Interview mit Dr. Bettina Hoffmann, MdB, Sprecherin für Umweltpolitik und Umweltgesundheit der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen
Interview des GKV – Gesamtverband Kunststoffverarbeitende Industrie e.V. aus der Reihe Bericht aus Berlin.
GKV: Neben dem Klimaschutz war die Diskussion über Kunststoffe in der Umwelt das wichtigste umweltpolitische Thema des vergangenen Jahres. Wie ist Ihre Sicht auf Kunststoffe?
Plastik ist für viele Anwendungen ein sinnvoller und vielseitiger und langlebiger Werkstoff. In den letzten Jahren hat das Bewusstsein zugenommen, dass diese Langlebigkeit aber auch ein Problem darstellt.
Ob im Eis der Antarktis, in den Quellbächen der Hochgebirge oder in den Meeren – in den abgelegensten Ecken der Welt lässt sich Plastik nachweisen. Man kann es schon so ausdrücken, dass sie Lebensräume unserer Welt unwiderruflich verschmutzt werden.
Deshalb ist es wichtig, dass die Frage, wie wir künftig mit Kunststoffen umgehen, in der Gesellschaft breit diskutiert wird. Wenn es um die Vermeidung von Plastik in der Umwelt geht, sind die erweiterte Herstellerverantwortung, eine deutlich genauere Regulierung bioabbaubarer Kunststoffe und ein internationales Plastikabkommen wichtige Punkte, die wir Grüne fordern.
GKV: Bündnis 90/Die Grünen wollen als Partei für den Klimaschutz wahrgenommen werden. Welche Rolle spielen Kunststoffe für den Klimaschutz?
Für die globale Plastikproduktion werden jedes Jahr sechs Prozent der globalen Erdölförderung verbraucht, das entspricht dem jährlichen Ölverbrauch des weltweiten Luftverkehrs. Folgt die Plastikproduktion den bisherigen Trends, werden allein Kunststoffe zwischen 10 und 13 Prozent des verbleibenden CO2-Budgets für das 1,5-Grad-Ziel in Anspruch nehmen.
Diese Zahlen zeigen ganz eindeutig: Die Welt muss umsteuern bei der Produktion und dem Verbrauch von Plastik. Nur in einer Kreislaufwirtschaft, die Abfallvermeidung und geschlossene Wertstoffkreisläufe in den Mittelpunkt stellt, können Kunststoffe wirklich zum Klimaschutz beitragen.
Wir Grüne wollen diesen Wandel gestalten. Dafür schlagen wir etwa verbindliche Standards für recyclingfreundliches und schadstofffreies Produktdesign, gesetzliche Abfallvermeidungsziele und die Förderung von Mehrweglösungen vor.
GKV: In Deutschland will die Bundesregierung die Tragetasche aus Kunststoff verbieten, obwohl der Verbrauch deutlich zurückgegangen ist und unter der EU-Vorgabe liegt. Sind Verbote notwendig oder wäre es nicht besser, Umweltschutz gemeinsam mit der Wirtschaft zu betreiben?
Das Verbot von Plastiktüten, das Umweltministerin Schulze jetzt durch den Bundestag bringen will, ist vor allem Symbolpolitik. Zentral ist, den Verbrauch von Tüten und Verpackungen insgesamt zu reduzieren, da geht es nicht nur um Plastik, sondern auch um Papier und Metalle. Ich bin unbedingt dafür, dass die Politik in den Dialog mit der Wirtschaft tritt.
Umweltpolitik darf sich aber nicht auf freiwillige Selbstverpflichtungen und Runde Tische beschränken. Für mich ist wichtiger, dass die Politik einen klaren und verlässlichen Rahmen schafft, an dem sich die Wirtschaft orientieren kann und auf den sie sich im Voraus einstellen kann. Das ist besser, als wenn wenig durchdachte Gesetze abrupt erlassen werden.
GKV: Die Grünen haben vor der Wahl des Europaparlaments 2019 eine Plastiksteuer für Europa gefordert. Was versprechen Sie sich davon?
Im Fokus steht hier die Vermeidung von Einwegplastik. Ob Coffee-to-Go-Becher oder Plastikflasche, wir verbrauchen immer mehr Einwegprodukte die häufig nur wenige Minuten im Einsatz sind und dann zu Müll werden. Viele dieser Produkte ließen sich durch ökologisch vorteilhafte Mehrweg-Alternativen ersetzen.
Mit einer Steuer auf Einwegplastik wollen wir auf der einen Seite dafür sorgen, dass die Umweltkosten – etwa durch Umweltschäden oder für die Reinigung öffentlicher Orte – auch eingepreist sind, und Mehrweglösungen den Vorzug vor Einweglösungen erhalten.
GKV: Zurzeit wird über eine gesetzliche Einsatzquote für Kunststoffrezyklate in Produkten diskutiert. Was halten Sie von dieser Idee?
Wenn wir die Klimaziele schaffen wollen, müssen wir Stoffkreisläufe schließen, daran führt kein Weg vorbei. Gepaart mit weiteren Maßnahmen, wie zum Beispiel klar definierten Standards für die Qualität von Rezyklaten sind verbindliche Einsatzvorgaben für Rezyklate ein wichtiges Instrument, um die Kreislaufwirtschaft in Schwung zu bringen. Denn nur wenn es sichere Absatzmärkte für recycelte Materialien gibt, finden Investitionen in hochwertige Recyclingprozesse statt.