Weniger fossile Rohstoffe verbrauchen und damit einen Beitrag zur Klimaneutralität leisten: Im Jahr 2018 haben sich die Mitglieder der Industrievereinigung Kunststoffverpackungen zum ersten Mal seit Gründung des Verbands zwei übergeordnete Branchenziele gesetzt: Bis 2025 möchten die Kunststoffverpackungshersteller in Deutschland eine Million Tonnen Rezyklate oder biobasierte Rohstoffe in Kunststoffverpackungen einsetzen sowie mindestens 90 Prozent der Haushaltsverpackungen recycling- oder mehrwegfähig gestalten. 2025 rückt unweigerlich näher – wo steht die IK heute?
Politische Debatte
Anfang 2018 forderte die EU-Kommission im Rahmen ihrer Kunststoffstrategie, dass bis 2025 insgesamt zehn Millionen Tonnen Rezyklate in Kunststoffprodukten in Europa eingesetzt werden sollen. Zudem stand ein neues Verpackungsgesetz bevor, das ab Januar 2019 neben finanziellen Anreizen für die Recyclingfähigkeit und die Verwendung von Recycling- und nachwachsenden Materialien unter anderem auch eine Steigerung der Recyclingvorgaben für Kunststoffverpackungen von 36 auf 63 Prozent bis 2022 vorgab. Die IK beschloss daraufhin, den Fokus der Verbandsaktivitäten auf diese Herausforderungen zu richten und erstmals eigene, quantitativ messbare Ziele für eine stärkere Kreislaufwirtschaft zu definieren.
„Wir setzen mit unseren Zielen dort an, wo unsere Branche als einer von vielen Akteuren der Kreislaufwirtschaft wirklich einen Beitrag leisten kann: Die Verantwortung unserer Branche ist es, Verpackungen zu entwickeln, die gut recycelt oder wiederverwendet werden können, und den Einsatz alternativer Rohstoffe wie Rezyklate oder biobasierte Rohstoffen voranzutreiben“, sagt Dr. Isabell Schmidt, Geschäftsführerin Kreislaufwirtschaft bei der IK.
Heute ist die Initiative der IK von aktuellerer Bedeutung denn je. Denn mit der Entwicklung einer neuen EU-Verpackungsverordnung (PPWR), die noch in diesem Jahr verabschiedet werden soll, werden an Verpackungen zukünftig Nachhaltigkeitsanforderungen gestellt. Die Recyclingfähigkeit und der Rezyklateinsatz in Kunststoffteilen werden damit ab dem Jahr 2030 zur gesetzlichen Pflicht. Auch für den Einsatz von Mehrwegverpackungen soll es Vorgaben geben.
Recycling- und Mehrwegfähigkeit steigt
Bereits 2018 waren 75 Prozent der Kunststoffverpackungen recycling- oder mehrwegfähig, bezogen auf die Abfallmengen im Gelben Sack und in der PET-Getränkeflaschen-Sammlung. Eine Erhebung der GVM Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung im Auftrag der IK zeigt, dass die Recycling- und Mehrwegfähigkeit von Haushaltsverpackungen aus Kunststoff in Deutschland schon 2020 auf 81 Prozent gestiegen ist. Angesichts dieser Zahlen ist die IK sehr optimistisch, die angestrebten 90 Prozent bis 2025 zu erreichen. Ein neues Monitoring steht dieses Jahr an.
Auch, wenn sich die Zahlen positiv entwickeln: Manchmal liegt die Herausforderung hinsichtlich der Recyclingfähigkeit nicht im fehlenden Design for Recycling, sondern in den geringen Abfallmengen aus bestimmten Materialien – und damit an der Wirtschaftlichkeit eines Sortier- und Recyclingprozesses. „Es müssen entsprechende Mengen vorhanden sein, damit diese Prozesse rentabel sind. Für gängige Verpackungskunststoffe wie PET, PP, HDPE, LDPE oder PS gibt es etablierte Ströme. Neuartige oder selten verwendete Kunststoffarten mit noch nicht etablierten Recyclingströmen gelten zunächst als nicht recyclingfähig – unabhängig davon, welches Potenzial sie haben, wenn sie in größeren Mengen am Markt vorhanden wären“, erklärt Dr. Schmidt.
PCR-Einsatz mehr als verdoppelt, doch 1-Mio-Tonnen-Ziel noch in weiter Ferne
Ausgangspunkt für das Ziel hinsichtlich des Einsatzes von Recyclingmaterial oder biobasierten Rohstoffen in Kunststoffverpackungen war der Einsatz von 400.000 Tonnen Rezyklat im Jahr 2017. Mit der enormen Steigerung auf eine Million Tonnen bis 2025 wollte die IK nicht nur aus ökologischen Gründen Verantwortung übernehmen, sondern auch Deutschlands Vorreiterrolle in Europa in Sachen Recycling weiter ausbauen.
