„Kunststoffe haben ultimativ
die beste Recyclingfähigkeit“
die beste Recyclingfähigkeit“
Im Dialog mit Alfred Stern, Vorstandsvorsitzender von Borealis
Ein Interview des Newsroom.Kunststoffverpackungen aus der Reihe “Im Dialog” über die Herausforderungen, die dem Werkstoff Kunststoff gegenüberstehen, wie eine bessere Kreislaufwirtschaft gelingen kann und warum lokale Lösungsansätze so wichtig sind. Unser Gesprächspartner Alfred Stern ist Vorstandsvorsitzender von Borealis.
Wie würden Sie Ihr Unternehmen und die Produkte Ihres Unternehmens in wenigen Worten beschreiben?
„Value Creation through Innovation“ – dieses Bekenntnis ist bei uns tief im Unternehmen verankert und stellt sicher, dass Borealis als global agierender Chemie- und Kunststoffkonzern Lösungen liefert, die einen nachhaltigen Mehrwert für die Gesellschaft bieten.
Wir nutzen unsere Expertise und unsere Erfahrung, um Materiallösungen für Schlüsselindustrien zu liefern. In unserem zweiten Geschäftsbereich, der Produktion von Basischemikalien und Pflanzennährstoffen, zählt Borealis ebenfalls zu den führenden Unternehmen in Europa.
Mit Stolz kann ich sagen, dass wir mit unserem Engagement für die Kreislaufwirtschaft und bei der Entwicklung innovativer Produkte echte Pionierarbeit leisten.
Kunststoffe und die Branche dahinter stehen seit einiger Zeit besonders in der Kritik, worauf führen Sie das zurück?
Die einzigartigen Eigenschaften von Kunststoffen sind ein Schlüsselfaktor für ihren weltweiten Erfolg. Ihre Formbarkeit und Vielseitigkeit ermöglichen die Herstellung von Produkten, die das tägliche Leben sicherer, effizienter, einfacher, aber auch nachhaltiger machen.
Die aktuelle COVID-19-Krise zeigt, wie wichtig unsere Produkte tatsächlich sind – nicht zuletzt für unsere Gesundheit und Sicherheit. Daher sehen wir die Krise auch als Chance, den Sektor zu stärken und die Kreislaufwirtschaft voranzutreiben. Denn die negativen Aspekte des Kunststoffes, die vor allem mit der unzureichenden, falschen oder gar nicht durchgeführten Entsorgung von Kunststoffprodukten zusammenhängen, lassen sich am besten durch einen raschen und umfassenden Wandel hin zur Kreislaufwirtschaft lösen.
Wenn nicht genügend Anstrengungen unternommen werden, um Kunststoffe wiederzugewinnen und wiederzuverwenden und damit Abfall zu minimieren und Ressourcen zu schonen, können dieselben Eigenschaften, die sie allgegenwärtig gemacht haben, nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt haben.
Wir unterstützen auf jeden Fall die kritische Begutachtung problematischer und unnötiger Kunststoffanwendungen. Denn nicht jeder Kunststoffgebrauch ist heute intelligent oder notwendig.
Bei der Eindämmung von Plastikmüll in der Umwelt stehen lokale und regionale Lösungen im Fokus, auch von Seiten der Kunststoffindustrie. Wie unterstützt Borealis hier?
Unser Weg vom reinen Hersteller von Polyolefinen hin zum Unternehmen, das Kunststoff sowohl erzeugt, als auch rezykliert, begann 2016 mit der Übernahme von mtm plastics und mtm compact in Deutschland. Und er setzte sich 2018 mit der Übernahme des Kunststoffrecyclingbetriebes Ecoplast in Wildon, Österreich, fort.
Ganz wesentlich sind unsere strategischen Partnerschaften, bei denen jeder Partner sein spezielles Know-how einbringt. Dazu zählen die Partnerschaften mit unserem Haupteigentümer OMV für das chemische Recycling und mit EREMA für das mechanische Recycling.
Erst im Jänner 2021 haben wir gemeinsam mit Tomra und Zimmermann Recycling eine Pilotanlage in Deutschland in Betrieb genommen. Mit dieser möchten wir zeigen, was mit moderner Technologie und Ausstattung in einer State-of-the-Art-Anlage für mechanisches Recycling möglich ist.
Mit EverMinds haben wir eine Plattform geschaffen, die Interessenvertreter, Kunden und Partner zusammenbringt. Sie inspiriert dazu, innovative Technologien und Produkte zu entwickeln. Im Mittelpunkt steht die Zirkularität von Kunststoffen. Wir forcieren auch unser Ziel, dass bis 2025 hundert Prozent der Verbraucherprodukte wiederverwertbar oder aus erneuerbaren Quellen hergestellt sind.
