
Containerschiff auf offenem Meer
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Der globale Handel durchläuft eine fundamentale Transformation, die weit über normale konjunkturelle Schwankungen hinausgeht. Protektionistische Strömungen und geopolitische Spannungen prägen zunehmend die internationalen Wirtschaftsbeziehungen. Im Zentrum dieser Entwicklung steht die jüngste US-amerikanische Zollpolitik, deren wirtschaftliche Folgen das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) für die EU auf 750 Mrd. Euro und für Deutschland auf etwa 200 Mrd. Euro während der kommenden Amtszeit Trumps beziffert. [1] Wie wirkt sich diese Dynamik auf die Kunststoffverpackungs- und folienindustrie aus? Eine differenzierte Betrachtung der globalen und regionalen Entwicklungen gibt Aufschluss.
Divergierende Wachstumspfade in der Weltwirtschaft
Die Weltwirtschaft entwickelt sich zunehmend zweigeteilt: Während Schwellenländer 2024 ihre Exporte um beeindruckende 6,1% steigern konnten, erreichten die entwickelten Volkswirtschaften lediglich ein marginales Wachstum von 0,4%. China etabliert sich mit einem Exportzuwachs von 11,3% als dominante Handelsmacht, während der Euroraum mit einem Exportrückgang von 2,4% kämpft.
Deutschland verzeichnete 2024 einen Exportrückgang von 1,2% – ein Wert, der die strukturellen Herausforderungen des Standorts offenbart. Bemerkenswert ist die regionale Verschiebung der Handelsströme: Die deutschen Exporte in Märkte wie Großbritannien (+2,4%) und die USA (+2,2%) legten zu, während das europäische und chinesische Geschäft (-1,9% bzw. -7,6%) deutlich schwächelte. Die differenzierte Betrachtung nach Industriesektoren zeigt zudem, dass traditionelle Stärken wie der Automobilexport in die USA mit +12% weiterhin beachtliche Erfolge verzeichnen[2].
Industrieproduktion unter Druck
Die Industrieproduktion reflektiert die wachsende Kluft zwischen Weltregionen noch deutlicher. Mit einem durchschnittlichen Rückgang von 0,6% in den entwickelten Volkswirtschaften und einem Wachstum von 3,9% in den Schwellenländern manifestiert sich ein umfassender Strukturwandel. Deutschland ist mit einem Produktionsrückgang von 4,6% besonders betroffen – ein alarmierendes Signal für den Industriestandort.
In der europäischen Branchenlandschaft zeigen sich deutliche Verwerfungen: Der Fahrzeugbau (-8,2%), der Maschinenbau und die Elektroindustrie (jeweils -7%) erleben massive Produktionsrückgänge. Im Kontrast dazu entwickeln sich die Pharmaindustrie (+4,3%), die Papierindustrie (+3%) und die Ernährungsindustrie (+1,5%) als Wachstumspole – ein Hinweis auf die zunehmende Bedeutung stabiler Konsumgütersektoren und lebenswichtiger Industrien[3].
[1] Matthes, Jürgen; Sultan, Samina und Galina Kolev-Schaefer (2025): Handelsstreit: Neue Trump-Zölle kosten Deutschland 200 Milliarden Euro. IW Nachricht.
[2] BDI (2025): Industriebericht. Industrieproduktion und Handel nach Branchen. Industriepolitik Dossier.
[3] Ebd.
Entwicklung der Kunststoffverpackungs- und folienindustrie
Die Entwicklung der Kunststoffverpackungs- und folienindustrie spiegelt die globalen Konjunkturzyklen in außergewöhnlicher Deutlichkeit wider. Die Grafik zur Import- und Exportentwicklung offenbart nicht nur konjunkturelle Schwankungen, sondern auch strukturelle Transformationsprozesse.

Diagramm Import Und Exportentwicklung Im Zeitverlauf 2016-2024
Das Boomjahr 2017 mit Exportzuwächsen von bis zu 40% bei Packmitteln korrespondiert mit der damaligen globalen Hochkonjunktur, getragen von Wachstum in allen Weltregionen. Die anschließende Stabilisierungsphase (2018) zeigte bereits erste Risse im globalen Wachstumsmodell – sichtbar an den negativen Importwerten für Polymere 2019.
