Der Schlüssel liegt in der Kreislaufwirtschaft.

Der Schlüssel liegt in der Kreislaufwirtschaft.“

Im Dialog mit Philipp Lehner, Chief Executive Officer des international tätigen Verpackungsspezialisten ALPLA Group.

Die ALPLA Group produziert innovative Verpackungssysteme, Flaschen, Verschlüsse und Spritzgussteile für verschiedenste Wirtschaftszweige. Dabei setzt das familiengeführte Unternehmen mit Hauptsitz am österreichischen Ufer des Bodensees auf Nachhaltigkeit und einen klimafreundlichen Umgang mit den Ressourcen. Wie ALPLA mit den aktuellen Herausforderungen umgeht und welche Ziele das Unternehmen in punkto Kreislaufwirtschaft verfolgt, hat uns Philipp Lehner, CEO bei ALPLA, im Interview erzählt.

Digitalisierung, Kreislaufwirtschaft und Recycling beschäftigen die Kunststoffbranche sehr stark. Zudem ist dieses Jahr geprägt von Lieferengpässen, Rohstoffmangel und der Energiepreisexplosion. Wie geht ALPLA damit um?

Wir sind in rund 50 Ländern global aktiv. Die größten Tumulte am Markt verzeichnen wir in Europa. In den anderen Ländern nehmen wir erste Anzeichen von Nachfrageveränderungen wahr. Obwohl wir bereits frühzeitig Absicherungen getätigt haben, wird uns dieses Thema langfristig beschäftigten, so dass unsere Absicherungen auslaufen werden. Daher ist es notwendig, mit Kunden frühzeitig in Kontakt zu treten und einvernehmliche Lösungen zu erzielen.

Wir müssen als Industrie gemeinsam bei Kunden für Verständnis werben, dass die Mehrkosten, die unweigerlich entstehen, weitergereicht und akzeptiert werden. Ansonsten werden kurzfristig Firmen wegbrechen. Sicherlich werden wir auch die eine oder andere Maßnahme ergreifen müssen, die bei unseren Kunden nicht populär ist, aber für uns überlebenswichtig.

Gleichzeitig wird das Thema Nachhaltigkeit immer wichtiger. Verbraucher:innen legen zunehmend Wert darauf, dass Verpackungen recyclingfähig sind und Rezyklate zum Einsatz kommen. Wie groß sind die Herausforderungen, Rezyklate in ausreichenden Mengen zu erhalten?

Als wichtiger Teil unserer Nachhaltigkeitsagenda sind wir seit fast 20 Jahren im Bereich Recycling tätig. Wir haben in Lateinamerika mit Rezyklaten angefangen und seit etwas mehr als zehn Jahren in Europa. Seitdem beschäftigen wir uns mit dem Thema. Und vor fünf Jahren haben wir die Entscheidung getroffen, diesen Geschäftszweig strategisch auszubauen.

Wir investieren jedes Jahr in Kapazitätserweiterungen und die Technologieentwicklung. Denn das ist ein essenzieller Teil unseres Geschäfts. Auf lange Sicht sind natürlich noch viele Themen zu bearbeiten. Die gesamte Lieferkette muss sich mit verändern. Das fängt bei unseren Kunden an. Deshalb beraten wir sie seit einigen Jahren sehr intensiv, um ihnen die technischen und ästhetischen Möglichkeiten aufzuzeigen. Wir erläutern, wie sich eine maximale Nachhaltigkeit erzielen lässt – dabei dürfen die Kosten nicht ausufern.

Darüber hinaus betreiben wir intensives Marketing. Inzwischen tragen diese Aufwände ihre Früchte. Allerdings fehlt es noch an dem Verständnis, wie Dinge ineinandergreifen. Daran müssen wir weiter arbeiten.

ALPLA hat sich zum Ziel gesetzt, der nachhaltigste Verpackungshersteller zu werden. Wie wollen Sie dieses Ziel erreichen?

Recyclingmaterial Flakes ALPLA - sind wichtiger Teil der Kreislaufwirtschaft

© ALPLA

Wir fokussieren uns auf die Verwirklichung der vier R´s: Reduce, Reuse, Recycling und Replace. Es gibt bereits eine Reihe von Konzepten und wir haben ein paar Kommerzialisierungen gestartet für wiederverwendbare Mehrweg-Container. Zudem arbeiten wir daran, uns im Bereich alternative Materialien aufzuschlauen und die Potenziale auszuschöpfen – ob das im Faserbereich ist, in Bio-Kunststoffen oder im Recycling.

Wir bleiben aber dabei: „Plastic is fantastic“. Denn schlussendlich müssen wir Konsumgüter sicher, leistbar und nachhaltig produzieren und verpacken – alle drei Dinge müssen erfüllt werden. Und das kann Kunststoff am besten.

Unter dem Slogan „Plastic is fantastic“ informieren Sie auch auf TikTok über Kunststoffmythen und Fakten. Was hat Sie zu dieser Kampagne bewegt?