Mit Project STOP, das wir basierend auf unserer Idee und unserer Initiative 2017 ins Leben gerufen haben, engagieren wir uns darüber hinaus auch in Indonesien, einem der fünf Länder, die für über 55 Prozent der Meeresvermüllung verantwortlich sind. Project STOP unterstützt lokale Kommunen bei der Etablierung nachhaltiger und kosteneffizienter Müllsammlungs- und -wiederverwertungssysteme. Somit muss kein Abfall mehr in der Umwelt entsorgt werden.
Dabei verfolgen wir einen ganzheitlichen Ansatz. Das heißt, nicht nur Plastikmüll, sondern alle Materialien inklusive organischem Abfall werden eingesammelt und entsorgt. Gleichzeitig werden entsprechende gesetzliche Rahmenbedingungen und Finanzierungsmodelle geschaffen und der notwendige Know-how-Transfer sichergestellt.
Der Erfolg kann sich sehen lassen: Mit Stand Dezember 2020 wurden 8.123 Tonnen Abfall (davon 1.118 Tonnen Kunststoffabfall) von mehr als 133.000 Personen, die mit der Abfallsammlung befasst sind, gesammelt. Gleichzeitig konnten 168 neue Vollzeitstellen geschaffen werden. Die Einnahmen aus der Kreislaufwirtschaft sind eine wesentliche Finanzierungskomponente für das Projekt.
Welche Schritte rund um Project STOP sind als nächste geplant? Wie läuft die Zusammenarbeit mit weiteren Akteuren und Initiativen?
Wir sind derzeit in drei Städten aktiv, in denen wir Project STOP bis spätestens 2025 abgeschlossen und an die Stadtbehörde übergeben haben werden. Parallel dazu wollen wir Project STOP regional weiter ausbauen.
Was wir gelernt haben, ist, dass der ganzheitliche Ansatz große Akzeptanz und Unterstützung bei den lokalen Behörden findet und dass das Engagement sehr groß ist. Eine Herausforderung, der wir uns stellen müssen, ist das Sicherstellen der Skalierung und nachhaltigen Finanzierung des Systems für die kommenden Jahre. Dazu gehört auch, den Wert des Abfalls zu erhöhen und einen Markt für die Nutzung der recycelten Stoffe zu schaffen.
Deshalb ist es so wichtig, dass wir Hand in Hand mit unseren Partnern entlang der Kunststoff-Wertschöpfungskette agieren und mit Regierungen und Behörden zusammenarbeiten. Unsere Partner haben sich dazu verpflichtet, ihr Know-how und ihre finanzielle oder technische Unterstützung einzubringen, um den systemischen Wandel im Umgang mit Plastikabfall voranzutreiben.
Heute in zehn Jahren: Was glauben Sie, in welche Richtung sich Werkstoff und Industrie bis dahin entwickelt haben?
Der Bedarf an Kunststoffen wird im Hinblick auf die wachsende Weltbevölkerung und den steigenden Wohlstand weiter zunehmen. Und auch die Anwendungsmöglichkeiten sind noch lange nicht ausgeschöpft, was zum Beispiel den Leichtbau im Automobil- und Flugzeugbereich betrifft.
Die einzige tragfähige Zukunft für die Kunststoffindustrie ist eine, in der der gesamte Kunststoff zuerst wiederverwendet, aber letztendlich gesammelt und recycelt wird. Werden Wiederverwendung und Recycling bereits im Design- und Herstellungsprozess berücksichtigt, so wie wir das mit unserem „Design for Circularity“ tun, ist bereits ein wesentlicher Schritt in Richtung Kreislaufwirtschaft gesetzt. Wir wissen heute, dass der Bedarf unserer Gesellschaft an Ressourcen nur dadurch umweltverträglich gedeckt werden kann, indem wir die effizientesten Materialien zum Einsatz bringen – und das sind heute Kunststoffe.
Wir wissen auch, dass Kunststoffe ultimativ die beste Recyclingfähigkeit haben. Eine Kaskade aus Wiederverwendung, erneuerbaren Rohstoffen, mechanischem und chemischem Recycling hat die beste Öko-Effizienz. Dieses System müssen wir bauen und mit Innovation & Technologie optimieren. Gesetzliche und steuerliche Rahmenbedingungen können diese Entwicklung signifikant beschleunigen.
Über Borealis
Borealis mit Sitz in Wien ist einer der global führenden Anbieter fortschrittlicher und kreislauforientierter Polyolefinlösungen und europäischer Marktführer bei Basischemikalien, Pflanzennährstoffe und mechanisches Recycling von Kunststoffen. Das Unternehmen erzielte in 2020 einen Umsatz von 6,8 Mrd. Euro, beschäftigt rund 6.900 Mitarbeiter und ist in mehr als 120 Ländern aktiv.