„Wir wollen das Müllproblem im E-Commerce an der Wurzel packen“
„Wir wollen das Müllproblem im E-Commerce an der Wurzel packen“
Das junge Start-up Boomerang hat sich auf die Fahne geschrieben, den Online-Handel mit seiner Mehrwegverpackung vom Verpackungsabfall zu befreien. Möglich macht das ein innovatives Mehrwegsystem für wiederverwendbare Versandverpackungen. Wir haben mit Christian Putz, einer der drei Gründer und Co-Geschäftsführer von Boomerang, über die innovative Idee sowie die Vision des Start-ups gesprochen.
Im Dialog mit Christian Putz, Geschäftsführer bei Boomerang Systems UG
Herr Putz, was war der zündende Impuls für Ihre Innovation und die Gründung von Boomerang?
Die Idee dazu hatte mein Mitgründer und Initiator Marc Engelmann als er mal wieder vor einer völlig überfüllten blauen Papiertonne stand. Er wollte das Problem an der Wurzel packen und den Müll, der durch den E-Commerce entsteht, insgesamt verringern. Marc hat erste Prototypen entwickelt und Mitstreiter für die Umsetzung gesucht.
Ich konnte bereits während meines Studiums in Schweden erste Gründungserfahrungen mit einem eigenen Start-Up sammeln und fand E-Commerce schon immer spannend. Als ich von Marcs Idee hörte, war ich sofort begeistert. Und zwischen uns hat es sofort gematcht, wie man so schön sagt. Hinzu kam, dass im gleichen Zuge Katharina als dritte Mitgründern das Team perfekt ergänzte. Wir beide haben unsere Jobs und Wohnungen in Bayern gekündigt und sind zu Marc nach Hamburg gezogen, um Boomerang zu gründen.
Das war vor ungefähr zwei Jahren, die eigentliche Gründung erfolgte im Mai 2022. Mittlerweile haben wir die erste Finanzierungsrunde abgeschlossen und bereits einen wachsenden Kundenstamm.
Mehrweg und Einweg werden oft als Gegenspieler inszeniert oder wahrgenommen. Der eine ist gut, der andere ist böse. Wie ist Ihre Einschätzung?
Wir sind nicht grundsätzlich gegen Einweg, es hat in vielen Bereichen auch seinen Nutzen, wie beispielsweise in der Medizin oder bei Produkten, die konterminieren können. Aber durch Einweg wird deutlich mehr Müll produziert. Vor allem in Sektoren, in denen hohe Volumen auftreten und der private Konsum eine große Rolle spielt. Das ist beim Online-Handel gegeben. Pro Kopf entstehen in Deutschland insgesamt mehr als 220 Kilogramm Verpackungsmüll im Jahr, das ist eine enorme Menge. Wir möchten hier mit unserer Mehrwegverpackung Abhilfe schaffen.
Wie funktioniert Ihre Lösung und wie sieht das Kreislaufsystem dahinter aus?
Wir haben mit Boomerang ein ganzheitliches Mehrwegsystem für Mehrwegverpackungen entwickelt. Unsere Verpackungen können bis zu 50 mal wiederverwendet werden und sind größenverstellbar, dadurch minimieren wir auch den Leeranteil im Paket. Die Verpackungen sind aus recycelten Polypropylen und lassen sich nach ihrem Lebenszyklus dem Recyclingstrom wieder zu führen. Darüber hinaus bieten wir als Systemanbieter ein digitales Pfandsystem an, das per Schnittstelle einfach in die Shopsysteme integriert werden kann, sowie die komplette Infrastruktur zur Rückführung und Reinigung der Verpackungen.
Das Prinzip ist eigentlich ganz einfach: Der Online-Händler ordert die Versandverpackungen, für ihn ändert sich im Einkaufsverhalten nichts. Über unser automatisiertes Pfandsystem können im Anschluss die Bestellungen und Verpackungen verknüpft sowie getracked werden. Das Pfand wird bei Bestellung in Höhe von drei Euro gezahlt und nach der Retoure automatisiert zurückerstattet. Die Rückgabe der Verpackungen ist denkbar einfach. Diese sind bereits vorfrankiert, lassen sich leer auf DIN-A4-Größe zusammenfalten und über den Briefkasten oder einen Paketshop zurückschicken. Für Verbraucher entstehen so keine Zusatzkosten oder Mehraufwände.
