Der Bundesrat hat sich am 18. Dezember 2020 abschließend mit dem Verbot für leichte #Plastiktüten befasst, das der Bundestag am 26. November 2020 verabschiedet hat.
Für den Verband der Kunststoffverpackungshersteller IK endet damit ein jahrelanger Zick-Zack-Kurs der Umweltpolitik mit einem unrühmlichen Ergebnis. Man hatte sich für eine faktenbasierte und unvoreingenommene – sprich materialunabhängige Bewertung eingesetzt. Das Plastiktütenverbot ist in der eigentlich mittlerweile sehr konstruktiven Diskussion über Kunststoff ein Relikt aus vergangenen Plastik-Bashing-Zeiten und ein Beispiel dafür, dass nicht alles, was grün klingt, auch wirklich dem Umwelt- oder Klimaschutz dient. IK-Hauptgeschäftsführer Dr. Martin Engelmann erklärt im Interview die Hintergründe.
Lassen Sie uns mit einer Einordnung beginnen? Wie viele Plastiktüten werden in Deutschland verbraucht und wie wichtig ist der Markt für deutsche Hersteller?
Belastbare Zahlen liegen uns nur für das Jahr 2018 vor. Danach wurden in Deutschland pro-Kopf nur noch 20 leichte Kunststofftragetaschen genutzt. Im Vergleich: 2015 waren es im Durchschnitt noch 58 Tragetaschen. In der Zwischenzeit ist der Verbrauch weiter gesunken. Der Rückgang insgesamt ist ein Erfolg der freiwilligen Reduktionsmaßnahmen des Handels. Auch wenn der Markt für solche Tüten insgesamt eher gering ist: Die Aufkündigung dieser freiwilligen Maßnahme durch die Umweltministerin hat das Vertrauen der Wirtschaft in die Akzeptanz von freiwilligen Maßnahmen stark erschüttert.
Sie bezeichnen das Plastiktütenverbot als Symbolpolitik oder Aktionismus. Warum?
Wenn wir von Symbolpolitik sprechen, meinen wir: Es sieht gut aus, ist in der Sache aber schlecht. Vor allem schlecht für die Umwelt. Tatsächlich ist die Kunststofftragetasche in ihren Umweltauswirkungen viel besser als ihr Ruf und viel besser als z.B. Einweg-Taschen aus Papier, vor allem, wenn sie mehrfach verwendet wird. Leider wird der stark gestiegene Verbrauch von Einweg-Papiertüten von der Bundesregierung noch nicht einmal statistisch erfasst.
Was sind Ihre wesentlichen Kritikpunkte an dem Verbot?
Zunächst einmal gibt es keine Notwendigkeit für das Verbot: Die konkreten EU-Zielvorgaben von maximal 40 Taschen bis Ende 2025 werden in Deutschland seit langem übererfüllt. Hier gilt der Satz: Wenn es keine Notwendigkeit für ein Verbot gibt, gibt es eine Notwendigkeit für kein Verbot. Das Verbot kann auch nicht damit begründet werden, das achtlose Wegwerfen, also das Littering, solcher Tüten zu vermeiden. Denn anders als in Entwicklungs- und Schwellenländern gibt es in Deutschland ein gut funktionierendes Abfallwirtschaftssystem. Auch gibt es keinen einzigen Hinweis darauf, dass Tüten aus Kunststoff stärker gelittert werden als andere Verpackungen. Schließlich erfasst das Verbot – quasi als „Kollateralschaden“ – auch besonders nachhaltige Tragetaschen aus recyceltem Kunststoff mit dem Umweltzeichen „Blauer Engel“. Ein solches Verbot ist nicht nur unverhältnismäßig, es steht auch im Widerspruch zu dem Ziel der Förderung des Rezyklateinsatzes.
Was schlagen Sie alternativ vor? Wo sollte die Politik anpacken, um das Thema Abfall oder Littering in den Griff zu bekommen?
Die Politik hat in den vergangenen Jahren bereits eine Vielzahl unterschiedlicher Maßnahmen auf den Weg gebracht. Das beste Beispiel ist vielleicht das deutsche Verpackungsgesetz, das dazu geführt hat, dass schon im ersten Jahr die Menge an recycelten Kunststoffverpackungen um 50% gestiegen sind. Natürlich ist nicht alles perfekt. Deshalb setzen wir uns zum Beispiel dafür ein, stärkere finanzielle Anreize für gut recycelbare Verpackungen und Verpackungen mit einem hohen Rezyklatanteil zu schaffen. Wenn solche Anreizsysteme europaweit einheitlich gelten würden, wäre dies ein echter Innovationsmotor für eine Kreislaufwirtschaft für Kunststoffverpackungen. Beim Littering muss das Verursacherprinzip gelten, dass heißt z.B. höhere Bußgelder für diejenigen, die ihren Müll achtlos wegschmeißen.
Was meinen Sie: Sind in Zukunft weitere Verbote zu erwarten?
Das Verbot der Tragetasche aus Kunststoff ist als erster Schritt angekündigt worden. Und tatsächlich hat die EU bereits weitere Verbote von Kunststoffprodukten beschlossen, die ab Juli 2021 auch in Deutschland gelten. Meine Sorge ist, dass manche in der Politik in solchen Produktverboten eine vermeintlich einfache Lösung für das globale Problem der Meeresverschmutzung sehen. Damit wird jedoch nur abgelenkt von den wirklichen Lösungen vor Ort, insbesondere in Asien und Nordafrika, die immer nur in dem Aufbau einer funktionierenden Abfallwirtschaft bestehen können.