Mit unserer Informationsinitiative „Plastic is fantastic“ haben wir uns im Sinne der Nachhaltigkeit zwei Ziele gesetzt: Reale Lösungen entwickeln und mehr Kommunikation betreiben.

Wir wollen ein Zeichen setzen und den Konsumenten eine zusätzliche Sichtweise auf die Dinge liefern. In den Medien wird meist sehr einseitig über Plastik gesprochen und die Kunststoffindustrie ist viel zu schlecht vertreten. So entstehen falsche Bilder in den Köpfen der Menschen. Wir wollen, dass die Diskussion ganzheitlicher geführt wird. Das ist sehr wichtig für uns Kunststoffler.

Philipp Lehner On TikTok (004)Die TikTok-Videos sind Teil dieser Kampagne – insbesondere, um jüngere Konsument:innen anzusprechen. Letztendlich wollen wir ein besseres Bild für die Kunststoffindustrie schaffen und damit auch einen besseren Outcome für uns alle. Außerdem möchten wir gerne auch andere Kunststoffler anregen, ihren Beitrag zu leisten. Denn man kann nicht oft genug auf die faktischen Vorteile von Kunststoff hinweisen.

Sie machen einiges, um Kunststoffe möglichst lang im Kreislauf zu führen. Gleichzeitig arbeiten Sie auch an bioabbaubaren Lösungen. Wie weit sind diese Entwicklungen?

Bioabbaubare Kunststoffe hätte jeder gern und zwar solche, die direkt nach ihrem Gebrauch wieder in Partikel zerfallen. Bislang ist die Technologie jedoch noch nicht so weit. Bioabbaubare Kunststoffe sind fünf bis sechsmal teurer, der Kostenfaktor ist also ein wesentlicher Aspekt. Hinzu kommt die Verfügbarkeit und letztendlich lassen sich Lösungen im Hinblick auf die Funktionalität nur schwer umsetzen.

Denn wenn etwas zu früh zerfällt, birgt das natürlich auch ein großes Risiko für die Markeneigner. Stellen Sie sich vor, die Verpackung zerfällt, wenn der Verbraucher ein Produkt aus dem Regal nimmt. Dann ist es nicht mehr nutzbar. Dieses Risiko ist derzeit noch niemand bereit zu tragen.

Sind bioabbaubare Kunststoffe ein Schlüssel für Länder, in denen keine Recyclingkultur oder Infrastruktur wie hier in Mitteleuropa existiert?

In absehbarer Zeit sicherlich nicht. Das liegt insbesondere an dem hohen Kostenfaktor. Ich kann mir eher vorstellen, dass in der nächsten Dekade Applikationen in hochpreisigen Premiummärkten wie Europa oder Nordamerika nachgefragt werden. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

ALPLA PET-Flaschen Produktion - Best Case der Kreislaufwirtschaft

© ALPLA

Meines Erachtens liegt der Schlüssel vielmehr in der Kreislaufwirtschaft. Wir müssen systemische Verpackungen entwickeln, die sich leicht im Kreislauf verankern, das heißt Stoffe, die leicht recyclebar sind. Zudem brauchen wir funktionierende Systeme für die Sammlung. Das funktioniert nur, wenn wiederverwertbaren Werkstoffen ein Wert beigemessen wird. Dann findet sich auch jemand, der Interesse hat, den Marktpreis für die Sammlung zu bezahlen.

ALPLA steht aktuell kurz vor einem Investment auf dem afrikanischen Kontinent. Wir wollen dort eine Recycling-Anlage aufstellen und sprechen im gleichen Zug bereits über ein Sammelsystem, das wir mitentwickeln werden. Denn nur so lassen sich am Markt stabile Geschäftsbeziehungen etablieren und jeder hat ein Interesse, dass Kreislauf gelebt wird, dass Verpackungen eingesammelt, verwertet und preiswert in neue Verpackungen eingearbeitet werden.

Sie sind auf vier Kontinenten weltweit unterwegs. Welche Unterschiede nehmen Sie im Bereich Kunststoff und Kreislaufwirtschaft wahr?

Insgesamt habe ich das Gefühl, dass der Standard mehr ein globaler wird. Ich schaue mir immer gerne Qualitätsreports an. Darin sieht man gut, wie das Fundament der eigenen Firma funktioniert. Der Anspruch wird speziell mit den globalen Kunden gelegt, aber auch die lokalen Kunden stehen wenig nach.

Wir sehen, dass das Interesse an Nachhaltigkeit in der Theorie überall das gleiche ist. Im Tun fällt es aber markant ab – wegen der Preisdifferenz, der Verfügbarkeit und den Regulatorien.

Ein markanter Unterschied auf den Kontinenten sind die Größen der Gebinde in den Applikationen, sie werden vom Westen Amerikas bis nach China immer kleiner. Sprich, wenn in Amerika der Standard eines Gebindes ein Liter ist, liegt er in Europa bei 700 Millilitern und in China sind es nur noch 300 Milliliter.

