„Wir brauchen den Konsens der Industrie,
um eine Kreislaufwirtschaft voranzutreiben.“
um eine Kreislaufwirtschaft voranzutreiben.“
Im Dialog mit Dr. Thorsten Leopold, Director Global Packaging Innovation Home Care, Henkel
Nachhaltigkeit ist Teil der Unternehmenskultur von Henkel und eine zentrale Säule der Unternehmensstrategie. Im Bereich nachhaltige Verpackungen verfolgt Henkel klare Ziele und setzt sich aktiv für die Kreislaufwirtschaft ein. Wir wollten mehr erfahren und trafen Dr. Thorsten Leopold, Director Global Packaging Innovation Home Care, zu einem virtuellen Interview.
Herr Dr. Leopold, vor welchen Herausforderungen stehen Konsumgüterhersteller wie Henkel bei nachhaltigen Verpackungen?
Für uns als globaler Konsumgüterhersteller ist vor allem die Verfügbarkeit von qualitativ hochwertigem Rezyklat eine Herausforderung – und zwar nicht nur in Deutschland oder Europa, sondern weltweit. Denn wir agieren und produzieren global und in vielen Regionen gibt es keine funktionierenden Abfallsysteme, geschweige denn Recyclinginfrastruktur. Es muss daher in vielen Ländern erst einmal geklärt werden, wie überhaupt ein zuverlässiges Sammelsystem etabliert werden kann, um anschließend die Materialien auch recyceln zu können. Unser Ziel als Hersteller ist es, ausreichende hochwertige Recyclingmaterialien zu erhalten, um die Kreisläufe zu schließen. Aktuell sind die notwendigen Mengen noch nicht verfügbar.
Wie sehen Ihre Verpackungsziele für die nächsten Jahre aus?
Wir haben drei konkrete Verpackungsziele definiert, die wir bis 2025 erreichen wollen.
Erstens: 100 Prozent unserer Verpackungen sollen recycelbar oder wiederverwendbar werden. Zweitens wollen wir die Menge an neuen Kunststoffen aus fossilen Quellen in unseren Konsumgütern um 50 Prozent reduzieren.Das wollen wir dadurch erreichen, dass wir den Anteil an recyceltem Kunststoff auf mehr als 30 Prozent erhöhen, das Volumen an Kunststoffen reduzieren und zunehmend biobasierte Kunststoffe einsetzen. Auch unser drittes Ziel ist sehr ambitioniert. Wir wollen dazu beitragen, dass die Entsorgung von Plastikabfällen in die Umwelt vermieden wird. Dazu unterstützen wir Initiativen zum Einsammeln von Abfällen, wie beispielsweise die Plastic Bank.
Spannen Sie auch Ihre Kunden und Partner ein, um Ihre ehrgeizigen Ziele zu erreichen?
Ja, selbstverständlich. Nicht nur den Handel, sondern Partner entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Denn eine Kreislaufwirtschaft funktioniert nur, wenn wirklich alle Prozessbeteiligten zusammenarbeiten. Und das ist bei der Circular Economy die gesamte Industrie, begonnen vom Materialhersteller und Verarbeiter, über Kunststoffverpackungshersteller, Konsumgüterhersteller wie Henkel, bis hin zum Handel. Zudem muss auch der:die Endverbraucher:in seinen:ihren Beitrag leisten, indem er:sie sorgfältig trennt und Verpackungen richtig entsorgt. Und natürlich zählt auch die Recyclingindustrie dazu. Wir engagieren uns daher in vielen nationalen und internationalen Initiativen. Gemeinsam mit der Drogeriemarktkette dm sind wir beispielsweise Gründungsmitglied im #ForumRezyklat. International sind wir unter anderem in der New Plastics Economy-Initiative tätig.
Wir engagieren uns in mehreren Initiativen. Die New Plastics Economy ist eine der Größeren und stammt von der Ellen MacArthur Foundation. Dort kommen Interessensgruppen entlang der gesamten Wertschöpfungskette zusammen. Die Diskussionen innerhalb der Gruppe sind daher teilweise oft kontrovers, aber das tut der Debatte gut. Denn nur, wenn man alle Blickwinkel kennt, kann man sie auch in eigene Entwicklungen und Entscheidungen einbeziehen. Es ist aber wichtig, dass alle das gleiche Verständnis haben. Daher haben die Mitglieder der New Plastics Economy gemeinsame Definitionen und Zukunftsvisionen für Kunststoffverpackungen entwickelt. So stehen alle hinter demselben Ziel. Das ist eine sehr schöne Errungenschaft dieser Initiative.
