Kunststoff ist für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft ein entscheidender Baustein. Doch wie sieht es eigentlich mit Biokunststoffen aus? Sind sie tatsächlich so nachhaltig, wie sie klingen? Wie genau lassen sie sich überhaupt definieren? Welche Marktanteile belegen sie – und welche Rolle spielen sie für die Kreislaufwirtschaft?
Die Europäische Union strebt mit ihrem „Green Deal“ an, Europa bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu gestalten. Um dieses Ziel zu erreichen, steht die Kunststoffproduktion vor einem tiefgreifenden Wandel. Fossile Rohstoffe wie Erdöl müssen schrittweise durch erneuerbare Alternativen ersetzt werden. Neben recycelten Kunststoffen gewinnen dabei auch Biokunststoffe an Bedeutung.
Biokunststoff – Verpackungsmaterial mit vielen Facetten
„Bio“ klingt doch erst einmal gut. Aber Biokunststoff ist nicht gleich Biokunststoff: Der Begriff umfasst Materialien, die entweder aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden, also biobasiert sind, und/oder biologisch abbaubar sind. Sie lassen sich in drei Hauptkategorien einteilen:
- Teilweise oder vollständig biobasierte, nicht biologisch abbaubare Kunststoffe
- Teilweise oder vollständig biobasierte, biologisch abbaubare Kunststoffe
- Fossilbasierte, biologisch abbaubare Kunststoffe
Biobasierter vs. biologisch abbaubarer Kunststoff
Biobasierte Kunststoffe werden in der Regel aus Pflanzen wie Mais, Zuckerrohr oder Miscanthus, aber auch aus Ölsaaten oder Holz hergestellt. Die zur Herstellung entscheidenden Stoffe sind thermoplastische Stärke, Cellulose, abbaubare Polyester sowie Polylactid (PLA), das überwiegend aus Pflanzenstärke gewonnen wird. Dieses Polymer ist einer der am meisten eingesetzten Biokunststoffe, relativ preiswert und unter bestimmten Bedingungen biologisch abbaubar. Andere biobasierte Kunststoffe sind beispielsweise Kautschuk oder Zelluloseacetat, diese sind aber nicht grundsätzlich biologisch abbaubar.
Biologisch abbaubare Kunststoffe hingegen lassen sich immer von Mikroorganismen zersetzen. Sie hinterlassen beim Abbau hauptsächlich Kohlenstoffdioxid (CO2) und Wasser. Zugleich gilt: Einige biologisch abbaubare Kunststoffe werden auch auf Basis von Erdöl, also fossilbasiert, produziert.
Darüber hinaus unterscheidet der Markt noch sogenannte „New Economy“- und „Old Economy“-Biokunststoffe. Letztere umfassen Kautschuk sowie Zelluloseacetat, aber auch Zellophan, Viskose, Zelluloid, oder Linoleum. Sie wurden vor dem Aufkommen der petrochemischen Biokunststoffe entwickelt und sind heute noch auf dem Markt. In die Gruppe „New Economy“ fallen Stoffe wie PLA, die in den letzten 30 Jahren entwickelt wurden.
Marktanteile von Biokunststoffen
Die weltweite Produktionskapazität für „New Economy“-Biokunststoffe lag 2023 laut IfBB – Institute for Bioplastics and Biocomposites, Hochschule Hannover bei ca. 2,02 Mio. Tonnen. 52 Prozent davon waren biobasiert, aber nicht biologisch abbaubar. 48 Prozent waren biologisch abbaubar. Mit 50,9 Prozent entfällt der größte Anteil der Produktionskapazitäten auf Asien, auf Nordamerika ungefähr 20,1 Prozent und auf Europa 16,9 Prozent. Ungeachtet der Wachstumsraten liegt der Marktanteil von biobasierten und biologisch abbaubaren Kunststoffen bei weniger als einem Prozent des weltweiten Kunststoffmarktes, die Prognose für die nahe Zukunft (2028) liegt bei maximal zwei bis drei Prozent.
