Ältere Frau prüft Etikett der Medikameneten-Verpackung

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Die Medizin ist nicht nur wegen spektakulärer Durchbrüche wie mRNA-Impfstoffen oder KI in der Diagnostik eine der innovativsten Branchen. Neuerungen findet hier auf allen Ebenen statt, von der Grundlagenforschung über Hightech-Methoden bis hin zu Materialien oder Versorgungsstrukturen. Das gilt auch für Verpackungen aus Kunststoff, die aktuell vor allem durch das Thema Nachhaltigkeit herausgefordert werden.  

 Die Pharmabranche treibt neue Entwicklungen unter Hochdruck voran, nicht zuletzt an der Schnittstelle zwischen Medizin und Digitalisierung. Auch Verpackungen in der Medizin haben längst ihre reine Schutzfunktion hinter sich gelassen: Als hochentwickelte Komponenten tragen sie zur Produktsicherheit, Effizienz und Nachhaltigkeit in der Branche bei. 

So lassen sich Kunststoffverpackungen etwa mit RFID-Chips, NFCLabels oder batterielosen Bluetooth-Sensoren ausstatten. Diese ermöglichen Echtzeit-Tracking von Standort, Temperatur und Zustandsinformationen der Medikamentenverpackung entlang der Lieferkette. Sie helfen damit, Fälschungen zu verhindern und somit auch Fertigungsstandards wie Good Distribution Practices (GDP) gerecht zu werden. Thermochrome und Lichtsensoren auf Kunststoff-Produktetiketten signalisieren zum Beispiel visuell, ob das Medikament zu kalt oder zu heiß lag. Ebenso gibt es smarte Blister, deren Sensoren sich beim Entnehmen einer Tablettenzelle aktivieren. Die genaue Dosiszeit und Dosierposition wird gespeichert und via NFC oder Bluetooth ausgelesen. 

Dickes EU-Pflichtenheft für Nachhaltigkeit

Innovationen entstehen auch im Gesundheitsbereich immer häufiger mit Blick auf Nachhaltigkeit. So fallen in Deutschland pro Patientin oder Patient täglich bis zu 400g Kunststoffabfall in Krankenhäusern an, hauptsächlich durch Einwegprodukte und Verpackungen. Bei Kunststoffverpackungen wirken Recycling und Mehrwegkonzepte als entscheidende Hebel, um die Abfallmenge zu reduzieren und grundlegend für mehr Nachhaltigkeit zu sorgen. Dazu hat die EU mit ihrer Verpackungsverordnung der Branche ein dickes Pflichtenheft geschnürt: Ab Geltungsbeginn müssen Verpackungen demnach Mehrweg- sowie Kennzeichnungspflichten erfüllen und bis 2030 unter anderem Mindestanteile an Rezyklaten enthalten.  

Nahaufnahme von Zahnarzthänden in weißen sterilen Handschuhen mit zahnärztlichen Werkzeugen für den chirurgischen Einsatz verpackt in einer Schutzfolie aus Kunststoff

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Für Kunststoffverpackungen im Medizinbereich gibt es allerdings eine zentrale Ausnahmeregel laut Artikel 6. Die Verordnung besagt zwar, dass grundsätzlich alle in Verkehr gebrachten Verpackungen recyclingfähig sein müssen. Gemäß Art. 6 Abs. 11 b) gilt dies nicht für kontaktempfindliche Verpackungen von Medizinprodukten, die unter die Verordnung (EU) 2017/745 (Medical Device Regulation – MDR) fallen. Daraus folgt: Während bestimmte Blister und Trays sehr wohl die Bestimmungen der PPWR erfüllen müssen, gilt dies nicht für die sterile Einmalspritze. Künftige Anpassungen seitens der EU sind grundsätzlich möglich, ebenso wie unterschiedliche Bewertungen im Einzelfall.  

Recyclingfähigkeit und Rezyklateinsatz vorantreiben

Schon jetzt arbeitet die Branche unter Hochdruck daran, die Recylingfähigkeit von Verpackungen im Medizinbereich zu verbessern. Zum Beispiel verwenden etliche Hersteller Monomaterialien, die sich leichter wiederverwerten lassen als Verpackungen aus Materialverbunden. Außerdem verkleinern sie, wo möglich, die Verpackungsumfänge.  

