Interview mit Dr. Thomas Gröner, Direktor & Inhaber TG PACK SOLUTIONS

Dr. Thomas Gröner gründete das Beratungsunternehmen TG PACK SOLUTION, dass sich mit der Wertschöpfungskette von Verpackungen beschäftigt. Dr. Thomas Gröner blickt auf mehr als 30 Jahre Erfahrung entlang der Wertschöpfungskette von Verpackungen zurück, zuletzt war er als Direktor R&D and Sustainability bei der RKW Group tätig, weitere Stationen in seiner Karriere waren Mondi Consumer Goods Packaging, Nestlé oder Pepsico. Das Thema Verpackung kennt er also aus jeder Perspektive. Vor drei Jahren hat er sein eigenes Beratungsunternehmen für nachhaltige Verpackungslösungen gegründet. Im Interview teilt er seine Sicht auf Nachhaltigkeit, spricht über das Problem der Lebensmittelverschwendung und zeigt auf, dass manche politische Vorgaben widersprüchlich statt zielführend gestaltet sind.

Herr Dr. Gröner, Sie verfügen über umfangreiches Wissen und Erfahrung zu nachhaltigen Verpackungen. Heute sind Sie mit TG PACK SOLUTIONS als selbstständiger Berater tätig. Inwiefern hat sich die Art und Weise verändert, wie Sie heute Ihren Beitrag zu moderner und nachhaltiger Verpackung leisten?

Ich bin seit gut drei Jahren erfolgreich selbstständig und berate Unternehmen sowie Startups entlang der Verpackungswertschöpfungskette im Bereich Nachhaltigkeit, Innovation und Business Development. Dazu zählen sowohl Verpackungshersteller als auch abpackende Unternehmen in Europa und Nordamerika. Mein Ansatz lässt sich mit drei Worten zusammenfassen: ganzheitlich, offen und faktenorientiert. Ganzheitlich, weil ich aus der Perspektive von Materialherstellern, Verpackungsproduzenten und verpackender Industrie berate ebenso wie mit dem Blick der Entsorger sowie der Konsumentinnen und Konsumenten. Offen deswegen, da ich gänzlich frei in der Wahl von Materialien, Partnern und Anbietern agiere. Faktenorientiert insofern, als dass ich als unabhängiger Dritter meine Konzepte komplett unabhängig und faktenbasiert und erstelle.

Nachhaltigkeit ist ein zentrales Thema für die Kunststoff- und Verpackungsindustrie. Wo sehen Sie hier aktuell die Herausforderungen?

Das Thema Nachhaltigkeit ist ein sehr komplexes Thema. Wenn ich an einer Schraube drehe, kann es durchaus sein, dass ich Verbesserungen in einem Bereich erziele, die aber möglicherweise an anderer Stelle nachteilig sind. Es ist also bei weitem nicht alles so schwarz und weiß, wie es gerne dargestellt wird. Die andere Herausforderung ist, dass Nachhaltigkeit zwar einen Mehrwert bedeutet, aber oft auch mit Mehrkosten verbunden ist. Hier braucht es ein Verständnis dafür, dass Nachhaltigkeit Unternehmen Einsatz und Investments sowie häufig auch höhere Preise kostet. In diesem Gefüge von Komplexität und Kosten zu navigieren und das Optimum für die Gesellschaft und das Unternehmen zu finden, ist die größte Herausforderung.

Wie schätzen Sie die Rolle von Gesellschaft und Politik ein, wenn es darum geht, Nachhaltigkeit bei Verpackungen zu realisieren?

Grundsätzlich müssen wir davon ausgehen, dass sich die meisten Verbraucherinnen und Verbraucher wenige Gedanken um Verpackungen machen. Das betrifft zum einen die Funktionalität der Verpackung und zum anderen das End of Life. Stichwort Verbundverpackungen: Wenn man beim Joghurtbecher erst eine Lasche hochziehen muss, um dann die Papierbanderole abzunehmen, dann gehe ich davon aus, dass 80 Prozent der Menschen das einfach nicht tun.

Joghurtbecher gehören zu den am heißesten diskutierten Verpackungen.

