
Bild: iStock | Bojan89
Ohne Kunststoffe läuft in der modernen Medizin fast nichts. Sie machen Behandlungen sicherer, effizienter und helfen dabei, die Lebensqualität vieler Menschen spürbar zu verbessern. Ob Spritzen, Blisterverpackungen, Tropfer, Ampullen oder Implantate – überall sorgen Kunststoffe für Hygiene, Schutz und eine einfache Handhabung. Sie sind aus dem medizinischen Alltag nicht mehr wegzudenken. Doch welche konkreten Vorteile bieten Kunststoffe in der Medizin? Welche Hürden gilt es zu meistern und welche gesetzlichen Vorgaben setzen Leitplanken? Und: Welche Rolle spielt hier Recycling?
Schon rein emotional dürfte eher die Spritze aus Kunststoff statt aus Metall für entspannte Gefühle auf dem Zahnarztstuhl sorgen. Bei Kunststoffverpackungen im Medizinbereich geht es aber um viel mehr: Sie bieten ein hohes Maß an Schutz, Hygiene und Sicherheit.
Kunststoff für Gesundheitsschutz und Kosteneffizienz
Einwegprodukte wie Spritzen oder Katheter senken das Infektionsrisiko deutlich, da sie nicht wiederverwendet werden müssen. Auch der zusätzliche Arbeitsschritt der Sterilisation bei jeder neuen Anwendung entfällt, ein Plus im hektischen Krankenhausalltag. Zudem schützen Verpackungen aus Kunststoff empfindliche Arzneimittel zuverlässig vor äußeren Einflüssen wie Keimen, Licht oder Feuchtigkeit – ideal für sensible Wirkstoffe wie Augentropfen oder Injektionslösungen.
Dank ihrer Formbarkeit lassen sich Kunststoffe flexibel einsetzen, beispielsweise als Blisterverpackungen, Dosierhilfen oder Fertigspritzen. Ihre Stabilität und Bruchsicherheit gewährleisten einen sicheren Transport, insbesondere in Kliniken und bei Notfalleinsätzen. Gleichzeitig überzeugen sie durch Hautverträglichkeit, geringe Reaktivität und Geruchsneutralität. Und nicht zuletzt sind sie kosteneffizient und einfach in der Handhabung, ein klarer Vorteil für die breite Anwendung in der medizinischen Versorgung.
Arten von Kunststoffverpackungen in der Medizin
Grundlegend lassen sich drei Arten von Primärverpackungen aus Kunststoff für pharmazeutische Zwecke unterscheiden:
- Verschlüsse: Etwa Schraub- und Druckverschlüsse, kindersichere Varianten oder auch Schrumpffolien
- Behälter: Ampullen, Flaschen, Blister, Spender oder Tablettendosen und IV Bags
- Medizinprodukte: Spritzen, Messbecher, Tropfer, Dosierzubehör und mehr
Hinzu kommen sogenannte Sekundär- und Transportverpackungen wie Etiketten, Trays, Halterungen oder Folien, die keinen direkten Kontakt mit dem Arzneimittel haben.
Gängige Kunststoffmaterialien und ihre Eigenschaften
PE, PVC, PS und PP machen mit einem Anteil von 80 bis 90 Prozent den Großteil der Kunststoffe in der Medizintechnik aus. Sie bilden die Basis der in der Branche eingesetzten Polymermaterialien.
Anforderungen an Kunststoffverpackungen in der Medizin
Kaum ein anderer Bereich erfordert derart strenge Sicherheitsmaßnahmen wie die Medizin. Das gilt auch für die Kunststoffverpackungen in dem Bereich. Diese unterliegen strikten gesetzlichen Vorgaben: Sie müssen den Inhalt zuverlässig einschließen und vor äußeren Einflüssen wie Feuchtigkeit, Licht oder Luft schützen. Gleichzeitig dürfen sie das enthaltene Arzneimittel weder chemisch verändern noch verunreinigen. Darüber hinaus müssen sie so gestaltet sein, dass Manipulationen ausgeschlossen oder zumindest sofort erkennbar sind.
Spezielle Produktionsbedingungen
Die Qualität pharmazeutischer Kunststoffverpackungen hängt vor allem von zwei Aspekten ab: der Reinheit der Rohmaterialien und der Präzision im Herstellungsprozess. Kunststoffe, die für Medikamentenverpackungen zum Einsatz kommen, unterliegen auch in der Produktion weltweit strengen gesetzlichen Vorgaben. Da sie selbst für Schutz und Sicherheit sorgen, muss auch die Produktion von Kunststoffverpackungen in der Medizin höchsten Sicherheitsstandards genügen.
Kunststoff im Reinraum

Bild: iStock | MarcoMarchi
Bevor sie verarbeitet werden dürfen, müssen sie umfassende Prüfverfahren durchlaufen und höchste Anforderungen erfüllen. Schon beim Kunststoffgranulat kommen kontinuierliche Kontrollen zum Einsatz, um beispielsweise die mechanische, chemische und funktionale Dichtigkeit der Produkte zu prüfen. Ein Teil der Produktion erfolgt unter besonders strengen Bedingungen, in sogenannten Reinräumen. Dort werden zentrale Parameter wie Luftfeuchtigkeit, Temperatur und Druck permanent überwacht, um Partikelbelastungen so gering wie möglich zu halten. Entscheidend ist dabei das Luftaufbereitungssystem, das auch für sterile, aseptische Bedingungen sorgen kann. Genau geregelte Zutritts- und Bekleidungsvorschriften schaffen zusätzliche Sicherheit.
