von Kunststoffen, Kunststoffverpackungen und einer effizienten Kreislaufwirtschaft?
Marvin Pfeiffer: „Kunststoffhersteller müssen sich den Trends der Zukunft anpassen: Weg von Einweg- hin zu Mehrwegkunststoffen, mehr Recycling und ein erhöhter Rezyklateinsatz. Zielsetzung sollte sein, möglichst objektiv auf Basis definierter Nachhaltigkeitsparameter wie der Ökobilanz zu bewerten, in welchem Fall welche Verpackungsart am nachhaltigsten ist. Das wird auch auf die größte Akzeptanz in der Bevölkerung stoßen. Die beste Ökobilanz hat die Verpackung, die nicht produziert wird. Trotzdem haben Verpackungen in vielen Bereichen ihre Daseinsberechtigung. Etwa, wenn beispielsweise Einwegkunststoffe Lebensmittel länger haltbar machen und so der Lebensmittelverschwendung entgegenwirken. Dann sollte der Schwerpunkt auf Design for Recycling liegen, damit diese Einwegkunststoffe recyclebar sind.“
Viele Blicke richten sich in Sachen Nachhaltigkeit auf die Industrie. Aber was müssen oder können wir als Verbraucher:innen bzw. auch die Politik aus Ihrer Sicht ändern, um unseren Konsum und den Umgang mit Kunststoffverpackungen nachhaltiger zu gestalten?
Marvin Pfeiffer: „Bürger:innen können nicht jede Kaufentscheidungen auf Basis der Verpackung treffen. Hauptgrund für die Kaufentscheidung eines Produktes ist meist nicht die Verpackung. Zudem haben Bürger:innen nicht die Zeit, sich im Detail damit zu beschäftigen und zu differenzieren, dass Kunststoff auch viele Vorteile mit sich bringt. Ich sehe deshalb in erster Linie die Verantwortung bei der Politik, die grundlegenden Weichen zu stellen. Umsetzen muss dies dann die Industrie. Die Politik sollte klare Anreize für eine Kreislaufwirtschaft von Kunststoffen setzen, Mehrweg fördern und Einweg so weit wie möglich begrenzen. Design for Recycling sollte nicht nur gefördert werden, sondern nicht recycelbare Verpackungen inklusive Papier-Kunststoffverbunde weitestgehend verboten oder sehr unattraktiv für Produzenten gemacht werden. Auch chemisches als Ergänzung zum mechanischen Recycling muss weiter erforscht und gefördert werden. Recycling von Abfall, insbesondere Kunststoffabfall, muss dort stattfinden, wo er anfällt. Was unbedingt vermieden werden sollte, ist Unklarheit: Entweder ist eine kompostierbare Kunststofftüte für Bioabfall in allen industriellen Kompostanlagen kompostierbar und darf mit dem Abfall zusammen in den Biomüll, oder nicht. Wenn nicht, sollte die Politik dafür sorgen, dass solche Verpackungen gar nicht erst zugelassen oder Verbraucher:innen wenigstens besser aufgeklärt werden.“
Eine klare Zukunftsvision
Obwohl Marvin Pfeiffer die Politik in der Verantwortung sieht Weichen zu stellen, bewertet er Regularien wie etwa die geplante EU-Verpackungsverordnung (PPWR) ambivalent: „Die Investitionskosten für neue Lösungen sind hoch, Innovation muss für Unternehmen trotzdem wirtschaftlich sein. Neue Gesetze können Innovationsprozesse durch den Druck von außen beschleunigen. Die Vorgaben müssen aber auch umsetzbar sein. So sind beispielsweise Rezyklateinsatzquoten für Lebensmittelverpackungen theoretisch eine gute Idee, praktisch gibt es aber schon jetzt, ohne gesetzlich vorgeschriebene Quoten, nicht genug geeignete Rezyklate im Markt. Es braucht deshalb faire Übergangsfristen.“
Mit seinem Unternehmen möchte er in Zukunft den nächsten Schritt gehen und es vom reinen Handelsunternehmen hin zu projektbasierter Produktinnovation weiterentwickeln. Zu den bereits laufenden Projekten gehören unter anderem die Entwicklung eines PCR Recompounds für Lebensmittelkontakt-Mehrweganwendungen, die Herstellung von Expressbeuteln in China aus Ocean Bound Plastic und post-consumer recyceltem Polyethylen sowie die Entwicklung eines kundenspezifischen Recompounds aus PCR-PP mit Glasfaserverstärkung für Kunststoff-Stühle für die Verwendung in Hotels. Solche Produktinnovationen sieht er als Zukunft für eine weitere Skalierung seines Unternehmens und um den Einsatz von mechanisch recyceltem PCR-Kunststoff als Ersatz für Neuware-Kunststoffe zu fördern.