Der Einsatz von Rezyklaten stellt die Branche vor Herausforderungen: Zwar werden bereits jetzt Rezyklate in Medikamentenverpackungen eingesetzt, jedoch gelten hier strenge Auflagen. Im medizinischen Bereich lassen sich die Rezyklate vieler Kunststoffe wegen möglicher Kontamination und Hygienevorschriften nicht verwenden, da die ursprünglichen Verpackungen verunreinigt sind oder Fremdstoffe enthalten. 

Als Rezyklat geeignet ist beispielweise recyceltes PET (rPET), gewonnen aus dem mechanischen Recycling von Post-Consumer-PET-Abfällen. Es gewinnt als nachhaltige Alternative für pharmazeutische Verpackungen zunehmend an Bedeutung. Es behält die meisten Eigenschaften von neuem PET bei und eignet sich daher für ähnliche Anwendungen. Auch die Verwendung von rPET in pharmazeutischen Verpackungen erfordert die strikte Einhaltung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards, um sicherzustellen, dass die Produktsicherheit nicht beeinträchtigt wird. Bislang wird das Material daher nur in begrenztem Umfang eingesetzt, etwa für Trays oder Thermoformschalen für nicht sterile oder indirekte Anwendungen. 

Mehr Nachhaltigkeit durch Biokunststoffe?

Ein weiteres Entwicklungsfeld sind Biokunststoffe. Dazu gehören biobasierte und biologisch abbaubare Polylactide (PLA), biologisch abbaubares Polycaprolacton (PCL) oder das biobasierte Polyethylenfuranoat (PEF). Sie gelten als vielversprechende Ansätze, um den CO₂-Fußabdruck im Gesundheitswesen nachhaltig zu senken. Dennoch gilt: Bio-Alternativen müssen genauso stabil, steril und biokompatibel sein wie herkömmliche Kunststoffe und zudem die Barriereanforderungen erfüllen. Deshalb sind biologisch abbaubare Kunststoffe in diesem Bereich bislang meist nur eingeschränkt nutzbar.

Infografik zur Einordnung von Kunststoffen basierend auf ihrer Rohstoffquelle und Abbaubarkeit. Die Grafik zeigt ein Achsendiagramm: Die vertikale Achse unterscheidet zwischen fossilen und nachwachsenden Rohstoffen, die horizontale Achse zwischen nicht abbaubaren und biologisch abbaubaren Materialien. Konventionelle Kunststoffe befinden sich im Quadranten fossile Rohstoffe/nicht abbaubar. Biokunststoffe sind in drei Kategorien unterteilt: (1) aus nachwachsenden Rohstoffen und nicht biologisch abbaubar, (2) aus nachwachsenden Rohstoffen und biologisch abbaubar, und (3) aus fossilen Rohstoffen und biologisch abbaubar. Farbliche Markierungen heben die jeweiligen Bereiche hervor.

Biokunststoffe Kreislaufwirtschaft

Quelle: Infoblatt Biokunststoffe, Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen.

Nachhaltigkeit weiterhin unverzichtbar

Kunststoffe sind aus dem Alltag nicht wegzudenken. Sie sind leicht, formbar, langlebig und kosteneffizient – Eigenschaften, die entscheidend zu unserem heutigen Lebensstandard beitragen. Besonders in der medizinischen Versorgung sind sie unverzichtbar: Ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber Hitze, Feuchtigkeit und Chemikalien ermöglicht eine sichere Sterilisation und macht sie vielseitig einsetzbar, von Einwegprodukten bis zu komplexen medizinischen Anwendungen. Eine große Herausforderung ist und bleibt auch hier das Thema Nachhaltigkeit und wie sich Schutzziele, Compliance und Abfallreduktion in Einklang bringen lassen. Zahlreiche Innovationen bieten bereits vielversprechende Ansätze, wie sich Kunststoffe und Kunststoffverpackungen in der Medizin im Sinne der Regulatorik weiterentwickeln können und sich in Zukunft noch besser mit Nachhaltigkeit vereinen lassen.