Darüber hinaus sind wir in der Initiative CEFLEX aktiv. Das Kürzel steht für Circular Economy for Flexible Packaging – also für eine Kreislaufwirtschaft für flexible Verpackungen. Hier liegt der Fokus auf flexiblen, oft mehrschichtigen Verpackungen, die für die Realisierung einer Circular Economy eine besondere Herausforderung sind. Flexible Verpackungen sind gewichtsoptimiert und können so viele Rohstoffe einsparen. Gleichzeitig haben sie hochkomplexe Strukturen, die meistens aus verschiedenen Materialschichten bestehen, die zum sauberen Recycling wieder voneinander getrennt werden müssen. Diese Verpackungen in eine Circular Economy zu überführen, fordert daher die gesamte Industrie. Die CEFLEX-Initiative leistet hier einen wesentlichen Beitrag, um Definitionen und einheitliche Guidelines zu entwickeln.
Ein weiteres Beispiel ist die Alliance to End Plastic Waste – eine weltweite Initiative, die im Januar 2019 gegründet wurde. Auch hier arbeiten globale Unternehmen aus allen Bereichen der Wertschöpfungskette zusammen. Sie wollen gemeinsam dafür sorgen, dass kein Kunststoff als Müll endet. Der Fokus liegt auf Ländern, in denen keine gute Recycling-Infrastruktur existiert und Abfälle daher nicht richtig entsorgt werden. Mit konkreten Aktivitäten: In Indien läuft das Projekt Renew Ganga und in Indonesien das Projekt STOP. In Ghana möchte die Initiative mit Closing the loop lokal eine Kreislaufwirtschaft etablieren. Das sind alles sehr sinnvolle Projekte, für die wir uns gerne engagieren.
Haben Sie auch erhöhte Anforderungen an Ihre Lieferanten, die Kunststoffverpackungshersteller?
Ja, sicherlich. Wir müssen gemeinsam mit unseren Zulieferern und Partnern überlegen, wie eine optimierte Verpackung aussieht. Von ihnen erwarten wir auch proaktive Unterstützung.
Wie sehen Ihre Anforderungen konkret aus? Was gefällt Ihnen und was ist noch verbesserungswürdig?
Wir müssen zusammen an unserem übergeordneten Ziel arbeiten, nämlich eine Kreislaufwirtschaft zu etablieren. Dazu braucht es von der Verpackungsindustrie innovative Ideen und konkrete Maßnahmen. Insbesondere würde ich mir wünschen, die Recyclingfähigkeit von Verpackungen weiter zu optimieren. Das kann auch heißen, dass das eigene Business-Modell und Technologien weiterentwickelt und Abläufe optimiert werden müssen. Das Gleiche gilt für den Einsatz von Sekundärrohstoffen wie Rezyklat. Hier wünsche ich mir, dass unsere Zulieferer und Partner auch aktiv mit Ideen auf uns zukommen und diese nicht nur eingefordert werden müssen. Auch wenn sich in den vergangenen ein bis zwei Jahren einiges getan hat, sollten wir uns alle noch mehr dafür einsetzen.
Die Beharrungskräfte der Industrie sind Ihnen noch zu groß?
Das würde ich so nicht sagen. Aber es sind natürlich auch Entscheidungen gefragt. Prozessabläufe müssen geändert werden. Das geht möglicherweise mit Investitionen einher. Aber diese Entscheidungen brauchen wir jetzt – und nicht erst in zwei oder drei Jahren. Das gilt entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Das Thema ist nicht nur eine Frage von Verantwortung, sondern auch von Wettbewerbsfähigkeit.
In diesem Zusammenhang spielt auch die Politik eine große Rolle. Teilweise existiert die Meinung, dass sich die Kunststoffverpackungsindustrie zu wenig bewegt, weil die Politik keine oder falsche Vorgaben macht. Welche Erwartungen haben Sie an die Politik?
