Wir müssen kreislauffähigen Verpackungen den Vorrang geben.

Wir müssen kreislauffähigen Verpackungen den Vorrang geben.

Der Anteil recycling- oder mehrwegfähiger Haushaltsverpackungen aus Kunststoff am deutschen Markt steigt. Zuletzt wurde sie in einer Studie der GVM für das Jahr 2020 mit 81 Prozent gemessen. Im Jahr 2018 hatten sich die Kunststoffverpackungshersteller zum Ziel gesetzt, bis 2025 90 Prozent recyclingfähig- oder mehrwegfähige Kunststoffverpackungen am Markt zu haben – ausgehend von ca. 75 Prozent.

Grafik Status Kreislaufwirtschaft: Recyclingfähigkeit von Kunststoffverpackung stieg von 75 % 2017 auf 81 % in 2021. Recyclingquote von Kunststoffverpackungen stieg von 47,1 % in 2017 auf 60,6 % in 2020. Recyclingmaterial in Kunststoffverpackungen steig von 400 kt in 2017 auf 670 kt in 2021.

Während die PET-Getränkeflaschen im Pfandsystem bereits nahezu vollständig recycling- oder mehrwegfähig sind, hat sich vor allem im Bereich der beteiligungspflichtigen Verpackungen im Gelben Sack viel verbessert. Hier stieg die Recyclingfähigkeit von ehemals 67 auf 74 Prozent. Positive Entwicklungen sind beispielsweise bei Mehrschichtfolien zu verzeichnen. Hier konnten in vielen Fällen nicht-recyclingfähige durch recyclingfähige Strukturen ersetzt werden. Ein weiterer Trend besteht beim Ersatz von rußbasierten Pigmenten. Diese behindern die automatische Sortierung nach Materialart, wodurch Verpackungen, die eigentlich recycelt werden könnten, nicht im für sie vorgesehenen Stoffstrom landen. Manchmal sind es nur Kleinigkeiten, die verändert werden müssen, um die Recyclingfähigkeit einer Verpackung zu verbessern, wie z. B. der Austausch des Etiketts. Hier hat der Markt in den vergangenen Jahren merklich dazu gelernt und viele Umstellungen vorgenommen.

Finanzielle Anreize für Recyclingfähigkeit stärken

Doch nicht immer können sich besser recyclingfähige Verpackungsinnovationen auch am Markt gut durchsetzen. Nur zum Teil liegt das an einem höheren Preis dieser Verpackungen. Ein wachsendes Markthemmnis für recyclingfähige Kunststoff­verpackungen stellt die Konkurrenz zu papierbasierten Verbundverpackungen dar, die trotz schlechter Recyclingfähigkeit mit der Werbung „weniger Plastik“ gut vermarktbar sind. Die IK überstützt daher zur Förderung der Recyclingfähigkeit aktiv die Pläne der Bundesregierung zur Revision von §21 Verpackungsgesetz. Vorgesehen ist, dass nicht hochgradig recyclingfähige Verpackungen zukünftig einen festgelegten Beitrag in einen Fonds einzahlen müssen.

Branchenziele erreichbar

Trotz verbleibender Herausforderungen ist die IK optimistisch, dass das Branchenziel bis 2025 erreichbar ist. Die Innovationskraft der Branche ist extrem hoch, wie die zahlreichen Beispiele der GVM-Studie belegen. Auch in den Marktbereichen, in denen die Recyclingfähigkeit bislang noch nicht hergestellt werden konnte, zeigt sich viel Innovation, um das Recycling zu ermöglichen. Schließlich ist auch das IK-Ziel bis 2025 nur ein Etappenziel. Denn bis 2030 sollen in ganz Europa nur noch recycling- oder mehrwegfähiger Verpackungen am Markt erlaubt sein.

Im Dialog mit Dr. Isabell Schmidt, Geschäftsführerin der Industrievereinigung Kunststoffverpackungen.

Frau Dr. Schmidt, Kunststoffverpackungen sollen verstärkt recycelt werden, um den Einsatz von Neuware zu reduzieren und CO2 zu sparen. Wo steht die deutsche Kunststoffverpackungsindustrie in puncto Recyclingfähigkeit im Jahr 2022?

 

Die Recyclingfähigkeit von Haushaltsverpackungen aus Kunststoff ist in Deutschland auf 80% gestiegen. Das haben wir als IK durch die GVM ermitteln lassen, denn unser Verband hat sich 2018 zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2025 90% recycling- und mehrwegfähige Haushaltsverpackungen am deutschen Markt zu erreichen. Die Haushaltsverpackungen umfassen dabei sowohl die beteiligungspflichtigen Verpackungen im Gelben Sack als auch die PET-Getränkeflaschen im Pfandsystem, deren Recyclingfähigkeit bei nahezu 100% liegt.

Der PET-Flaschen-Kreislauf ist ein Paradebeispiel für Recycling. Aber wie sieht es denn mit der Recyclingfähigkeit von Kunststoffverpackungen im Gelben Sack aus?

Die beteiligungspflichtigen Verpackungen aus Kunststoff, die im Gelben Sack gesammelt werden, sind gemäß den allgemein anerkannten Kriterien des „Mindeststandards zur Bemessung der Recyclingfähigkeit“ nach §21 Verpackungsgesetz in Summe zu 74% recyclingfähig. Deren Recyclingfähigkeit hatte 2016 nur bei 66% gelegen. Auch wenn sich die Bewertungsregeln seither leicht verändert haben – denn 2016 gab es den Mindeststandard noch nicht – und die Zahlen daher nur bedingt vergleichbar sind, ist doch ein positiver Trend zur Recyclingfähigkeit unverkennbar.