Doch das Ziel scheint in weiter Ferne, obwohl der Einsatz von Post-Consumer-Rezyklaten (PCR) rasant um über 20 Prozent pro Jahr zulegte. Jedoch machte der PCR-Verbrauch im Ausgangsjahr nur 160 der 400 Tausend Tonnen Recyclingmaterial aus. Der mit 240.000 Tonnen überwiegende Anteil waren Post-Industrial-Rezyklate (PIR) und wiederverwendete Nebenprodukte. Auch diese Mengen sind gestiegen. Die öffentliche Diskussion der letzten Jahre hat aber erbracht, dass der Wiedereinsatz von Nebenprodukten zwar eine sinnvolle Maßnahme zur Abfallvermeidung darstellt, aber beim Rezyklateinsatz nicht mit angerechnet werden kann. Statt 670.000 Tonnen Rezyklateinsatz konnte die Branche im Jahr 2021 deshalb nur noch eine korrigierte Menge von 467.000 Tonnen PCR und PIR für sich reklamieren, davon 370.000 Tonnen PCR. Dessen Einsatz hat sich seit 2017 damit mehr als verdoppelt – eine grundlegend positive Entwicklung für die Kreislaufwirtschaft von Kunststoffverpackungen.
Ein großes Hindernis für ein noch stärkeres Wachstum stellen jedoch die Qualitäten und Quantitäten von verfügbaren Rezyklaten im Markt dar. Dies betrifft im besonderen Maße Rezyklate, die in Lebensmittelverpackungen und anderen kontaktsensitiven Bereichen für wie Tierfutter, Pharmazieprodukte, Kosmetik oder Gefahrgüter eingesetzt werden können. Dort ist es kaum möglich, abseits von PET-Rezyklat – das zwar verfügbar, aber auch stark nachgefragt ist – qualitativ geeignetes Post-Consumer-Recyclingmaterial zu beziehen. „In diesen Bereichen haben schlicht noch zu wenig Investitionen in Recyclinganlagen stattgefunden. Dafür muss es endlich Zulassungen durch die Europäische Kommission geben, damit Unternehmen eine Planungs- und Rechtssicherheit haben“, erklärt Dr. Schmidt.
Das Ziel, eine Million Tonnen Rezyklat einzusetzen, bedeutet mehr als eine Verdopplung des derzeitigen Niveaus. Dies ist in der Kürze der Zeit bis 2025 nach aktuellen Einschätzungen kaum noch zu erreichen. Erschwerend fällt die Transformation in einen Zeitraum, in welcher der Verpackungsverbrauch nachweislich zurückgeht. „Es war 2018 schon ambitioniert, aber dass die Herausforderungen über eine so lange Zeit doch so groß sind, war nicht abzusehen“, beurteilt Dr. Schmidt die Situation. „Trotzdem werden wir dieses Ziel nicht nach unten korrigieren. Denn eine ehrliche Auseinandersetzung gehört für uns dazu. Es liegt keinesfalls am fehlenden Willen der Industrie, Rezyklate einzusetzen, sondern am Markt und den Verfügbarkeiten. Hier sind uns in vielerlei Hinsicht die Hände gebunden.“ Die prekäre Situation hat inzwischen sogar Einzug in die sonst eher Kunststoff-kritische aktuelle Medienberichterstattung gehalten. Und sie wird sich weiter verschärfen: Die geplante PPWR sieht ab 2030 einen PCR-Einsatz vor, der fünfmal so hoch ist wie der Einsatz im Jahr 2021.
Das übergeordnete Ziel
Angesichts der Teilerfolge und trotz aller Hürden bewertet Dr. Schmidt die Verpflichtung zu eigenen Zielen bis 2025 positiv: „Dass sich die Branche frühzeitig mit den Zielen auseinandergesetzt hat, hat unsere Kompetenzen nochmals unheimlich gesteigert. Diese Erkenntnisse helfen, sich auf die zukünftigen gesetzlichen Anforderungen besser vorzubereiten.“ Nun fokussiert sich der Verband auf die Ziele der EU-Kommission ab 2030 im Rahmen der EU-Verpackungsverordnung.
Die Industrie hält auch weiterhin an ihrem übergeordneten Ziel fest, zukunfts- und kreislauffähige Verpackungen zu entwickeln. Dazu gehört es auch, mit den unterschiedlichen Akteuren aus Wirtschaft, NGOs, Verbänden und Politik in den Dialog zu treten – ganz gleich, ob innovative, visionäre, begeisterte oder kritische Stimmen. Ein Beispiel dafür ist die vielfältige Debatte um die neue EU-Verpackungsverordnung, die als förderlicher gesetzlicher Rahmen Anreize für die notwendigen Innovationen in die Kreislaufwirtschaft setzen sollte.
Um sich den Herausforderungen zu stellen und die Ziele zu erreichen, sind für die Branche auch zukünftig ein konsequenter Innovationswille, Engagement für die Themen der Kreislaufwirtschaft, Kritikfähigkeit sowie die Kommunikation der starken Argumente für Kunststoffverpackungen, ihrer Funktionen und ihres Beitrags zum Klimaschutz entscheidend.