Biokunststoff-Produktionskapazitäten nach Regionen 2023
Quelle: Biopolymers Facts and Statistics 2023, IfBB – Institute for Bioplastics and Biocomposites, Hochschule Hannover, 2023.
Verpackung für Lebensmittel, Getränke und Bioabfall
Im Verpackungsbereich bieten biologisch abbaubare Kunststoffe dort einen ökologischen und wirtschaftlichen Vorteil, wo sie zur sauberen und getrennten Sammlung von Bioabfällen beitragen. Zudem helfen sie dabei, eine Verunreinigung der Bioabfälle durch nicht abbaubare Kunststoffe zu verhindern – wie etwa bei Obststickern, die mit der Schale im Bioabfall landen.
Laut der Studie „Biobasierte Verpackungen“ des Markforschungsunternehmens Ceresana war der Lebensmittel- und Getränkesektor im Jahr 2022 mit einem Anteil von knapp 61 Prozent der wichtigste Markt für Biokunststoffverpackungen weltweit. Biokunststoffe kommen für die Herstellung von Brottüten und Salatfrischhaltefolien zum Einsatz, aber zunehmend auch für die Verpackung von Molkereiprodukten, Tiefkühlkost, Fertiggerichten, Aufstrichen und Saucen sowie Getränkebehälter und -flaschen.
Mit einem globalen Marktanteil von 28 Prozent ist PLA gegenwärtig der meistgenutzte Biokunststoff für Verpackungsanwendungen. Danach folgen biobasierte, jedoch nicht biologisch abbaubare Kunststoffe wie Polyethylen und PET aus Zuckerrohr-Ethanol.
Recycling nicht immer möglich
Was das Recycling biobasierter Kunststoffe angeht, ist eine klare Einordnung schwierig. Manche biobasierten Kunststoffe, sogenannte Drop-In-Kunststoffe, sind chemisch mit ihren fossilen Pendants identisch und können daher ohne Einschränkungen für die gleichen Anwendungen genutzt werden. Sie können deshalb nahtlos in bestehende Sortier- und Recyclingprozesse integriert werden. Das gilt beispielsweise für PET-Flaschen mit biobasierten Anteilen, die sich gemeinsam mit herkömmlichen PET-Flaschen recyceln lassen.
Biobasierte Kunststoffe mit einer anderen chemischen Struktur als ihre fossilen Pendants werden in der Regel nicht sortiert, da sie als eigene Fraktion sortiert und recycelt werden müssten. Da die Verpackungsmengen für einen eigenen Recyclingstrom nicht ausreichen, steht hier am Ende meist (noch) die thermische Verwertung.
Biokunststoffe: Recycling, Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft
Doch wie nachhaltig sind biobasierte und biologisch abbaubare Kunststoffe? Der Einsatz von Biokunststoffen sollte vor allem dort erfolgen, wo ihr Mehrwert durch Ökobilanzen bestätigt ist. Dafür ist es notwendig, in der Ökobilanzierung die Art der Rohstoffquelle und die damit zusammenhängende Reduktion der Treibhausgasemissionen zu berücksichtigen.
Biobasierte Rohstoffe zählen wesentlich zur Defossilisierungsstrategie des Kunststoffsektors. Sie müssen allerdings aus nachhaltigen Quellen stammen, und perspektivisch zunehmend aus biogenen Rest- und Abfallstoffen hergestellt werden, die leider nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen.
Bereicherung des Materialspektrums
Biokunststoffe sollten vor allem dort eingesetzt werden , wo Ökobilanzen deren klaren Nutzen nachweisen. Darüber hinaus sind biobasierte Rohstoffe zentral in der Strategie zur Abkehr von fossilen Rohstoffen im Kunststoffsektor. Sie bieten außerdem die Chance, Kreisläufe zu schließen, etwa durch die Kompostierbarkeit bestimmter Verpackungen, die zusammen mit dem Produkt im Bioabfall entsorgt werden können. Zudem lässt sich mit ihnen die Bioabfallsammlung verbessern, etwa durch zertifizierte, kompostierbare Beutel als Sammelhilfe in Haushalten.
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