Und was passiert dann mit der Verpackung?
Boomerang Taschen (Packs) und Boxen können bis zu 50 mall wiederverwendet werden – wie schon erwähnt – und sparen damit einen Großteil der Einwegkartons sowie CO2 ein. Wenn sie zurück sind, werden sie gereinigt. Durch das Pfand haben wir eine hohe Retourenquote von 95 bis 98 Prozent.
Wir arbeiten stetig daran, unsere Produkte weiterzuentwickeln, um die Umlauffrequenz unserer Mehrwegverpackungen weiter zu erhöhen.
Ihre Kunden sind Online-Shops. Welche sind die vorrangigsten Gründe, dass sie Ihre Mehrweg-Versandlösungen jetzt noch nicht in die Versandlogistik integrieren?
Grundsätzlich ist die Resonanz sehr positiv – und wir sprechen mit allen bekannten Marken, von klein bis groß. Alle erkennen den Mehrwert und wissen, dass sie etwas tun müssen. Allerdings ist das gerade bei großen Online-Händlern nicht so einfach, denn sie haben definierte Logistikprozesse. Manch einer hat sich erst kürzlich automatisiert und neue Verpackungsanlagen eingerichtet – und dafür Millionen von Euro investiert.
Bei der Zusammenarbeit mit Großkunden stoßen wir manchmal auf Ressourcenengpässe, da andere Projekte eine andere Priorität haben. Wir sind jedoch in der Lage, einen Teil der Aufgaben zu übernehmen. Dennoch ist der Kunde stets am besten mit seinem Warenwirtschaftssystem vertraut, weshalb wir sein Know-how benötigen.
Gemeinsam mit unseren Kunden arbeiten wir daran, einen Weg zu finden, wie wir uns mit unserer Lösung in die Prozesse unserer Kunden integrieren können. Wir versuchen offen und flexibel zu sein und uns an die Anforderungen der Online-Händler anzupassen. Unser Ziel sind die großen Kunden, der Massenmarkt. Denn wir wollen wirklich etwas bewegen.
Was sind die Vorteile für Unternehmen, Ihre Mehrweg-Versandlösung in ihr Portfolio aufzunehmen?
Als Full-Service-Provider bieten wir unseren Kunden eine All-inclusive-Lösung, so dass sie eine Mehrweglösung nutzen und sich dabei auf ihr tägliches Kerngeschäft konzentrieren können. Wir nehmen ihnen die Arbeit der Rückführung und Reinigung ab und helfen Online-Händlern sogar, ihr Geschäft anzukurbeln. Denn sie können neue Kundenzielgruppen erschließen. Zudem profitieren sie von Kosteneinsparungen im Hinblick auf z.B. Entsorgungskosten und Systemkosten.
Letztendlich ist unseren Kunden ein einfaches und intuitives Handling für den Endverbraucher wichtig und auch, dass ihnen keine zusätzlichen Kosten entstehen. Bereits jetzt können wir eine sehr positive Conversation Rate bei unserer nachhaltigen Versandverpackung vorweisen. 15 bis 30 Prozent der Konsumenten bei unseren Kunden entscheiden sich für eine Mehrwegverpackung beim Online-Shopping.
Wenn eine Mehrwegquote im Rahmen der Verpackungsverordnung Pflicht wird, führt das auch zu großen Veränderungen in der E-Commerce-Branche. Wie bereiten Sie Ihr Produkt auf diese Veränderung vor?
Mit unseren Packs lassen sich problemlos fragile Produkte verschicken. Zusätzlich bieten wir auch eine Boxlösung an, mit der wir fast alle Warengruppen abdecken können. Auch die Boxen gibt es in verschiedenen Größen – und auch diese sind in DIN-A4-Größe zusammenfaltbar und können per Briefkasten zurückgeschickt werden.
Wir fordern sehr viel Feedback bei unseren Kunden ein, hinterfragen immer wieder den Status Quo, um unsere Produktentwicklung zielgerichtet voranzubringen.
Wird Ihr Produkt bereits aus dem europäischen oder internationalen Ausland angefragt?
Bislang sind wir in Deutschland aktiv, haben aber bereits eine Reihe von Analysen durchgeführt, welche Märkte im nächsten Schritt für uns spannend sind. Uns liegen auch schon einige interessante Anfragen von Partnern aus dem Ausland vor.
