Ein Interview des Newsroom.Kunststoffverpackungen aus der Reihe “Im Dialog” über die Spannungsfelder von Kunststoffen mit Sabine Nadherny-Borutin, Generalsekretärin bei PlasticsEurope Austria.

Sabine Nadherny BorutinDie EU-Kommission gibt den Weg in die europäische Kreislaufwirtschaft vor. Nun sind die Mitgliedsstaaten gefordert, aktiv mitzugestalten. In Österreich wurde vor einiger Zeit vom dortigen Klimaschutzministerium ein „3-Punkte-Plan gegen die Plastikflut“ präsentiert. Darin geht es unter anderem um die Erhöhung von Mehrwegquoten und die Förderung recyclingfähiger Verpackungen.

Der paneuropäische Verband PlasticsEurope ist in Österreich mit einer Nachhaltigkeitsexpertin vertreten, die die Sicht der dortigen Kunststofferzeuger auf das Thema Kreislaufwirtschaft beleuchtet. Interessant ist dabei auch die Frage, wie sich die erste „schwarz-grüne“ Regierungskoalition des Landes zu Nachhaltigkeits- und Kunststoffthemen positioniert – 2021 ist schließlich Bundestagswahljahr in Deutschland mit ähnlichen Koalitionsaussichten.

Seit März 2020 sind Sie an Bord von PlasticsEurope Austria. Welche Ziele haben Sie sich für Ihre Verbandstätigkeit gesetzt?

Mit dem Background eines Studiums der Lebensmittel- und Biotechnologie mit Spezialisierung auf Umwelttechnik und Abfallwirtschaft sowie mehr als 12 Jahren Erfahrung in unterschiedlichsten Positionen des Bereiches Kreislaufwirtschaft sind mir die Fragestellungen rund um Kunststoff schon seit einiger Zeit präsent.

Gerade das Spannungsfeld Kunststoffe in Bezug auf Ressourcenschonung, Klimaschutz und Schadstoff-freier Umwelt ist hier zu nennen: So sollen einerseits Kunststoffprodukte immer mehr Rezyklate enthalten, um nachhaltiger zu sein. Anderseits sind bislang nur wenige Ausnahmen für den Kontakt mit Lebensmitteln zugelassen. Damit fehlt aber ein ganz bedeutendes Anwendungsgebiet, das der Lebensmittelverpackungen. Auch unter dem Blickwinkel auf die Vermeidung von Lebensmittelverlusten wichtig, die ja ebenfalls ein wichtiges Ziel sind.

Um beim Recycling in Österreich besser zu werden, unterstützen wir bei PlasticsEurope Projekte zusammen mit der gesamten Wertschöpfungskette, welche sich um Verbesserungen beim Kunststoff-Recycling und neue Ansätze bei Sammelsystemen und der Abfallwirtschaft bemühen. So existieren in Österreich rund 15 verschiedene Sammelarten, die zu sehr unterschiedlichen Quantitäten und Qualitäten bei den Abfallfraktionen führen. Dadurch bleibt nur eine geringe Menge gut sortierten Kunststoffabfalls für eine potenzielle Kreislaufführung übrig.

Wo setzen Sie hier mit als erstes an, um rasch Fortschritte zu erzielen?

Ein wichtiger Meilenstein, um hier mehr Transparenz zu schaffen, war die kürzlich gestartete Studie zur gesamtheitlichen Stoffstromerhebung aller Kunststoffe in Österreich „Facts Matter“ (vglbar. Conversio-Studie in D) in Zusammenarbeit mit Verbänden der Wirtschaftskammer, einigen Sammelsystemen und österreichischen Entsorgungs- sowie Recyclingunternehmen. Für die Studie sammeln das deutsche Beratungsunternehmen Conversio Market & Strategy zusammen mit dem österreichischen Think Tank denkstatt GmbH und der TU Wien, Institut für Wassergüte, Ressourcenmanagement und Abfallwirtschaft aktuelle Daten aus Österreich zur Stoffstromanalyse, erstmals ergänzt um die Berücksichtigung der unterschiedlichen Verarbeitungsarten einzelner Kunststoffsorten.

Material (c)Borealis And Tomra

Die hochmoderne Anlage kann sowohl starre als auch flexible Kunststoff-Haushaltsabfälle recyceln.
Copyright: Borealis & TOMRA

Als Reaktion auf die geplante „Plastikabgabe“ der EU hat das österreichische Klimaschutzministerium kürzlich einen 3-Punkte-Plan präsentiert, mit dem Kunststoffabfälle reduziert werden sollen. Wie bewerten Sie diesen Plan?

