Materialneutralität – also die Gleichbehandlung aller Materialien ohne Schlupflöcher oder Sonderlösungen – kommt in öffentlichen Diskussionen über nachhaltige Verpackungen oft zu kurz. Anders sieht es in der Wissenschaft aus, wie eine aktuelle Studie der Publikationsreihe „Environmental Science & Technology“ zeigt. Die Autoren gelangen zu dem Schluss: Kunststoff weist oft eine bessere CO2-Bilanz auf als andere Materialien – ist also ökologisch vorteilhaft. Das gilt auch für Kunststoffverpackungen. Die Ergebnisse sind einmal mehr ein Beleg dafür, dass die Diskriminierung von Kunststoffen – etwa in der EU-Verpackungsverordnung (PPWR) – Lösungen fördert, die dem Klima und dem Planeten mehr schaden, als diese zu schützen.
Kunststoff resultiert in geringeren CO2-Werten als Alternativen
Kunststoffe schaden der Umwelt – so oder so ähnlich lautet häufig das öffentliche Urteil über das tatsächlich so wertvolle Material. Damit einher geht in der Regel auch der Aufruf, stattdessen andere Materialien zu nutzen. Dabei werden jedoch häufig die Umweltauswirkungen dieser Alternativen übersehen, eine ungerechtfertigte Diskriminierung des Materials Kunststoff.
Genau an dieser Stelle hakten Fanran Meng, Miguel Brandão und Jonathan M. Cullen mit ihrer Studie ein. Sie haben die Auswirkungen der Treibhausgasemissionen von Kunststoffprodukten im Vergleich zu deren Alternativen untersucht. Das Ergebnis zeichnet ein durchaus anderes Bild von Kunststoff, als es der übliche Tenor bisweilen vermittelt. Denn die Erhebung der Wissenschaftler aus Sheffield, Stockholm und Cambridge gelangt zu dem Ergebnis: Insgesamt verursacht ein Kunststoffprodukt in 15 der 16 in den USA untersuchten Szenarien weniger CO2-Emissionen als die Alternativen. Bei diesen Anwendungen setzen Kunststoffprodukte über die gesamte Produktlebenszeit hinweg zehn bis 90 Prozent weniger Emissionen frei. In die Rechnung fallen auch indirekte Auswirkungen wie Kraftstoffeinsparungen bei leichteren Autos, ein geringerer Energieverbrauch in mit Polyurethan isolierten Gebäuden und ein geringerer Verderb von Lebensmitteln in Kunststoffverpackungen.
Untersucht wurden konkrete Anwendungen in den fünf Schlüsselkategorien Verpackung, Bauwesen, Automobil, Textilien und langlebige Konsumgüter. In diesen Sektoren entsteht 90 Prozent des gesamten Kunststoffvolumens weltweit. Die Kunststoffprodukte wurden dabei in zwei Fällen mit Mischmaterialien aus Kunststoff und Papier und in 14 Fällen mit komplett alternativen Materialien wie Metall oder Glas verglichen.
Kunststoff bei Fleisch und Einkaufstaschen die bessere Wahl
Der Studie zufolge setzen Einkaufstaschen aus Kunststoff etwa 80 Prozent weniger CO2 frei als Papiertüten. Hybrid-Kraftstofftanks aus Kunststoff liegen bei 90 Prozent weniger Treibhausgasemissionen als solche aus Stahl. Ein weiteres Beispiel sind Papiertüten, für deren Herstellung mehr Ressourcen erforderlich sind und mehr Emissionen beim Transport anfallen. Deshalb sind die Produktionsemissionen von Papiertüten auch dreimal so hoch wie die von HDPE-Tüten. Diese steigen weiter auf das Fünffache, wenn man die Entsorgung und die Auswirkungen bei der Verwendung, etwa doppeltes Einpacken, berücksichtigt.
Ein weiteres Beispiel ist die Verpackung von Frischfleisch: Grundsätzlich haben beim Beispiel Schweinefleisch in der Studie EPS -Schaumstoffschalen mit PVC-Folie höhere Emissionswerte in der Produktion als Fleischerpapier. Allerdings verdirbt weniger Fleisch, wenn es in Kunststoff verpackt wird – und weniger Fleischabfälle machen den CO2-Unterschied in der Produktion mehr als wett. Im Endeffekt punktet die Kunststofflösung mit einer um satte 35 Prozent geringeren Gesamtklimabelastung als Papier.
Genauer hinsehen lohnt sich
Allgemein gibt es bei Lebensmitteln nur wenige Alternativen zu Kunststoffverpackungen: Laut der Studie verderben Lebensmittel in ihnen weniger schnell als in Alternativverpackungen – was sich wiederum positiv auf ihre Klimabilanz auswirkt. Denn jedes verdorbene und weggeworfene Lebensmittel bedeutet eine ökologische Belastung, da es neu produziert, verpackt und transportiert werden muss. Es lohnt sich also, genau hinzusehen, was heute vielfach noch nicht geschieht.
Kunststoff hat in der öffentlichen Wahrnehmung eindeutig ein Imageproblem. Zu Unrecht, wie die Ergebnisse der Studie zeigen. Denn geht es um den Schutz des Klimas, ist die Alternative oft keine Alternative, sondern ein zusätzliches Problem. Der Studie zufolge wären die effizientere Nutzung von Kunststoffen, Verlängerung ihrer Lebensdauer, die Steigerung der Recyclingraten und eine Verbesserung der Abfallsammlung wirksamer für den Klimaschutz als manche Alternativverpackungen.