Bild: getty images | Tom Grill

Deshalb ist es an uns, Lösungen zu gestalten, mit denen die Konsumentinnen und Konsumenten einfach umgehen können. Zudem sollte auf der Verpackung auch klar erkennbar sein, wie diese zu entsorgen ist. Hinzu kommt die Frage: Sind Verbraucherinnen und Verbraucher auch bereit, die Mehrkosten für nachhaltige Verpackungen zu tragen? Wenn sie am Regal den Preis sehen, fällt die Entscheidung oft nicht zugunsten der nachhaltigen Lösung aus. Dazu gibt es Datenpunkte, die eine starke Verzerrung zwischen dem Gesagten und dem Getanen auftun. Was die Politik anbelangt: Da wünsche ich mehr Faktenorientierung, oft macht es den Anschein, dass die zu kurz kommt.

Haben Sie ein Beispiel für den erwähnten Mangel an Faktenorientierung in der Politik?

Im Bereich single-use Plastics ist irgendwann der Strohhalm verbannt worden. Schaut man sich aber an, was in der Kategorie den höchsten Eintrag in die Umwelt hat, sind es die Zigarettenkippen, und zwar um ein Vielfaches im Vergleich zum Strohhalm. Dieser Fehlschluss hat nicht nur hierzulande Konsequenzen, sondern auch woanders, wenn das Konzept kopiert wird. Das findet beim Beispiel Strohhalm gerade statt, in Indien sind diese nun auch verboten.

Sie sind im Bereich Beratung und Entwicklung nachhaltiger Verpackungsstrategien und -lösungen tätig. Wie schätzen Sie die Rolle von Design for Recycling ein?

Wenn wir Material im Kreislauf führen, ist das ein Schlüssel für nachhaltige Verpackungen. Das gilt für alle Materialien, von Papier über Karton, Kunststoff und Metall bis hin zu Glas. In fast allen Fällen ist ein Kreislauf ressourcenschonender und reduziert den CO2-Fußabdruck. Design for Recycling ist der Hauptmotor, dass dieser Kreislauf gelingt. Material Kreislauf/ Logo Packaging Innovation SustainabilityIn Deutschland gibt es leider beim Recycling für flexible Verpackung Grenzen in der Sortierindustrie: Wenn eine Gummibärchentüte aus Monomaterial erst gar nicht in einen positiven Materialstrom sortiert wird, weil sie angeblich zu klein ist, dann stößt der Nutzen von Design for Recycling an seine Grenzen. In der modernen schwedischen Sortieranlage etwa werden flexible Verpackung bis 50 x 50 mm in die LDPE und PP flexible Fraktion sortiert. In Deutschland gilt das meist nur für Verpackungen größer A5 oder A4.

Wie schätzen Sie die Wirkung von Recyclingquoten für mehr Nachhaltigkeit in der Verpackungsindustrie ein?

Generell sehe ich gesetzlich vorgegebene Recyclingquoten positiv. Bei Lebensmittelverpackungen, die nicht aus PET sind, ergeben jedoch produktbezogene Einsatzquoten wenig Sinn. In der aktuellen Variante der PPWR wird viel darüber nachgedacht, die Einsatzquoten 2027 nochmal zu evaluieren. Im Prinzip lässt sich für Lebensmittelverpackungen nach dem jetzigen, von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) erlaubten Stand, nur chemisches Recycling als Verfahren einsetzen – außer, sie sind aus PET. Das wiederum resultiert in einem Zielkonflikt, denn chemisches Recycling hat einen deutlich höheren CO2-Fußabdruck als die mechanische Variante. Die Schlussfolgerung für mich ist, nicht unbedingt Materialien, die mechanisch zu recyceln sind, ins Chemische bringen, nur um sie nachher quotenkonform wieder im Lebensmittelbereich einzusetzen.

Sie waren in Unternehmen wie Nestlé tätig. Welche besonderen Herausforderungen gibt es bei der Verpackung von Lebensmitteln?