Die Politik spielt eine wesentliche Rolle. Sie muss die Rahmenbedingungen schaffen, damit eine Kreislaufwirtschaft wirklich erreicht werden kann. Das fängt mit einer hervorragenden Abfall- und Entsorgungsinfrastruktur an. Es sollten zudem Anreize für Unternehmen geschafften werden, in das Thema Recycling und nachhaltige Verpackungen zu investieren. Außerdem müssen wir viel offener gegenüber neuen Technologien sein, wie dem chemischen Recycling, denn das wird zukünftig eine sehr wertvolle Ergänzung zum mechanischen Recycling darstellen. Solche neuen Technologien müssen gefördert werden. Gleichzeitig wäre es für die Industrie deutlich einfacher, wenn nicht jedes Land in Europa unterschiedliche Regelungen hätte, sondern wenn es eine einheitliche Definition über Ländergrenzen hinweg gäbe.
Spüren Sie auch vom Handel mehr Druck hinsichtlich Nachhaltigkeit?
Das Interesse an nachhaltigen Produkten und das Bewusstsein für nachhaltige Verpackungen steigen – sowohl bei unseren Kunden als auch bei den Endverbraucher:innen. Die Entwicklung finde ich sehr gut! Denn sie deckt sich mit unseren Bemühungen und Zielen. Bei unseren Wasch- und Reinigungsprodukten sind die meisten PET-Flaschen in Europa bereits auf 100 Prozent recyceltes Material umgestellt. Rund 700 Millionen Flaschen aus recyceltem Plastik hat Henkel in den letzten Jahren in Europa auf den Markt gebracht. Und wir haben gemeinsam mit Partnern die ersten schwarzen Verpackungen entwickelt, wie unsere Perwoll-Flaschen, die aus Rezyklat bestehen und recyclingfähig sind.
Zudem haben wir mit EasyD4R ein Bewertungstool für die Industrie geschaffen. Damit lässt sich die Recyclingfähigkeit von Kunststoffverpackungen beurteilen. Ursprünglich hatten wir das Software-Tool nur für uns entwickelt und zertifizieren lassen. Nachdem uns das Fraunhofer Institut sehr positives Feedback gegeben hat, haben wir beschlossen, es öffentlich verfügbar zu machen, da es eine innovative Lösung für die gesamte Industrie darstellt. Akteure der gesamten Lieferkette, der Handel und auch Wettbewerber können es nutzen. Wir freuen uns, dass unser EasyD4R-Tool so gut ankommt.
Diese intensive Interaktion mit dem Wettbewerb und dem Handel ist ja wirklich eine sehr erstaunliche Entwicklung.
Ja, das stimmt. Aber den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft kann kein Unternehmen auf der Welt allein realisieren. Wir brauchen den Konsens der Gesamtindustrie. Nur gemeinsam lässt sich etwas erreichen und verändern.
Viele Verbraucher:innen denken, dass „plastikfrei“ die einzige Lösung sei. Wie geht Henkel damit um?
Die Nachhaltigkeit von Verpackungen ist ein sehr komplexes Thema. Für Konsument:innen ist es schwierig, alle Aspekte im Detail zu erfassen. Aber wir erhalten natürlich auch positives Feedback der Endverbraucher:innen, wenn wir nachhaltige Innovationen auf den Markt bringen. So wie die Nachfüllstationen der Marke „Love Nature“ – eine Initiative, die wir mit verschiedenen Händlern testen, unter anderem mit der Drogeriemarktkette Rossmann.
Es stimmt, dass Plastik insgesamt einen schlechten Ruf hat. Dass Kunststoffverpackungen durchaus nachhaltig sein können, wenn sie in einen Kreislauf überführt werden, ist den wenigsten bewusst. Hier ist Aufklärungsarbeit gefragt. Wir müssen komplett umdenken und Plastik endlich als Wertstoff sehen. Und natürlich müssen wir Verbraucher:innen dabei helfen, Kunststoffverpackungen richtig zu entsorgen. Zu diesem Zweck haben wir bei Henkel kleine Logos entwickelt – mittlerweile teilen wir diese auch mit unseren Handelspartnern und dem #ForumRezyklat. So finden diese Logos jetzt auch mehr und mehr Verwendung auf den Eigenmarken von Handelspartnern.
Es ist ein starkes Statement, nicht nur zu sagen, ich vermarkte das Produkt und seine Vorzüge, sondern ich setze mich auch mit der Verpackung auseinander.