Die Pandemie (2020) offenbart sich in den Daten als signifikanter Einschnitt, gefolgt von einer „Nachholkonjunktur“ im Jahr 2021 mit Wachstumsraten von 13% bis 22% in den Bereichen Polymeren und Packmitteln. Diese Erholungsphase verlor jedoch bereits 2022 an Dynamik – eine direkte Folge des Ukraine-Konflikts und der europäischen Energiekrise.
Der dramatische Einbruch 2023 mit Werten von bis zu -20% bei den Polymerimporten und einem Produktionsrückgang in der gesamten Branche um 10%[1] markiert einen Wendepunkt. Die Stagnation im Jahr 2024 unterstreicht, dass es sich nicht um eine temporäre Schwächephase handelt, sondern um tiefgreifende strukturelle Herausforderungen – von Energiekosten bis zu regulatorischen Unsicherheiten.
[1] GVM 2023: Branchenstatistik.
Debatte um US-Zollpolitik als neuer Belastungsfaktor
Die Debatte um die US-Zollpolitik trifft die Kunststoffverpackungs- und folienindustrie in einer Phase multipler Herausforderungen. Die aktuell ausgesetzten Strafzölle der USA auf Importe aus der EU sorgen in der deutschen Branche, deren Exportquote in die USA bei 6%[1] liegt, für Unruhe. Eine Umfrage des European Plastics Converters (EuPC) liefert Einblicke in die Erwartungen der Branche.[2]
Aufgrund der Erhöhung des US-amerikanischen Zollsatzes auf 20%[3] – die aktuell bis Mitte Juli ausgesetzt sind – erwarten 63% der teilnehmenden Unternehmen negative Auswirkungen auf ihren Absatz. Die Prognosen zum Exportrückgang variieren dabei: 15% befürchten einen Rückgang von mehr als 10%, jeweils 16% rechnen mit Einbußen unter 2% bzw. zwischen 5-10%, während 14% einen Rückgang zwischen 2-5% erwarten. Besonders betroffen scheinen Zulieferer für die Lebensmittel-, Automobil- und Bauindustrie zu sein.
[1] Eurostat, Tabelle: ds-045409 für HS-Code 39 Kunststoffe und Waren daraus.
[2] Umfragezeitraum 04.04 bis 10.04.2025. Die Beteiligung an der EuPC-Umfrage fiel mit europaweit 140 Teilnehmenden relativ gering aus. Die Ergebnisse der Umfrage können daher nicht als repräsentativ für die gesamte Branche angesehen werden. Sie geben jedoch einen Einblick in die Stimmung der Branche.
[3] Ausnahmen gelten für bestimmte Produktgruppen, wie beispielsweise Fahrzeuge, auf die zusätzliche, separate Zölle erhoben wurden. Andere Produktgruppen – darunter etwa Waren der Zollcodegruppe 3901 (Polyethylen in Primärformen) – sind von den Importzöllen ausgenommen. Eine vollständige Übersicht der Ausnahmen ist im Anhang II der Executive Order einsehbar: Regulating Imports with a Reciprocal Tariff to Rectify Trade Practices that Contribute to Large and Persistent Annual United States Goods Trade Deficits – The White House und https://www.whitehouse.gov/wp-content/uploads/2025/04/Annex-II.pdf.

Erwartete Auswirkungen Von US Exportzöllen Auf Europäische Exporte
Hinsichtlich möglicher EU-Gegenzölle auf US-amerikanisches Polyethylen zeigt die Umfrage eine differenzierte Betroffenheit: 55% der Unternehmen importieren kein US-Polyethylen, 21% decken lediglich 1-10% ihres PE-Bedarfs durch US-Importe. Die Minderheit der Branche zeigt eine mittlere (8%), große (7%) oder sehr große (7%) Abhängigkeiten von US-Polyethylen.