Der Produktschutz ist sehr viel höher zu bewerten als bei anderen Verpackungen. Lebensmittel haben häufig schon einen sehr hohen CO2-Fußabdruck, wenn sie in den Laden kommen, insbesondere tierische Lebensmittel. Da weist das Lebensmittel normalerweise einen eindeutig höheren Anteil an Kohlenstoffemissionen auf als die Verpackung. Im Durchschnitt entfallen nur drei Prozent auf die Verpackung und 97 Prozent auf das Produkt selbst. Bei verpacktem Rindfleisch macht die Verpackung sogar nur 0,5 Prozent der CO2-Bilanz aus. Vergeleich CO2 Verpackung Und RindfleischWenn das Produkt nicht optimal geschützt ist und das Essen dann im Abfall landet, steigen diese Werte nochmal. Wir wissen, dass weltweit ein Drittel aller Nahrungsmittel nicht gegessen wird – und in den westlichen Industrieländern findet diese Lebensmittelverschwendung überwiegend im Haushalt statt. Das gilt auch für Deutschland: Laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft entstehen 59 Prozent der Lebensmittelabfälle in Haushalten. Deshalb gilt es hier dafür zu sorgen, dass unser Essen auch richtig geschützt ist und verzehrt werden kann.

Nachhaltigkeit bei Verpackungen ist ein sehr komplexes Thema. Welche Rolle spielen hier Medien oder edukative Formate, um fehlendes Wissen in der Gesellschaft auszugleichen?

Beides könnte eine wichtige Rolle spielen. Eine Herausforderung ist sicherlich, dass journalistische Formate, die mit dem Finger auf etwas zeigen, bessere Reichweiten erzielen als erklärende. Hinzu kommen bisweilen geringe Aufmerksamkeitsspannen beim Zielpublikum. Das gestaltet die Situation schwierig. Eine entsprechende Aufklärung schon in Schulen wäre ebenso hilfreich.

Als Berater agieren Sie sehr nah an Innovationsthemen. Welche Entwicklungen in Sachen nachhaltiger Verpackung beeindrucken Sie derzeit besonders stark?

Herausheben möchte ich hier die Entwicklung von tatsächlichen Monomateriallösungen zur Förderung der Kreislaufwirtschaft. Es gibt auch viele andere, clevere Ansätze mit einem voraussichtlich deutlich positiven Effekt auf Nachhaltigkeit. Aber mit Blick auf die Vergangenheit gab es immer auch solche, die sich als weniger tragfähig erwiesen haben. Grundsätzlich würde ich mir aber wünschen, dass die beteiligten Unternehmen auch klar nachhaltigkeitsrelevante Faktoren ihrer Produkte kommunizieren, etwa zum Thema CO2-Emissionen oder Recyclingfähigkeit.

Welche Rolle können externe Beratungen für die Industrie spielen?

Der Vorteil für die Industrie ist zunächst einmal der unabhängige Blick von außen. Hinzu kommt die flexible Bereitstellung von Ressourcen, die teilweise in einem Unternehmen so nicht vorhanden sind, gerade mit Blick auf den aktuellen Fachkräftemangel. Der Vorteil einer externen Beratung ist eigentlich auch immer, dass man in den verschiedenen Abteilungen eines Unternehmens gutes Gehör findet. Allerdings bedeutet gute Beratung auch immer, dass sie individuell auf das Unternehmen zugeschnitten ist.

Über Dr. Thomas Gröner

Dr. Thomas Gröner TG PACK SOLUTION - teilte mit uns seine Meinung zur Wertschöpfungskette von VerpackungenMit seinem Unternehmen TG PACK SOLUTIONS agiert Dr. Thomas Gröner im Bereich Verpackung und Nachhaltigkeit. Dabei kann er auf eine mehr als 30-jährige Industrieerfahrung zurückblicken: zuletzt war er als Direktor R&D und Nachhaltigkeit bei der RKW SE tätig, zuvor arbeitete er bis 2018 als Head of R&D and Innovation im Bereich flexible Verpackung bei Mondi. Zudem blickt er weitere Karriereschritte bei Nestlé, Friskies und PepsiCo zurück. Weitere Infomationen gibt es auf der Website von TG PACK SOLUTIONS.

Im Dialog – Unser Magazin zur Interviewreihe um Kunststoff Recycling Klima- und Umweltschutz.