Eines unserer Ziele ist ja „zero waste into nature“. Hierzu haben wir als Teil unserer Verpackungsstrategie definiert, dass wir jedes Jahr mehr als zwei Milliarden Verbraucherkontakte mit gezielten Informationen zum Recycling erreichen möchten. Damit können wir dazu beitragen, nachhaltigere Kaufentscheidungen zu treffen und Verpackungen richtig zu entsorgen – was letztendlich das Recycling von Kunststoffen fördert.
Ein schönes Beispiel ist hier auch unsere Partnerschaft mit dem Sozialunternehmen Plastic Bank. Das Unternehmen hat sich dem Kampf gegen Plastik in den Weltmeeren verschrieben und will gleichzeitig Chancen für Menschen in Armut schaffen. Die Idee ist, dass die lokale Bevölkerung gesammelten Plastikabfall gegen Geld, Waren und Dienstleistungen eintauschen kann. Das gesammelte Plastik wird dann recycelt und als sogenanntes Social Plastic® für die Herstellung neuer Produkte und Verpackungen verwendet. 2017 sind wir als erster globaler Konsumgüterhersteller eine Kooperation mit Plastic Bank eingegangen. Zunächst haben wir fünf Sammelcenter in Haiti aufgebaut. 2019 haben wir die Partnerschaft dann noch einmal deutlich verlängert und ausgeweitet. Aktuell errichten wir in Ägypten erste Sammelcenter. Bis 2023 wollen wir eine jährliche Kapazität für 5000 Tonnen Plastik erreichen. Henkel setzt Social Plastic® auch bei seinen eigenen Marken mehr und mehr ein. Zum Beispiel bestehen alle PET-Flaschenkörper unserer ProNature Reinigungsprodukte zu 50% aus Social Plastic®.
Engagieren sich dabei auch lokale Verpackungshersteller?
Das ist unser Ziel. Aktuell müssen wir zunächst die Sammelstruktur aufbauen, bevor sich dann eine Recyclinginfrastruktur bilden kann. Wir suchen aber bereits nach Partnerschaften, um eine solche Infrastruktur weiter zu fördern. Das wäre auch ein Wunsch an die Verpackungsindustrie. Die Erfolge, die wir beim PET-Recycling in Europa sehen, wollen wir auch in den anderen Regionen erreichen – vor allem im Nahen Osten und in Afrika. Hierfür brauchen wir auch Initiativen wie Plastic Bank. Es wäre fantastisch, wenn sich noch mehr Unternehmen engagieren würden. Das ist eine tolle Chance für die kunststoffverarbeitende Industrie.
Vielen Dank für das interessante Gespräch Herr Dr. Leopold.
Über Dr. Thorsten Leopold
Thorsten Leopold ist promovierter Maschinenbauingenieur der RWTH Aachen und seit über 6 Jahren im Bereich Verpackungsinnovationen für Henkel tätig. Zu seinen Schwerpunkten zählen nachhaltige Verpackungslösungen im Unternehmensbereich Wasch- und Reinigungsmittel. Der gebürtige Niedersachse lebt mit seiner Familie in Düsseldorf.
Über Henkel
Henkel verfügt weltweit über ein ausgewogenes und diversifiziertes Portfolio. Mit starken Marken, Innovationen und Technologien hält das Unternehmen mit seinen drei Unternehmensbereichen führende Marktpositionen – sowohl im Industrie- als auch im Konsumentengeschäft: So ist Henkel Adhesive Technologies globaler Marktführer im Klebstoffbereich. Auch mit den Unternehmensbereichen Laundry & Home Care und Beauty Care ist das Unternehmen in vielen Märkten und Kategorien führend.
Henkel wurde 1876 gegründet und blickt auf eine über 140-jährige Erfolgsgeschichte zurück. Im Geschäftsjahr 2020 erzielte Henkel einen Umsatz von über 19 Mrd. Euro und ein bereinigtes betriebliches Ergebnis von rund 2,6 Mrd. Euro. Henkel beschäftigt weltweit mehr als 53.000 Mitarbeiter, die ein vielfältiges Team bilden – verbunden durch eine starke Unternehmenskultur, einen gemeinsamen Unternehmenszweck und gemeinsame Werte. Die führende Rolle von Henkel im Bereich Nachhaltigkeit wird durch viele internationale Indizes und Rankings bestätigt. Die Vorzugsaktien von Henkel sind im DAX notiert. Weitere Informationen finden Sie unter www.henkel.de.