In der gesamten Supply Chain spielen auch die Produkthersteller und die Handelsketten eine große Rolle, die das Thema Nachhaltigkeit für sich entdeckt haben. Ist das Geschäft schwieriger geworden?

Die größte Herausforderung liegt derzeit in den Mehrkosten, welche die produzierende Industrie weitergeben wird. Das Thema treibt alle umher. Hier gibt der Handel aufgrund seiner starken Marktmacht den Takt vor. Aber ob es dem System wirklich hilft, wenn die realen Kosten nicht akzeptiert werden, da bin ich mir nicht so sicher. Wir werden sehen, ob das alle aushalten. Der Handel will Nachhaltigkeit. Die großen globalen Brands wollen sie noch mehr und treiben das Thema voran – auch auf der Kostenseite. Aber eines ist sicher: Kunststoff ist immer nachhaltig, wenn wir uns die CO2-Bilanz ansehen.

Welchen Beitrag kann die Politik insgesamt leisten? Von der EU-Kunststoffabgabe sind Sie ja bekanntlich kein Freund.

Ja, die EU-Kunststoffabgabe sehe ich kritisch. Denn eine solche Steuer ist nicht zweckgebunden. Damit werden andere Löcher gestopft, das finde ich nicht in Ordnung. Um das System zu verbessern, muss Geld gesammelt und gezielt eingesetzt werden.

ALPLA - recyceltes HDPE (rHDPE) verursacht im Vergleich zu Neuware bis zu 88 Prozent weniger CO2-Äquivalent. Ein weiteres Argument für den Ausbau und die Optimierung der Kreislaufwirtschaft.

© ALPLA

Die Mindestanforderung des Post-Consumer-Recycling-Anteils ist in Ordnung, solange sich alle darüber im Klaren sind, dass das mit Mehrkosten verbunden ist. Wenn man gewillt ist, diese in Kauf zu nehmen, kann sich das System darauf einrichten. Hinzu kommt ein mehr oder minder stabiles Umfeld – mit dem können wir leben. Wir können aber nicht damit leben, dass Verpackungsmaterialien unterschiedlich behandelt werden. Wenn man die CO2-Bilanz optimieren will, muss man mehr Eco-Modulation vorantreiben – und Energieaufwände, Transport etc. berücksichtigen, um deren Impact zu evaluieren. Hier sind die Prozesse sehr aufwändig und es fehlt eine klare Haltung der Politik. Fakt ist: Wenn wir vom Kunststoff weggehen, wird die Energie- und CO2-Bilanz um einiges schlechter. Hinzu kommt, dass Kunststoff in vielen Bereichen nicht mehr wegzudenken ist, beispielsweise in der Medizin oder in unseren Haushaltsgeräten, die wir tagtäglich nutzen und ohne die das Leben einiges an Qualität verlieren würden. Da muss man einfach schauen, welcher Effekt mit den Policies erzielt wird.

Im Moment sind wir da leider etwas populistisch unterwegs. Außerdem hoffe ich, dass die Politik unser Energieproblem lösen wird, denn hier ist die Industrie in eine sehr unvorteilhafte Situation manövriert worden.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Lehner.

Über Philipp Lehner

Philipp Lehner (38) ist Chief Executive Officer (CEO) des international tätigen Verpackungsspezialisten ALPLA Group. Zuvor verantwortete er als CFO von Januar 2019 bis Dezember 2021 die Bereiche Finanzen, Informationstechnologie, Digitalisierung und Human Resources. Nach Anstellungen in der Finanz- und Beratungsbranche sowie dem MBA-Abschluss an der Harvard Business School ist Philipp Lehner seit Juni 2014 im Familienunternehmen. Dort absolvierte er zunächst für sechs Monate ein Plant-Trainee-Programm in Lübeck, danach wechselte er für 18 Monate als Plant Manager zu ALPLA Iowa in die USA. Im Anschluss übernahm er als Regional Manager für zweieinhalb Jahre die Verantwortung für die Geschäfte in den USA, bevor er Ende 2018 nach Hard am Bodensee zurückkehrte.

ALPLA Philipp Lehner

Über ALPLA

ALPLA gehört zu den führenden Unternehmen für Kunststoffverpackungen und Recycling. Rund 22.100 Mitarbeiter:innen produzieren weltweit an 177 Standorten in 45 Ländern maßgeschneiderte Verpackungssysteme, Flaschen, Verschlüsse und Spritzgussteile. Die Anwendungsbereiche der Qualitätsverpackungen sind vielfältig: Nahrungsmittel und Getränke, Kosmetik und Pflegeprodukte, Haushaltsreiniger, Wasch- und Putzmittel, Arzneimittel, Motoröl und Schmiermittel. ALPLA betreibt Recyclinganlagen für PET und HDPE in Österreich, Deutschland, Polen, Mexiko, Italien, Spanien, Rumänien und Thailand. Weitere Projekte befinden sich international in der Umsetzung.

ALPLA

Im Dialog – Unser Magazin zur Interviewreihe um Kunststoff, Recycling, Klima- und Umweltschutz.