Juli 2025 – Mit der neuen EU-Verpackungsverordnung (PPWR) erkennt die EU die wichtige Rolle kompostierbarer Kunststoffe für bestimmte Verpackungsanwendungen an, um Lücken im Kreislauf zu schließen und die Qualität und Quantität des getrennt gesammelten Bioabfalls zu steigern. Im Einklang mit den Zielen der PPWR muss die deutsche Bundesregierung nun das Verpackungsgesetzt (VerpackG) überarbeiten un geeignete Maßnahmen ergreifen, um den Einsatz von industriell kompostierbaren Kunststoffen in bestimmten Verpackungen praxistauglich und zukunftsfähig auszugestalten. 

Gemeinsame Position

Initiative Natuerliche Kreislaufwirtschaft Logo
IK LogoSubline
PlasticsEurope Logo Neu
CARMEN Logo
EUBP European Bioplastics Orange
Nova Institute Logo
Polykum Logo

Zukünftig verpflichtend industriell kompostierbare Verpackungen

Die PPWR gibt vor, dass bestimmte Verpackungsanwendungen, die typischerweise zusammen mit Bioabfällen entsorgt werden oder als Sammelhilfe für Bioabfall dienen, kompostierbar sein sollten. Zertifiziert industriell kompostierbare Kunststoffe haben nachweislich den Vorteil, dass sie in Bioabfallbehandlungsanlagen vollständig abgebaut werden.

Gemäß Artikel 9 (1) der PPWR müssen innerhalb der EU künftig Obst- und Gemüseaufkleber, Teebeutel und Kaffeepads verpflichtend industriell kompostierbar sein.

Damit wird gewährleistet, dass eine Reihe von Kunststoffprodukten, die häufig als Fehlwürfe im Bioabfall landen, tatsächlich vollständig in der Bioabfallbehandlung abbauen. Gleichzeitig wird der Fremdstoffgehalt im Bioabfall durch nicht-abbaubare Kunststoffe reduziert und entsprechend der Eintrag von persistentem Mikroplastik in den Kompost verringert.

Zu dem haben die EU-Mitgliedsstaaten lt. Artikel 9 (2)(a) der PPWR die Möglichkeit, weitere Anwendungen verpflichtend kompostierbar zu machen, darunter sehr leichte Kunststofftragetaschen. Denn zertifiziert industriell kompostierbare Kunststoffe haben sich für spezielle Anwendungen wie Bioabfall-Sammelbeutel sowie Obst- und Gemüsebeutel bewährt, um die Verunreinigungen im Bioabfall durch herkömmliche Kunststoffe zu reduzieren. Sie erleichtern zudem die getrennte und hygienische Sammlung von küchenstämmigen Bioabfällen und steigern die Erfassungsrate von Biogut für das organische Recycling¹ – ein Nutzen, der auch in der Bioabfall-Verordnung (BioAbfV) anerkannt ist. 

Praktische Umsetzung des Kaskadennutzungsprinzips

Die Mehrfachnutzung von Obst- und Gemüsebeuteln aus zertifiziert kompostierbarem Material trägt wesentlich zur ökologischen Sinnhaftigkeit bei. Diese Beutel können zunächst zum Einkaufen udn Transportieren von losem, frischem Obst und Gemüse verwendet werden, anschließend zur Frischhaltung der Lebensmittel dienen und schließlich zur Sammlung und sauberen Entsorgung von küchenstämmigen Bioabfällen genutzt werden. Untersuchungen zeigen zudem, dass Obst und Gemüse in kompostierbaren Beuteln länger haltbar bleiben², was dazu beiträgt, Lebensmittelverschwendung zu reduzieren. 

Reduzierung der Verunreinigung des Bioabfalls und der Mikroplastikbelastung

Das bayerische Bioökonomie-Modellprojekt “Bio-Beutel im Praxistest” untersuchte die Kaskaden- bzw. Mehrfachnutzung industriell kompostierbarer Beutel zunächst als Service- und Frischhalteverpackung und schließlich Bioabfallsammelhilfe. Das Projekt konnte zeigen, dass industriell kompostierbare “Hemdchenbeutel” an der Obst- und Gemüsetheke ein effektives Hilfsmittel sind, um die Bereitschaft der Haushalte zur korrekten Trennung und Sammlung von küchenstämmigen Bioabfällen zu erhöhen.³ Gleichzeitig wird durch den Einsatz der Beutel der Fremdstoffeintrag in den Bioabfall und damit die Mikroplastikbelastung im Kompost und in landwirtschaftlichen Böden reduziert.⁴ Das baden-württembergische Forschungsprojekt “Biologische abbaubare Beutel in der Bioabfallverwertung” konnte belegen, dass durch den Einsatz kompostierbarer Beutel der Anteil konventioneller, nicht-abbaubarer Kunststoffe (v.a. PE-Beutel) im Bioabfall erheblich abnimmt: in den Untersuchungsgebieten sank der Anteil von nicht zugelassenen PE(Polyethylen)-Beuteln um rund 45 Prozent, 61, bzw. 79 Prozent.⁵

Wir empfehlen daher, der Zielsetzung der PPWR folgend, auch in Deutschland alle sehr leichten Kunststofftragetaschen, die als Obst- udn Gemüsebeutel verwendet werden, verpflichtend zertifiziert industriell kompostierbar (entsprechend den Anforderungen an Bioabfallsammelbeutel lt. BioAbfV, insb. Kennzeichnung gem. Anhang 5) zu machen, um die Verunreinigung des Bioabfalls mit herkömmlichen Plastiktüten zu verringern und mehr Bioabfall getrennt zu sammeln. Dies ist in anderen EU-Ländern wie Italien, Österreich, Irland, Spanien, u.a. bereits seit Langem erfolgreiche Praxis.

