Beim Anblick des Einwegverpackungsabfalls dachten wir uns: “Das muss doch anders gehen!“

MealGood Eva Maria Kappelhoff Laura Marie Schulte

Gründerinnen von MealGood Eva-Maria Kappelhoff und Laura-Marie Schulte © mealgood 2023

Sie wollen Veränderungen mitgestalten und sie sind die Zukunft der Kunststoffverpackung: die Young Talents, die kontinuierlich an und mit innovativen Verpackungen aus Kunststoff arbeiten. Eine von ihnen, die bereits viel bewegen, obwohl sie erst am Beginn ihrer beruflichen Laufbahn stehen, ist Eva-Maria Kappelhoff. Sie sagt dem Verpackungsabfall in der Gastronomie den Kampf an: Die 29-Jährige ist Geschäftsführerin und Co-Founder des Start-ups MealGood, das individuelle Mehrwegbehältnisse für die (Groß-)Gastronomie anbietet.

Gemeinsam mit Laura-Marie Schulte hat sie MealGood vor drei Jahren mit dem Ziel gegründet, den täglich anfallenden und teils unnötigen Verpackungsabfall zu reduzieren. „Wir haben mit eigenen Augen gesehen, wie viel Verpackungsmüll in einem Konzern ohne eigene Kantine um die Mittagszeit anfällt. Da dachten wir uns: Das muss doch anders gehen!“, berichtet Eva-Maria Kappelhoff. Ihre Mission: Einwegverpackungen einfach und effizient durch Mehrwegverpackungen ersetzen sowie ein längst überfälliges funktionierendes Mehrwegsystem für die Gemeinschaftsverpflegung einführen. Gleichzeitig möchten die beiden Gründerinnen das Thema Biokunststoffe stärker in den Fokus rücken, Mythen über dieses Material entkräften und Verbraucher:innen besser aufklären.

Frau Kappelhoff, was begeistert Sie an Kunststoffen und was macht die Kunststoffbranche aus Ihrer Sicht für Nachwuchskräfte so interessant?

Eva-Maria Kappelhoff:  Die Kunststoffbranche birgt ein enormes Potenzial für innovative Lösungen. Trotz der häufigen Kritik, dass Kunststoffe Mensch und Natur schaden und ein Produkt aus ‚alten Zeiten‘ sind, ist es eine Tatsache, dass Kunststoffe in vielen Bereichen unverzichtbar sind. Das betrifft Alltagsgegenstände wie Kleidung genauso wie hochspezialisierte Produkte in der Medizintechnik. Deshalb ist und wird es in Zukunft immer relevanter zu fragen, wie wir Ressourcen bestmöglich im Kreislauf halten sowie Downcycling verhindern können und welche Alternativen wir zu erdölbasierten Kunststoffen haben. Hier gibt es viel Spielraum und Potenzial für Entwicklungen in einer zweifellos zukunftsgestaltenden und vielversprechenden Branche.

Sprechen wir über die nachhaltige Verpackungsindustrie der Zukunft: Was bedeutet Innovation und Transformation für Sie im Kontext von Kunststoffen, Kunststoffverpackungen sowie einer effizienten Kreislaufwirtschaft?

Eva-Maria Kappelhoff: Für uns als Start-up bedeutet dies, neue Möglichkeiten zu erforschen und zu testen. Unser Ziel ist es, die Lebensdauer der Rohstoffe und Verpackungen bestmöglich zu verlängern, ohne schädliche Stoffe hinzuzufügen. Es bedarf zum Beispiel weiterer Forschung im Bereich der Additive, um herauszufinden, welche Farben und Rohstoffe aus regionalen und natürlichen Ressourcen genutzt werden können. Ein Beispiel ist der Bast der Haselnuss, der ideal geeignet wäre, um Kunststoffe einzufärben. Wir wollen erforschen, welche Ressourcen vorhanden sind, wie diese verwendet und in großen Mengen zur Verfügung gestellt werden können. Anschließend arbeiten wir daran, dass diese auch in Verpackungen mit Lebensmittelkontakt eingesetzt werden können. Wirft man in diesem Bereich einen Blick auf die verbindliche Positivliste der Monomere und Zusatzstoffe, zeigt sich definitiv Raum für Erweiterungen. Gleiches gilt für Post-Consumer-Rezyklate: Damit der Stoffkreislauf wirklich gelingt und die Recyclingquoten erfüllt werden, müssen die Rahmenbedingungen neu diskutiert werden.

200 Umläufe und ein durchdachtes End-of-Life-Konzept

MealGood konzipiert seine Mehrwegschalen von Grund auf nach dem Prinzip Design for Recycling. Das Startup setzt auf biobasierte Kunststoffe und stellt seine Mehrwegbehältnisse aus einem Nebenprodukt der Zuckerproduktion her. Alle Produkte sind zu 100 Prozent kreislauffähig und für bis zu 200 Umläufe zertifiziert. Verbraucher:innen erhalten die Menüschalen in der Gastronomie und geben sie dort nach Gebrauch zurück, wo sie professionell gereinigt und wiederverwendet werden. Haben die Schalen ihr Lebensende erreicht, nimmt MealGood sie zurück und recycelt sie.

Das Rezyklat wird dann beispielsweise von der Bau- oder Spielzeugindustrie zur Herstellung neuer Kunststoffprodukte genutzt. Ziel ist es, aus dem Rezyklat in Zukunft wieder neue Schalen herzustellen – dafür muss diese Art des Rezyklats jedoch erst für den erneuten Lebensmittelkontakt zugelassen werden. Auch für den Fall, dass Verbraucher:innen die Mehrweg-Produkte versehentlich im normalen Hausmüll entsorgen, hat MealGood vorgesorgt: Die Menüschalen sind so designt, dass Recyclinganlagen die Recyclingfähigkeit trotz der dunklen Farbe der Kunststoffe erkennen.