Wir wollen jetzt aber zunächst in Deutschland die Basis schaffen und die notwendige Infrastruktur aufbauen, bevor wir in andere Länder expandieren. Dort müssen wir zunächst die Voraussetzungen prüfen. Denn die Rahmenbedingungen sind überall verschieden. Gerade in Europa gibt es noch einige Ländern, in denen der E-Commerce-Markt sehr groß und für uns sehr attraktiv ist. Aber auch in den USA boomt der Online-Handel.
Welche Wünsche haben Sie an die Politik?
Generell muss das Mehrweg-Thema mehr in den Vordergrund rücken. Gerade im Hinblick auf die Kunststoffverpackung muss deutlich mehr Aufklärungsarbeit geleistet werden. Denn oftmals herrscht noch der Irrglaube, dass eine Kunststofftasche nicht nachhaltiger sein kann als ein Karton.
Die Novellierung der Verpackungsverordnung im vergangenen Jahr spielt uns natürlich in die Karten. Denn dadurch sind Unternehmen zur Umsetzung verpflichtet. Das ist für uns die Basis, um erfolgreich eine nachhaltige Entwicklung zu schaffen. Leider wurden die zunächst geforderten Quoten jetzt wieder nach unten korrigiert. Hier wünschen wir uns, dass die Verpackungsverordnung noch einmal angepasst wird und die Quoten wieder nach oben gesetzt werden.
Ein weiterer Aspekt ist der hohe Leeranteil in Paketen, der ist viel zu hoch. Hierfür bieten wir bereits mit unseren Lösungen ein geeignetes Vehikel.
Generell können weder Unternehmen alleine, noch die Politik alleine für die notwendigen Veränderungen sorgen. Es bedarf einer engen Zusammenarbeit, um die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Die Politik muss die Rahmenbedingungen schaffen, damit letztendlich alle mitziehen. Das ist entscheidend in den nächsten Jahren.
Welches Ziel wollen Sie in den nächsten Jahren erreichen?
Unser Ziel ist es, den Online-Handel grüner zu gestalten. In Deutschland werden jährlich rund 4,5 Milliarden Pakete verschickt. Das Aufkommen an gesamten Verpackungsmüll liegt bei etwa 6,5 Millionen Tonnen. Mit unserer Mehrweglösung können wir hier einen erheblichen Impact haben. Wir wollen als Firma den Markt für Mehrwegversandverpackungen aktiv mitgestalten. Daher arbeiten wir aktiv mit, beispielsweise in Verbänden. Uns ist sehr daran gelegen aufzuzeigen, dass Unternehmen bereits Lösungen bereitstellen. Das wollen wir in den nächsten Jahren noch aktiver vorantreiben, damit die Quoten frühzeitig umgesetzt werden.
Vielen Dank für das Gespräch Herr Putz und viel weiterhin viel Erfolg.
Über unseren Interviewpartner
Christian Putz ist neben Katharina Kreutzer und Marc Engelmann einer der Gründer von Boomerang. Nachdem Putz zunächst in München Business Administration mit Fokus auf Bank- Finanz- und Risikomanagement studierte, machte er in Schweden seinen Master in Strategic Entrepreneurship. Schon während seines Studiums in Schweden gründete Putz sein erstes Start-up und war anschließend Projekt Manager in Tech Scale-Up. Als er Marc Engelmann kennenlernte und von dessen Vision erfuhr, eine Lösung für die riesigen Verpackungsberge im Online-Handel zu finden, war er sofort begeistert. Er kündigte seinen Job und zog für Boomerang nach Hamburg.
Über Boomerang
Boomerang ist ein Start-up mit Sitz in Hamburg, das im Mai 2022 von Marc Engelmann, Katharina Kreutzer und Christian Putz gegründet wurde. Ziel des Unternehmens ist es, mit wiederverwendbaren und recyclingfähigen Mehrwegversandtaschen und Boxen in Kombination mit einem digitalen Pfand- und Rückführungssystem (Mehrweg as a Service) den B2C-Online-Handel umzukrempeln und große Mengen an Verpackungsabfall einzusparen. Die Verwendung von Boomerang Packs und Boxen trägt aktiv zur Förderung der Kreislaufwirtschaft bei, sodass der CO2-Ausstoß des Online-Handels reduziert wird. Zusätzlich wird der Einsatz wertvoller Ressourcen minimiert.