Recyclingfähig klingt erst einmal gut. Aber wie genau definiert sich eigentlich, ob eine Verpackung als recyclingfähig eingestuft werden kann?

Um als recyclingfähig zu gelten, muss eine Verpackung gemäß Mindeststandard drei Voraussetzungen erfüllen: 1) Es muss einen Verwertungspfad für sie geben, sprich die für ihr Recycling benötigte Anlageninfrastruktur muss am Markt etabliert sein; 2) ihre Materialart muss in den Sortierzentren sensorgestützt erkannt werden und 3) der Verpackung dürfen keine Störstoffe anhaften, die das Recycling behindern.

Können Sie Verpackungen oder Kunststoffarten nennen, die besondere Fortschritte machen?

Recyclinganlage Kunststoff Kreislaufwirtschaft

Bildnachweis: iStock | Ziga Plahutar

Positive Entwicklungen am Markt sind im Bereich von Mehrschichtfolien zu verzeichnen, in denen verschiedene Kunststoffarten zum Teil auch mit Aluminium kombiniert werden, um bestimmte Barrierefunktionen zu erzielen, die dem Produktschutz dienen. Hier konnten an vielen Stellen nicht recyclingfähige PET/PO-Verbundfolien durch recyclingfähige Strukturen ersetzt werden und auf Aluminium als Hochbarriere verzichtet werden. Ein weiterer Trend besteht beim Ersatz von rußbasierten Pigmenten. Diese verhindern nämlich in der automatischen Sortierung der Verpackungen die Erkennung des Materials durch die Sensoren. Verpackungen, die eigentlich gut recycelt werden können, landen dadurch leider im Sortierrest, der energetisch verwertet, also unter Ausnutzung der Energie verbrannt wird. Manchmal sind es nur Kleinigkeiten, die getan werden müssen, um die Recyclingfähigkeit einer Verpackung zu verbessern, wie z.B. der Austausch des Etiketts. Hier hat der Markt in den letzten Jahren merklich dazu gelernt und viele Umstellungen im Sinne eines Designs for Recycling vorgenommen.

Und wie sieht es bei den Recyclinganlagen aus? Werden dort ebenfalls Fortschritte gemacht?

Die Umstellung des Verpackungsdesigns ist tatsächlich nur eine Möglichkeit, wie die Recyclingfähigkeit hergestellt werden kann. Die andere besteht im Aufbau neuer Verwertungsstrukturen, also von Recyclinganlagen, welche die bestehenden Verpackungen verwerten können. Diesen Weg verfolgen die Nutzer von PET-Schalenverpackungen, die optimistisch sind, dass das Recycling ihrer Verpackungen bald wirtschaftlich wird und damit Fuß fasst.

Man könnte also sagen, dass das Verpackungsgesetz Wirkung zeigt, oder?

Durchaus. Obwohl anders als erwartet. Durch §21 sollte die Recyclingfähigkeit eigentlich finanziell gefördert werden, jedoch fielen die Anreize in der Praxis allzu schwach aus. So scheint es, dass weniger die finanziellen Anreize als vielmehr die starke Beschäftigung mit der Recyclingfähigkeit den Stein der Veränderung ins Rollen gebracht hat. Viele Handelsketten und Markenhersteller haben sich eigene Ziele zur Verpackungsoptimierung gesteckt und sich intensiv mit der Recyclingfähigkeit ihrer in Verkehr gebrachten Verpackungen beschäftigt.

Wo sehen Sie Ihre Industrie, also die Kunststoffverpackungshersteller in der Pflicht, um das Ziel der 90% Recyclingfähigkeit bis 2025 zu erreichen?

Die besondere Kompetenz und Verantwortung der Verpackungshersteller besteht darin, besser kreislauffähige Verpackungen zu entwickeln und zur Marktreife zu bringen. Dass die Ingenieure ihr Handwerk verstehen, zeigt die beeindruckende Vielzahl neuer Entwicklungen, die in den letzten Jahren auf den Markt gebracht wurden, um die Recyclingfähigkeit zu verbessern.

Doch nicht jede recyclingfähige Neuerung hat es leicht, sich am Markt auch durchzusetzen. So geraten Kunststoffverpackungen zunehmend unter Druck durch Papier-Kunststoff-Verbunde, die mit dem Scheinargument „weniger Plastik“ am Markt punkten können, aber leider nur schwer recyclingfähig sind. Das ist ein negativer Trend, dem wir entschieden entgegenwirken müssen. Nur wenn sich die Kunden dem Greenwashing entziehen und kreislauffähigen Verpackungen den Vorrang geben, können diese sich durchsetzen. Um den weiteren Fortschritt in Richtung der Recyclingfähigkeit nicht zu gefährden, setzen wir uns deshalb für eine Stärkung der finanziellen Anreize durch das Verpackungsgesetz ein. Wenn dies gelingt, dürfte das selbst gesteckte Branchenziel von 90% recycling- oder mehrwegfähigen Haushaltsverpackungen bis 2025 erreicht werden.

Im Dialog – Unser Magazin zur Interviewreihe um Kunststoff Recycling Klima- und Umweltschutz.