Am 11. März 2020 hat die Europäische Kommission ihren neuen Aktionsplan zur Kreislaufwirtschaft vorgestellt. Wir werfen einen Blick auf die wichtigsten Ankündigungen im Plan mit Blick auf die Kunststoffverpackungen und prüfen was fehlt und was vielleicht überdacht werden sollte.

Der Aktionsplan “recycelt” viele Elemente der EU-Kunststoffstrategie von 2018 und Ankündigungen aus dem Green Deal 2019, was angesichts des Zeitdrucks, den die neue Kommissionspräsidentin vorgibt, nicht überraschend ist.

Das wichtigste politische Ziel bleibt, dass “alle in der EU in Verkehr gebrachten Verpackungen bis 2030 in wirtschaftlich tragfähiger Weise wiederverwendbar oder recycelbar sind“. Dieses Ziel wurde im Grünen Deal eingeführt und baut auf einem ähnlichen Ziel für Kunststoffverpackungen in der Kunststoffstrategie auf. Das Ziel gilt nicht nur für Kunststoffe, sondern für sämtliche Verpackungsmaterialien.

Weniger Plastik Verpackung Mehr Abfall Mehr CO2 Hoeherer Energieverbrauch durch Anternativmaterial 03Mehr Verbote für Verpackungen: Der Aktionsplan erwähnt ausdrücklich mögliche Marktbeschränkungen im Jahr 2021 “für die Verwendung einiger Verpackungsmaterialien für bestimmte Anwendungen, insbesondere wenn alternative wiederverwendbare Produkte oder Systeme möglich sind oder Konsumgüter ohne Verpackung sicher gehandhabt werden können“. Der Schwerpunkt liegt auf Einwegverpackungen, Geschirr und Besteck in der Gastronomie. Anders als noch der Vorentwurf verzichtet der Plan auf die Erwähnung spezifischer Beispiele, z.B. die Kunststoffverpackung von Obst und Gemüse.

In den kommenden Monaten wird es entscheidend sein zu sehen, wie die Kommission mit Verpackungsbeschränkungen und -verboten umgehen wird, die die Mitgliedstaaten (wie z.B. Frankreich) unter Umgehung des EU-Rechts derzeit einführen. Grundsätzlich hat die Kommission zwei Optionen: Zum einen könnte sie die nationalen Verbote und Beschränkungen aufgreifen und sie für die gesamte EU vorschlagen. Zum anderen könnte die Kommission ihre Rolle als “Hüterin der Verträge” ernst nehmen und – im Einklang mit dem gestern veröffentlichten “Langfristigen Aktionsplan für eine bessere Umsetzung und Durchsetzung der Binnenmarktregeln” – gegen solche einseitigen Maßnahmen vorgehen. Die Zukunft des EU-Binnenmarktes könnte von dem Weg abhängen, den die Kommission einschlägt.

Quoten für Rezyklate in Kunststoffverpackungen: Der Aktionsplan kündigt für 2021/2022 die Einführung verbindlicher Quoten für den Einsatz von Rezyklaten in Kunststoffverpackungen an. Ähnliche Quoten werden für Baumaterialien, Fahrzeuge und Batterien vorgeschlagen. In der Entwurfsfassung war die Kommission noch vorsichtiger und wollte solche Quoten nur “in Betracht ziehen“. Neu ist, dass die Kommission Regeln für das sichere Recycling von anderen Kunststoffmaterialien als PET in Materialien mit Lebensmittelkontakt aufstellen wird. Leider gibt es dafür noch keinen Zeitrahmen.

Der Aktionsplan erwähnt zwar die Aktivitäten der Circular Plastics Alliance (CPA), die von der Kommission ausdrücklich mit dem Ziel eingerichtet wurde, rechtliche Maßnahmen zu vermeiden. Das Ziel der Allianz ist es, bis 2025 europaweit 10 Millionen Tonnen recycelte Materialien in Kunststoffprodukten einzusetzen. Es bleibt unklar, welche Auswirkungen die Ankündigung von gesetzlichen Quoten auf die Allianz haben wird.