Obwohl die vorliegenden Daten aufgrund der begrenzten Stichprobe nicht repräsentativ sind, deuten sie auf mögliche Risiken für die internationale Wettbewerbsfähigkeit europäischer Kunststoffverarbeiter hin. Daher fordert die Branche Dialog, Deeskalation und Planbarkeit. Die erhobenen Daten unterstreichen die Notwendigkeit eines dringenden Engagements auf EU-Ebene. Eine ausgewogene Reaktion ist erforderlich – eine, die die realen kommerziellen Risiken adressiert, eine Fragmentierung der Lieferketten vermeidet und die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Kunststoffverarbeiter, insbesondere KMU, schützt.
Es ist davon auszugehen, dass auch der Handelskonflikt zwischen den USA und China die Einschätzungen der Umfrageteilnehmenden negativ beeinflusst hat. Zwar lassen sich die konkreten Auswirkungen auf andere Weltregionen angesichts der komplexen globalen Lieferketten nur schwer abschätzen; zu beobachten ist allerdings, dass der Warenverkehr zwischen den beiden Ländern derzeit gestört ist. Daher erscheint es plausibel, dass chinesische Unternehmen infolge der weiterhin bestehenden US-Importzölle verstärkt nach alternativen Absatzmärkten suchen[1]. Ob dies zu einem verstärkten Angebot chinesischer Produkte zu besonders niedrigen Preisen – etwa auf dem europäischen Kunststoffmarkt – führen wird, bleibt abzuwarten. Unter den aktuellen Rahmenbedingungen ist jedoch absehbar, dass der Preis- und Margendruck für europäische Hersteller und Verarbeiter zunehmen dürfte.

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Um die möglichen Auswirkungen der aktuellen Handelskonflikte auf den europäischen Kunststoffmarkt besser einzuordnen, lohnt sich ein Blick auf die globale Handelsbilanz nach Ländern für den Sektor Plastics and Rubbers (Zollcode 39)[2]. Im Jahr 2023 zählten China und Deutschland weltweit zu den Ländern mit den größten Handelsüberschüssen bei Kunststoffen und Kautschuk: China erreichte mit rund 79 Mrd. US-Dollar einen Spitzenwert, Deutschland folgte mit einem Überschuss von 30,6 Mrd. US-Dollar. Die USA hingegen wiesen im gleichen Zeitraum ein Handelsdefizit von 10,6 Mrd. US-Dollar auf, das heißt, die USA importieren wesentlich mehr dieser Produkte, als sie exportieren.
[1] https://oec.world/en/profile/hs/plastics-and-rubbers?multihierarchySelector1068-value=aschn&multihierarchySelector1068-type=Exporter+Country&selector1942id=usdOption
[2] USA und China haben am 12. Mai 2025 eine vorübergehende Einigung im Handelsstreit erzielt. Für 90 Tage werden die gegenseitigen Zölle deutlich gesenkt: Die USA reduzieren ihre Zölle auf chinesische Importe von 145% auf 30%, während China seine Zölle auf US-Waren von 125% auf 10% senkt. Diese “Waffenruhe” gilt ab dem 14. Mai 2025 und soll Raum für weitere Verhandlungen schaffen.

OEC World Global Trade Balance Of Plastics And Rubbers 2023
Quelle: Observatory of Economic Complexity (OEC)
Die Fokussierung auf einzelne Kunststoffproduktgruppen im globalen Warenverkehr zeigt, dass etwa für die Produktgruppe Kunststoffplatten, -folien und -bänder (Zollcode 3920) sowie für Kunststoffverpackungen (Zollcode 3923) in den USA ein deutliches Handelsbilanzdefizit existiert. Das macht diese Segmente besonders anfällig für die Folgen der jüngsten US-Importzölle auf chinesische Waren und erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass chinesische Hersteller nach alternativen Absatzmärkten suchen.