Klar zu sehen ist, dass der ökosoziale Umbau Österreichs seit der Amtsübernahme der schwarz-grünen Regierung im Januar 2020 zu den politischen Prioritäten zählt. Ein Ziel der Grünen ist dabei die Einführung eines Pfands auf Einwegkunststoffflaschen. Das federführende Klimaschutzministerium sieht in dem 3-Punkte-Plan allerdings vor allem ein Vehikel für eine Kunststoffreduktion.

In diesem Zusammenhang muss aber die Frage erlaubt sein: Ist es nachhaltig, wenn ich statt auf Kunststoff jetzt auf Alternativmaterialien setze? Schließlich muss man sich immer den gesamten ökologischen Fußabdruck eines Produkts anschauen. Und hier schneiden Kunststoffe überaus gut ab. Die Verbotsdirektive zu Single Use Plastics müsste demnach eigentlich auf Single Use Products ausgeweitet werden. Also weg von der materialspezifischen Diskussion hin zu einer Funktionsdiskussion – beispielsweise bei kurzlebigen Anwendungen.

Infografik Dekarbonisierung Klimaschutz C02Besser wäre unserer Ansicht nach eine offen geführte Kohlenstoffkreislauf-Diskussion und eine daraus zu entwickelnde CO2-Steuer. In diese Richtung interpretiere ich auch das europäische Kreislaufwirtschaftspaket, in dem Ressourcenschonung und Klimaschutz oberste Ziele sind. Genau hier haben Kunststoffe ganz viel beizusteuern.

Welche Stellschrauben sind aus Ihrer Sicht entscheidend, um Kunststoffverpackungen wieder in ein besseres Licht zu rücken und die Kreislaufwirtschaft zu stärken?

Unsere Prämisse lautet ja, dass wir Kunststoffe nachhaltiger machen wollen. Also brauchen wir konkrete Lösungen, mit denen wir den Werkstoff besser wirtschaftlich recyceln und in den Kreislauf zurückführen können. Und hier reicht es nicht, sich nur auf der Ebene der Kunststoffe zu bewegen. Hier muss man über Kohlenstoffbilanzen nachdenken und zu diskutieren beginnen.

Ein Beispiel hierfür direkt aus Österreich ist das „Carbon2ProductAustria“ (C2PAT) der Lafarge Zementwerk, ein Mitglied der LafargeHolcim Group, OMV, Verbund und Borealis. Im Prinzip geht es dabei darum, Prozesse der Natur und Biochemie wieder nachzustellen und sich den Kohlenstoff aus den gasförmigen Emissionen (hier Zementwerken) wieder zu binden und zurückzuholen. Um eine vollständige Kohlenstoffbilanzierung erreichen zu können, benötigen wir mehr Wissen um die Kunststoffstoffströme, um Verwertungsmöglichkeiten, Prozesse und Anwendungen.

Neben einem Design4Recycling ist auch Transparenz bei der Sammlung und Sortierung von Plastikabfällen, mehr Einheitlichkeit bei den Sammelarten und eine stärkere Sensibilisierung für den Wert von Kunststoffabfällen bei der Bevölkerung notwendig. Ebenso wichtig ist die politische Sicherstellung der Investitionssicherheit für Sortieranlagen- und Recyclinganlagenbetreiber und des verpflichtenden Einsatzes von Rezyklaten.

Wir müssen uns aber auch die Frage stellen, was technisch und ökonomisch möglich und sinnvoll ist. Letztlich geht es oft um ganz profane Herausforderungen wie das Erreichen von weniger Fehlwürfen in den verschiedenen Abfallfraktionen oder dem Vermeiden von Littering. Und genau hier setzt auch die österreichische Kunststoffindustrie in Ihrem Tun an, um so zu verhindern, dass die kostbare Ressource Kunststoff für einen Kreislaufwirtschaft unwiederbringlich verloren geht.

Sabine Nadherny BorutinSabine Nadherny-Borutin ist seit März 2020 Generalsekretärin bei PlasticsEurope Austria und damit Teil der paneuropäischen Organisation des Kunststofferzeugerverbandes.

Sie hat an der Universität für Bodenkultur Wien studiert und verfügt über breite Unternehmenserfahrungen im Bereich der Umwelttechnik, der Abfall- und Kreislaufwirtschaft sowie zu alternativen Rohstoffen, Analytik und Chemikalienpolitik.

 

Im Dialog – Unser Magazin zur Interviewreihe um Kunststoff Recycling Klima- und Umweltschutz.