Insgesamt stellt jede verpflichtende Quote für den Einsatz von Rezyklaten einen erheblichen Eingriff in die Gestaltungsfreiheit der Hersteller dar und muss daher rechtlich begründet werden. Auch die Auswirkungen solcher Quoten, nicht nur auf die jeweiligen Märkte, sondern auch auf die Gesamtproduktion von Rezyclaten und deren Verwendung sowie die Gesamtauswirkungen auf die CO2-Emissionen, die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen (z.B. höhere Preise), müssen gründlich geprüft werden.

Plastik-Steuer: Die Kommission hält an ihrem Vorschlag für einen zusätzlichen Beitrag der Mitgliedstaaten auf der Grundlage der Menge an nicht recyceltem Kunststoffverpackungsabfall im jeweiligen Land fest.

Über die weitgehend ignorierten und unerwünschten Folgen einer solchen Abgabe hatten wir bereits berichtet.

Ziele für Abfallreduzierung: Die Kommission wird 2022 Reduktionsziele “für bestimmte [Abfall-]Ströme” in der Abfallrahmenrichtlinie vorschlagen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Kunststoffverpackungsabfällen.

Verpackungsdesign und Polymere: Die Kommission wird 2021 prüfen, ob und wie die Komplexität von Verpackungsmaterialien (wahrscheinlich einschließlich Mehrschichtfolien) und die Anzahl der verwendeten Materialien und Polymere reduziert werden kann.

Neu und von erheblicher Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Ankündigung, dass die Kommission vorschlagen wird, die EU-Ökodesign-Richtlinie auf nicht-energierelevante Produkte auszuweiten und andere spezifische Aspekte wie Produkt-, Abfall-, Umwelt- und Chemikalienfragen in die Bewertung einzubeziehen. Auch wenn der Schwerpunkt im Moment eher auf Elektronik, Textilien, Möbel usw. liegt, sind Kunststoffverpackungen nicht ausgeschlossen. Die Ausweitung der Ökodesign-Richtlinie ist etwas, das Umwelt-NGOs schon lange auf ihrer Prioritätenliste haben. Industrieverbände hingegen warnen vor der Aufnahme weiterer Umweltparameter und der Fülle neuer Ökodesign-Projekte, die nicht primär auf Energieeffizienz abzielen.

Eine Ausdehnung der Ökodesign-Richtlinie auf sämtliche Produkte und weitere Kriterien würde die Richtlinie zu einem allumfassenden politischen Interventions- und Kontrollinstrument der EU machen. Eine solche Entwicklung wäre sehr besorgniserregend: Sie würde den marktwirtschaftlichen Prinzipien des EU-Binnenmarktes widersprechen und es bestünde die große Gefahr willkürlicher und administrativer Eingriffe für die gesamte Branche in Europa.

Mikroplastik: Im Jahr 2021 will die Kommission absichtlich zugesetzte Mikrokunststoffe “unter Berücksichtigung der Stellungnahme” der ECHA einschränken. Dabei will sie auch Kunststoffgranulate in den Blick nehmen („tackling pellets“).

Einheitliche Kennzeichnung: Im Zusammenhang mit dem Ziel, die Systeme zur getrennten Sammlung von Abfällen in Europa zu harmonisieren, will die Kommission 2022 die Bedingungen für die Einführung eines EU-weit einheitlichen Verpackungsetiketts zur Verbesserung der getrennten Sammlung in den Haushalten prüfen.

Was fehlt? Wie in der Kunststoffstrategie 2018 und dem Green Deal 2019 fehlt auch im neuen Aktionsplan der Vorschlag, ein europaweites Deponieverbot schneller einzuführen. Dasselbe gilt für ein verpflichtendes Pfandsystem für Getränkeflaschen. Auch hat die Kommission nicht bewertet, ob eine weitere Harmonisierung und Stärkung der EPR-Anforderungen insbesondere im Hinblick auf finanzielle Anreize zur Förderung der Recyclingfähigkeit und der Verwendung von Recyclaten in Verpackungen die angestrebten Ziele erreichen lassen auf einem – im Vergleich zu Verboten und Quoten – weniger restriktiven Weg.