Zollcode 3920 umfasst Tafeln, Platten, Folien, Filme, Bänder und Streifen aus nicht geschäumten Kunststoffen. In diesem Produktsegment importierte die USA aus China im Jahr 2024 Waren im Wert von ca. 414 Mio. USD.[1] 2023 importierte die EU aus China Waren dieses Segments im Wert von ca. 678 Mio. Euro. 2024 stiegen die Exporte Chinas in die EU-27 bereits auf ca. 748 Mio. Euro, wovon Waren im Wert von ca. 108 Mio. Euro nach Deutschland exportiert wurden.[2]
Zollcode 3923 umfasst Transport- und Verpackungsmittel aus Kunststoffen wie Säcke, Beutel, Kisten und Verschlüsse. 2024 exportierte China Waren dieser Kategorie im Wert von 3,2 Mrd. USD in die USA.[3] Die chinesischen Importe der EU-27 lagen 2023 bei ca.1,6 Mrd. Euro und stiegen 2024 auf ca. 1,8 Mrd. Euro (davon nach Deutschland: 231 Mio. Euro).[4]
Sollte der US-Markt für chinesische Anbieter weiter an Bedeutung verlieren, könnten deutlich größere Mengen beispielsweise dieser Produkte nach Europa umgelenkt werden – mit potenziellen Auswirkungen auf Preise und Wettbewerb.
Strategische Implikationen und Handlungsoptionen
Die protektionistischen Tendenzen in den USA, wenngleich grundsätzlich problematisch, könnten als Impulsgeber für die angeschlagene europäische Industrielandschaft dienen – sofern Europa die richtigen Weichen für eine wirtschaftliche Erneuerung stellt. Gerade die eher konjunkturresistenten Sektoren wie Pharma und Ernährung bieten strategische Ankerpunkte für die Kunststoffverpackungs- und folienindustrie.
Die aktuelle Situation erfordert einen mehrgleisigen Ansatz:
- Verstärkte europäische Integration: Die Stärkung des EU-Binnenmarktes als stabiler Absatzmarkt wird zunehmend zur strategischen Notwendigkeit. Eine Strategiepapier dazu will die EU-Kommission am 21. Mai 2025 vorstellen.
- Diversifizierung der Exportmärkte: Die Erschließung alternativer Wachstumsregionen jenseits der traditionellen Industrienationen kann Abhängigkeiten reduzieren.
- Branchenübergreifende Kooperationen: Die Zusammenarbeit mit Abnehmerbranchen bei der Entwicklung resilienterer Lieferketten wird zum kritischen Erfolgsfaktor.

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Die Kunststoffverpackungs- und folienindustrie steht damit an einem entscheidenden Wendepunkt: Gelingt es, die handelspolitischen Herausforderungen als Katalysator für notwendige Transformationsprozesse zu nutzen, kann die Branche gestärkt aus der gegenwärtigen Phase hervorgehen – und ist künftig weniger anfällig für protektionistische Maßnahmen.
Eine europäische Agenda für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit, wie sie auch vom Gesamtverband Kunststoffverarbeitende Industrie (GKV) und dem europäischen Industrieverband für Kunststoffverarbeiter (EuPC) gefordert wird, könnte in diesem Kontext entscheidende Impulse setzen. Konkret wären folgende Maßnahmen notwendig: Eine Reduzierung bürokratischer Hürden, die konsequente Förderung von Innovationen im Bereich der Kreislaufwirtschaft, technologieoffene Regulierungen ohne Diskriminierung bestimmter Werkstoffe sowie eine aktive Handelspolitik, die europäischen Unternehmen den Zugang zu internationalen Märkten erleichtert.
Die Transformationsbereitschaft der Branche – erkennbar am gestiegenen Rezyklateinsatz und den verbesserten Recyclingquoten – sollte honoriert werden. Eine politische Flankierung könnte der Kunststoffverpackungsindustrie helfen, nicht nur die aktuellen Krisen zu überwinden, sondern gestärkt aus ihnen hervorzugehen und ihre Position als Innovationstreiber für nachhaltige Verpackungslösungen in Europa weiter auszubauen.
[1] https://www.trademap.org
[2] Eurostat, Tabelle: ds-045409
[3] https://www.trademap.org
[4] Eurostat, Tabelle: ds-045409
Hinweis: Die EU hat eine Liste potenzieller US-Importprodukte für mögliche Vergeltungszölle veröffentlicht. Betroffene Unternehmen können bis zum 10. Juni 2025 im Rahmen des öffentlichen Konsultationsverfahrens Stellung nehmen. Für unsere Branche sind besonders die Produktcodes mit Präfix „39″ relevant.
Mehr Informationen zur wirtschaftlichen Lage der Branche in Kennzahlen finden Sie in unserem IK-Dashboard.