Die durchgängige Dokumentation und Rückverfolgbarkeit stellen bei Medizinprodukten zudem sicher, dass jede Produktionscharge lückenlos nachvollziehbar ist, vom eingesetzten Material bis zur finalen Verpackung. Ziel ist es, ein Höchstmaß an Transparenz und Produktsicherheit zu gewährleisten.
Wer reguliert Kunststoffverpackungen in der Gesundheitsversorgung?
Verschiedene nationale und internationale Behörden regulieren weltweit Arzneimittel und deren Verpackungen. Eine einheitliche zentrale Institution gibt es nicht. Stattdessen überwachen mehrere Organisationen gemeinsam die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben und veröffentlichen Leitlinien, die die Anforderungen an eine konforme Herstellung und Verpackung definieren. In der Europäischen Union etwa übernimmt diese Aufgabe die EMA (European Medicines Agency), in den USA ist die FDA (Food and Drug Administration) zuständig, ebenso wie die USP, die United States Pharmacopeia und weltweit die WHO (World Health Organization). Weitere Organisationen sind die International Organization for Standardization (ISO) oder der International Council for Harmonisation of Technical Requirements for Pharmaceuticals for Human Use (ICH), die Standardisierungen und Prüfverfahren festlegen.
Zentrale Voraussetzung ist die Verwendung zugelassener Materialien, die keine Wirkstoffe freisetzen, mit dem Arzneimittel reagieren sowie auf Umwelteinflüsse wie Licht oder Mikroorganismen reagieren können. Regulatorische Grundlagen dafür liefern unter anderem die USP <661> oder das Europäische Arzneibuch. Ebenso wichtig ist die hygienische Herstellung der Verpackungen. Viele Unternehmen fertigen nach den Vorgaben der Good Manufacturing Practice (GMP), beziehungsweise der ISO 15378, einer international anerkannten Norm speziell für Primärpackmittel.
Das Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG) regelt in Deutschland unter anderem Anforderungen an Sicherheit und Leistungsfähigkeit von Verpackungen für Medizinprodukte, ohne jedoch die verpackungsrechtlichen Regelungen auszuhebeln. Die europäische Verordnung (EU) 2017/745 (MDR) über Medizinprodukte betont die Anforderung, dass Verpackungen den Produktschutz bis zur Anwendung gewährleisten müssen und berücksichtigt hier explizit auch die Materialauswahl für Kunststoffverpackungen.
Verpackungsgesetz und PPWR in der Medizin

Bild: iStock | PIKSEL
Das Verpackungsgesetz (VerpackG) gilt in Deutschland vollumfänglich auch für Medizinprodukte und deren Kunststoffverpackungen. Hersteller sind verpflichtet, sich im Verpackungsregister zu registrieren, ihre Verpackungen zu lizenzieren und sich an einem dualen System zu beteiligen (Systembeteiligungspflicht). Darüber hinaus bestehen Rücknahme- und Entsorgungspflichten.
Auf europäischer Ebene regelt künftig die Packaging and Packaging Waste Regulation (PPWR) der EU das Thema. Sie ist seit 2025 in Kraft, im August 2026 enden auch die Übergangsfristen. Sie gilt dann unmittelbar in allen EU-Mitgliedstaaten. Die Verordnung enthält umfassende Anforderungen an das Design von Verpackungen, deren Recyclingfähigkeit sowie den Einsatz von Rezyklaten. Für Primärverpackungen von Arzneimitteln und Medizinprodukten gelten bis zum 31. Dezember 2034 teilweise befristete Ausnahmeregelungen von den strengsten Vorgaben hinsichtlich Recyclingquoten, Mindestrezyklatanteilen und Recyclingfähigkeit, um die Patientensicherheit und den Produktschutz zu gewährleisten. Entscheidend ist hierbei immer der Einzelfall. Diese Ausnahmen werden jedoch regelmäßig überprüft und könnten künftig entfallen.
Nachhaltigkeit wird immer relevanter
Die Vielseitigkeit, Langlebigkeit und Konformität mit geltenden Sicherheits- und Gesundheitsvorgaben von Kunststoff haben die Entwicklung medizinischer Produkte grundlegend verändert. Kunststoffe haben nicht nur die Sicherheit und Hygiene in der medizinischen Versorgung revolutioniert, sondern auch die Entwicklung innovativer Behandlungsformen ermöglicht. Ohne sie wären viele Verfahren von heute –von der Dialyse bis zur minimalinvasiven Chirurgie – schlicht nicht möglich.
Künftig werden neben der Sicherheit und Qualität noch weitere Aspekte wichtig: Nachhaltigkeit bei Kunststoffverpackungen ist auch in der Medizin eine wichtige Priorität. Statt reiner Einmalnutzung rückt heute die nachhaltige Nutzung von Kunststoffen in den Vordergrund – mit recyclingfähigen Materialien, biobasierten Kunststoffen und innovativen Kreislaufsystemen auch im medizinischen Bereich. Hier kommt es allerdings immer wieder zu Zielkonflikten: Während sich der To-Go-Kaffeebecher leicht durch ein Mehrwegprodukt ersetzen lässt, wird dies bei Ampullen schon schwieriger. Schon heute arbeitet die Branche an neuen, nachhaltigen Verpackungsmaterialien, denn diese werden künftig –auch vor dem regulatorischen Hintergrund – noch wichtiger werden.
Mehr zum Thema Innovation und Nachhaltigkeit bei Kunststoffen gibt es im zweiten Beitrag zum Thema „Kunststoffverpackungen in der Medizin“.