Vier Fragen an Dr. Lorena Fricke, Managing Director der Initiative: Das ist der zweite Teil unseres Beitrags zum Einsatz moderner Kunststoffe in der Landwirtschaft.
Wie ist die bisherige Bilanz von ERDE? Welche Erfolge konnten schon für eine nachhaltige Umwelt erzielt werden?
Die IK-Initiative ERDE ist das bundesweite Rücknahme- und Verwertungssystem für Erntekunststoffe in Deutschland, das aktiv zu einer nachhaltigen Landwirtschaft beiträgt. Die im Jahr 2013 durch sechs IK-Mitglieder des „IK Arbeitskreis Landwirtschaftsfolien“ gegründete Initiative hat heute 25 Mitglieder in sieben Sammelfraktionen.
Im Jahr 2019 ist die Initiative ERDE gemeinsam mit weiteren landwirtschaftlichen Verbänden mit einer deutschlandweit einzigartigen freiwilligen Selbstverpflichtung an das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) herangetreten.
Wir haben uns darin verpflichtet, im Jahr 2020 über 50 Prozent der auf den Markt gebrachten Silo- und Stretchfolien zu recyceln, bis 2023 sogar über 65 Prozent.
Im Jahr 2020 konnten an mehr als 500 Sammelstellen und knapp 2.000 mobilen Sammlungen insgesamt 26.910 Tonnen Agrarfolie gesammelt und vollständig der werkstofflichen Verwertung zugeführt werden. Dies entspricht einem Marktanteil von knapp 51 Prozent! Damit erfüllen wir den ersten Teil der freiwilligen Selbstverpflichtung.
Dazu konnten zum ersten Mal deutschlandweit 488 Tonnen Rundballennetze eingesammelt und verwertet werden. Auch das Sammeln von Spargelfolie startete erfolgreich in einem ersten Pilotprojekt, in dem 613 Tonnen Folie gesammelt und recycelt wurden.
Dadurch konnten insgesamt 30.312 Tonnen CO2 eingespart werden. Das entspricht den Emissionen von rund 15.000 Autos pro Jahr.
Und seit 2021 sind auch Lochfolien, Pressengarne und Vliese fester Teil des ERDE-Sammelsystems.
Zudem konnten wir das Erfolgskonzept ERDE erfolgreich weitergeben: Im Juli 2021 wurde in enger Kooperation mit ERDE Deutschland und in Zusammenarbeit mit der RIGK GmbH der Verband ERDE Schweiz gegründet. Dieser sorgt in Zukunft für ein Recycling von gebrauchten Agrarkunststoffen in der Schweiz.
Und wo hakt es?
Bisher werden 100 Prozent der gesammelten Agrarfolien in der EU recycelt – in etwa 55 Prozent davon in Deutschland. Einzelne Recyclingunternehmen sind oft stark auf bestimmte Materialien und Produktgruppen fokussiert und nutzen so Skaleneffekte.
Gebrauchte Agrarkunststoffe sind besonders durch Anhaftung von Mineralik wie Erde, Sand oder Stroh betroffen. Diese können jedoch in speziellen Recyclingprozessen meist gut von den Kunststoffen gelöst bzw. abgewaschen werden. Das geschieht in spezialisierten Recyclingunternehmen. Wir sind so auch auf die spezifischen Recyclingkapazitäten von Recyclingunternehmen im EU-Ausland angewiesen.
Besorgt beobachten wir die Umsetzung des “Basel Amendments” in der EU. Die bisher berücksichtigte Verschmutzungsgrenze für 2 bis 8 Prozent für den Export von Kunststoffabfällen innerhalb der EU wird im Bereich der Agrarfolien nicht einzuhalten sein und könnte dadurch die etablierten Rücknahme- und Verwertungspfade des Systems in der EU gefährden.
Was sind die nächsten Pläne der Initiative ERDE?
Ganz konkret werden wir unser System im Laufe des nächsten Jahres um Mulchfolien ergänzen. Auch das ist ein Teil unserer freiwilligen Selbstverpflichtung, die vorsieht, neben Silo- und Stretchfolien auch Pressengarne, Rundballennetze, Spargelfolie und Mulchfolie zu integrieren.