Zertifiziert industriell kompostierbare Kunststoffe für den biologischen Kreislauf

Sowohl zertifiziert industriell kompostierbare Beutel als auch zertifiziert kompostierbare Anwendungen wie Teebeutel oder Kaffeepads tragen dazu bei, den noch immer sehr hohen Anteil (ca. 40 Prozent) organischer Abfälle im Restmüll umzulenken und dem organischen Recycling als ökologisch höherwertige Verwertung im Sinne einer geschlossenen, biologischen Kreislaufwirtschaft zuzuführen.⁶ Biogene Abfall- und Reststoffe sind eine wertvolle Ressource für die Herstellung von qualitativ hochwertigem Kompost für die Landwirtschaft⁷ oder von Biogas.

Wir empfehlen, die gemeinsame Sammlung der verpflichtend industriell kompostierbaren Anwendungen (gem. PPWR Art. 9) zusammen mit Lebensmittelabfällen über die Bioabfallsammlung zu ermöglichen, um den Wert und Nutzen dieser Produkte als Träger für Biogut zur Rückführung von Nährstoffen in den Boden in Form von Kompost sowie zur Energieerzeugung systematisch auszuschöpfen.

Aufgrund der neuen Bestimmungen der PPWR, Art. 9 ist zu erwarten, dass die Menge an zertifiziert industriell kompostierbaren Kunststoffen in der Bioabfallsammlung zunehmen wird. Daher sollten die Gebühren, die von den Dualen Systemen für die kompostierbaren Kunststoffverpackungen erhoben werden, zielgerichtet an die Sammelbetriebe und Betreiber der Anlagen für organisches Recycling ausgebracht werden.

Im Zusammenspiel mit einer EU-weit einheitlichen Zertifizierung und Kennzeichnung (gem. BioAbfV, Anhang 5) der zulässigen Obst- und Gemüsebeutel kann die Erkennbarkeit für VerbraucherInnen und die ordnungsgemäße Verwertung dieser Materialien im EU-Binnenmarkt gefördert werden. Dabei ist insbesondere auf eine sehr klare Kennzeichnung und verbrauchergerechte Kommunikation zu achten, damit sichergestellt ist, dass die kompostierbaren Obst- und Gemüsebeutel auch tatsächlich im Kompoststrom landen und nicht mit dem werkstofflichen Kunststoffrecyclingstrom vermischt werden.

1 – Schmidt et al. (2017): Praxisversuch zur Steigerung der Bioabfallerfassung in München. In Müll und Abfall 02.17.
2 – Fritz (2009): Der Brotsackversuch – Frischhaltevermögen für Obst, Gemüse und Gebäck (Projektbericht). Verfügbar unter: https://inak.bio/wp-content/uploads/2025/03/Fritz_2009_BOKU_Der-Brotsack.pdf
3 – C.A.R.M.E.N. e.V. (2022).: N. Arbeck, J. Lehmann, N. Sporrer, U. Peintner, Witzenhausen-Institut für Abfall, Umwelt udn Energie GmbH: Dr-Ing. M. Kern, H.-J. Siepenkothen: Abschlussbericht zum Modellprojekt, Praxistest Bio-Beutel – Kreislaufwirtschaft mit kompostierbaren Obst- und Gemüsebeuteln, https://www.carmen-ev.de/wp-content/uploads/2022/02/Abschlussbericht_Praxistest-Bio-Beutel.pdf
4 – Eine Untersuchung des Schweizer Anlagenbetreibers Ecorecyclage zeigt, dass Verbraucher mit kompostierbaren Beuteln ihre Abfälle besser trennen: herkömmliche Beutel enthalten 7-mal mehr Fremdstoffe als kompostierbare Bioabfallbeutel. 75 % der herkömmlichen Beutel sind verunreinigt, verglichen mit nur 19 % der kompostierbaren Beutel. Biomassen Suisse empfiehlt daher, dass Großverteiler an Kassen und Obst- und Gemüsetheken nur kompostierbare Beuteln anbieten sollten, um Fremdstoffe im Bioabfall zu reduzieren. Ecorecyclage (2024): https://biomassesuisse.ch/public/document/download/250411
5 – https://www.projekt-babba.de/
6 – Schmidt et al. (2017): Praxisversuch zur Steigerung der Bioabfallerfassung in München. In Müll und Abfall 02.17.
7 – 15. Bad Hersfelder Biomasseforum: Jährlich 10 Millionen Tonnen Kompost aus Bio- und Grüngut erforderlich und möglich. In Müll und Abfall 01.24.
8 – Kern et. al. (2017): Biobeutel in Biogutvergärungsanlagen, Praxisversuche in vier Anlagen. Im Müll und Abfall 2.17.