MealGood setzt auf biobasierte Kunststoffe. Welche Chancen und Herausforderungen bringen diese mit sich?

Eva-Maria Kappelhoff: Wir sehen es als große Chance, mit unseren Produkten die Rahmenbedingungen und Anwendungsbereiche von biobasierten Kunststoffen zu erweitern und in den Fokus zu rücken. Diese Art von Kunststoffen besitzt im Grunde die gleichen Eigenschaften wie erdölbasierte Produkte. Im Praxistest zeigte sich bei den ersten Prototypen Optimierungsbedarf, denn sie waren etwas anfälliger als vergleichbare Produkte aus erdölbasiertem Kunststoff. Heute bieten wir Produkte an, die Kunststoff aus fossilen Rohstoffen in Sachen Qualität in nichts nachstehen. Wir setzen bewusst auf Monomaterial, damit sich unsere Produkte optimal recyceln lassen. Das bedeutet gleichzeitig, dass wir auf bestimmte Beschichtungen verzichten. Diese würden zwar beispielsweise die Optik verbessern, die Recyclingfähigkeit jedoch verringern.

Wie erklären Sie sich das schlechte Image von Kunststoff?

Eva-Maria Kappelhoff: Wir alle kennen die Bilder von Öllecks in Ozeanen, brennenden Ölplattformen, riesigen Raffinerien und der Meeresverschmutzung durch Kunststoffverpackungen. Mit MealGood möchten wir eine andere Perspektive eröffnen. Denn wir sind nicht auf Ölraffinerien angewiesen und können Mehrweg- anstelle von Einwegkunststoffen nutzen, deren Akzeptanz meiner Meinung nach deutlich höher ist. Leider erleben wir gerade einen Trend hin zu Einwegverpackungen aus Papier, die für viele eine nachhaltige Alternative zu Einwegkunststoffen darstellen. Genauer betrachtet finden sich in Papierverpackungen jedoch nur schwer bis gar nicht recycelbare Beschichtungen und Materialverbünde, sodass man hier kaum von Nachhaltigkeit sprechen kann.

Viele Blicke richten sich in Sachen Nachhaltigkeit auf die Industrie. Aber was müssen oder können wir als Verbraucher:innen bzw. auch die Politik aus Ihrer Sicht ändern, um unseren Konsum und den Umgang mit Kunststoffverpackungen nachhaltiger zu gestalten?

Eva-Maria Kappelhoff: Seit 2023 gilt die sogenannte Mehrwegangebotspflicht in der gesamten EU. Was zunächst gut klingt und bei uns Ende 2022 zu einer hohen Nachfrage geführt hat, wird in der Praxis allerdings kaum umgesetzt. Auch bei uns ist die Nachfrage schon im ersten Quartal 2023 wieder zurückgegangen. Dabei gibt es in der Einzelgastronomie zahlreiche Anbieter, die die Nutzung von Mehrweg erleichtern. Leider müssen wir feststellen, dass die Mehrwegnutzung im letzten Jahr nur um 1,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen ist, während die Nutzung von Einwegprodukten weiter steigt. Hier sind die Verbraucher:innen gefragt! Denn je höher die Nachfrage, desto mehr Druck wird auf die Gastronomie ausgeübt, Mehrwegalternativen auch wirklich anzubieten. Derzeit scheinen sich viele Betriebe noch hinter mangelnden Kontrollen zu verstecken. Seitens der Politik haben wir gerade einen weiteren Dämpfer erfahren. In der Debatte um die geplante EU-Verpackungsverordnung (PPWR) wurde sich weder eindeutig für Mehrweg ausgesprochen, noch wurden Quoten festgelegt. Das ist eine verpasste Chance für mehr Nachhaltigkeit. Wir wünschen uns mehr Mut, strengere Kontrollen sowie eine feste Quotierung.

Einfache Rückgabe, mehr Aufklärung und optimierte Prozesse

Damit Mehrwegprodukte aus Kunststoff zu einer echten Alternative im Sinne einer Kreislaufwirtschaft werden, müssen sich vor allem die Umläufe erhöhen. Denn Mehrweg ist nur dann ökologisch sinnvoll, wenn die Produkte so oft wie möglich wiederverwendet werden. Genau hier liegt die große Herausforderung: Es gilt, die Gewohnheiten der Verbraucher:innen zu durchbrechen. Sie sollen dazu übergehen, die Menüschalen, in denen die Speisen geliefert werden, nicht mehr wegzuwerfen, sondern in die Rückgabebehältnisse zu legen. Das erfordert aber beispielsweise auch, diese Rückgabeprozesse möglichst einfach zu gestalten und beispielsweise anbieterübergreifend anzubieten.

Auch wissen viele Verbraucher:innen noch nicht, dass sich biobasierte Kunststoffe nicht selbst zersetzen, weshalb sie ordnungsgemäß entsorgt werden müssen. Hier ist noch erhebliche Aufklärungsarbeit zu leisten. MealGood gibt seinen Kunden beispielweise Informationsmaterial zur Auslage in den Gastronomiebetrieben an die Hand, um die Mythen aufzuklären. Doch auch die Gastronomie muss ihre Prozesse überdenken und optimieren, damit Mehrwegkunststoff sein volles Potenzial als nachhaltige Verpackung entfalten kann.

26. März, 2024|
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