Wir werden uns außerdem intensiv mit dem Thema Fischernetze befassen – wir sehen hier mögliche Synergie mit der Sammlung von Rundballennetzen und Pressengarnen.
ERDE ist ursprünglich eine Initiative der Hersteller der Agrarkunststoffe. Sie basiert auf der freiwilligen erweiterten Herstellerverantwortung. Wir bemühen uns mehr und mehr auch den Landhandel in seinen verschiedenen Handelsstufen in das System miteinzubeziehen.
Für den Teil des Landhandels, der direkt an Landwirte verkauft geschieht das schon seit Jahren – in Form von der Bereitstellung von ERDE Sammelstellen, die zu über 70 Prozent beim privaten und kooperativen Landhandel zu finden sind. Diese stellen mittlerweile eine Art Serviceleistung des Handels dar.
Wir wollen in der nächsten Zukunft daran arbeiten, dass das eine Unterstützung und Zusammenarbeit mit dem Rücknahmesystem ERDE auch von den Landhandelsstufen ohne Möglichkeit eine Sammelstelle zu betreiben als Gewinn wahrgenommen wird.
Denn nur wenn wir es schaffen über alle Stufen der Wertschöpfung zusammen zu arbeiten können wir unsere Sammelerfolge noch deutlich ausweiten.
Im September 2021 wurde der Gesellschaftliche Beirat der Initiative ERDE gegründet. Dieser setzt sich aus Vertreter:innen der Bundesministerien für Umwelt und für Landwirtschaft sowie den jeweiligen Landesministerien aus Hessen und Brandenburg, dem NABU, den großen Landwirtschaftlichen Verbänden, und der Forschung zusammen.
Dieses Gremium verdeutlicht nochmal eindrücklich die gesellschaftliche Notwenigkeit eines Systems wie ERDE. Mit Hilfe dieses engagierten und kompetenten Kreises wollen wir unsere Anstrengungen im Bereich Kommunikation, Forschung und Recycling weiter ausbauen.
Welche Wünsche haben Sie an den neuen Landwirtschaftsminister Cem Özdemir?
Ich wünsche mir zum einen, dass der Einsatz von Kunststoffen in der Landwirtschaft für die Futtermittelproduktion sowie den Obst- und Gemüseanbau als wichtiger Baustein der Agrarwirtschaft weiter anerkannt wird.
Agrarkunststoffe für Silage erhöhen die Futterqualität für Tiere, minimieren Verluste durch zum Beispiel Schimmel und vereinfachen die Lagerung. Ernteverfrühungsfolien, wie sie zum Beispiel im Erdbeer- und Spargelanbau verwendet, minimieren den Wasserverlust, senken den Einsatz von Pestiziden und sorgen so für eine frühere lokale Bereitstellung von frischen Nahrungsmitteln.
Agrarkunststoffe leisten dabei einen wichtigen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft: Seit Jahren arbeiten Hersteller an einer möglichst ressourceneffizienten Produktion, Recyclingfähigkeit und einem hohen Einsatz von Recyclingmaterial.
Die Landwirtschaft ist in dem Bereich Vorreiter mit einem Rezyklatanteil von über 36,5 Prozent in der Produktion.
Zum anderen wünsche ich mir Anerkennung für die engagierten Mitglieder der Initiative ERDE, die seit Jahren selbstverständlich die Verantwortung für den Verbleib Ihrer Produkte nach der Nutzungsphase übernehmen – und das ohne gesetzliche Vorgaben.
Mit der Schaffung eines Rücknahmesystems leisten wir als Industrie einen wichtigen Beitrag für Kreislaufwirtschaft und Klimaschutz sowie zur Verminderung von Kunststoffeinträgen in Böden. Wir haben einiges an Know-how zu vermitteln – wenn man mit uns ins Gespräch kommt.
Ich wünsche mir Unterstützung durch die Politik, dass wir diesen Weg weiter gemeinsam mit den Landwirten, dem Handel, den Lohnunternehmern, den Maschinenringen und allen Beteiligten gehen können.