Wenngleich das beherrschende Thema der Bundesratssitzung vom 15. Mai weitere Maßnahmen zur Abfederung der Corona-Krise war, standen doch noch einige weitere wichtige Punkte auf der Agenda – drei von ihnen mit direktem Bezug zu Kunststoffverpackungen:  die Überarbeitung des Kreislaufwirtschaftsgesetz, der Aktionsplan der EU Kommission zur Kreislaufwirtschaft sowie Vorschläge zum Export von Kunststoffabfällen.

Sie alle eint die gemeinsame Zielsetzung: der Schutz von Umwelt und Klima sowie der Umbau der Industrie zu einer Kreislaufwirtschaft, in der die Abfälle von heute die Rohstoffe von morgen darstellen – ein Anspruch, den die Kunststoffverpackungsindustrie selbstverständlich teilt.

Für Kunststoffverpackungen ist der Weg zu diesen Zielen klar: Sie müssen vollständig gesammelt werden, besser zu recyceln sein und der Rezyklat-Anteil sollte stetig steigen. Die deutsche Kunststoffverpackungsindustrie hat sich dazu ehrgeizige Zwischenziele gesetzt und ist bereits einen guten Teil des Weges vorangeschritten.

Die Politik begleitet diese Entwicklung zum Beispiel durch verbindliche Recyclingziele und finanzielle Anreize für recyclingfähige Verpackungen. Immer wieder jedoch ist die Politik der Versuchung ausgesetzt, vermeintliche Abkürzungen zu dem Ziel einzuschlagen, etwa über Rezyklat-Einsatzquoten oder Produktverbote. Genau vor diesen Entscheidungen stand auch der Bundesrat:

Keine nationalen Rezyklat-Einsatzquoten

Zu Recht hat der Bundesrat die Forderung nach nationalen Rezyklat-Einsatzquoten für bestimmte Produkte zurückgewiesen. Während zum Beispiel Kunststoff-Rezyklate in vielen Anwendungen, insbesondere im Bau-, Verpackungs- und Landwirtschaftssektor bereits routinemäßig zum Einsatz kommen, sind die Hürden in anderen Anwendungen ungleich viel höher. Das gilt beispielsweise für den großen Bereich der Lebensmittel­verpackungen, die etwa 44 Prozent des Verpackungsmarkts ausmachen, aber auch für Verpackungen im Bereich Körperpflege und Kosmetik oder andere sensible Anwendungen, die besondere Anforderungen an die Qualität der Rohstoffe stellen. Für diese Anwendungen stehen derzeit noch nicht die erforderlichen Mengen und Qualitäten von Rezyklaten am Markt zur Verfügung. Keinesfalls aber darf die Qualität und Sicherheit von Produkten durch den Einsatz von Rezyklaten beeinträchtigt werden. Nationale Quoten würden zudem den freien Warenverkehr im EU-Binnenmarkt beeinträchtigen.

Keine Frage: Der Einsatz von Rezyklaten in Kunststoffprodukten leistet einen wichtigen Beitrag zur Kreislauf­wirtschaft, verringert die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen und die CO2-Emissionen. Unter den Bedingungen der Klimaneutralität, welche die EU für das Jahr 2050 anstrebt, werden hochwertige Rezyklate einen wesentlichen Beitrag zur Sicherung der

Weniger Plastik Verpackung Mehr Abfall Mehr CO2 Hoeherer Energieverbrauch durch Anternativmaterial 03

Rohstoffversorgung für die Kunststoffindustrie leisten müssen. Nationale Quoten sind allerdings der falsche Weg. Besser sind finanzielle Anreize, etwa im Rahmen der Erweiterten Produktverantwortung dar. Erste Ansätze dazu sind in § 21 des Verpackungsgesetzes bereits angelegt. Mit der öffentlichen Beschaffung verfügen Bund, Länder und Gemeinden zudem über ein effektives Instrument, die Nachfrage nach Produkten aus Recyclingmaterial zu steigern. Wichtig ist zudem, dass die Politik die gesetzlichen Hürden für die Verwendung von Rezyklaten in Lebensmittelverpackungen abbaut und Rechtssicherheit durch klar definierte Anforderungen an die Aufbereitungsprozesse und Qualitäten der Rezyklate herstellt. Unmissverständlich ist: Auch die Kreislaufwirtschaft muss eine Marktwirtschaft bleiben, nicht nur damit Wohlstand und Lebensqualität in Europa auf Dauer gesichert werden, sondern auch, um die gesteckten Ziele sicher und effizient erreichen zu können.

„Positive Verstärkung“: Erweiterte Produktverantwortung oder öffentliche Beschaffung

Es sind die Rahmenbedingungen wie Technologie, Infrastruktur, Märkte und Kundenanforderungen, die den Einsatz von Rezyklatmengen beeinflussen. Es reicht ja auch nicht, einem noch so guten Fußballer zuzurufen, er solle ein Tor schießen. Tagesform, Mitspieler, Gegenspieler, Fans, Trainining und Erholung, Platzbeschaffenheit und Equipment… all das muss mit beachtet werden. Darüber hinaus sollte die Ausgestaltung eines Produktes den Marktteilnehmer überlassen bleiben, während dabei gleichwohl die hohen Umweltstandards zu erhalten sind. Oder um im Fußballbild zu bleiben: Die Regeln gelten für alle, aber mit welchem Fuß ein Spieler abzieht, entscheidet er nach individueller Abwägung und Spielsituation.

Aufklärung statt Produktverbote

Abfälle dürfen nicht in die Umwelt gelangen. Auch in diesem Punkt sind sich Politik und Wirtschaft einig. Dass die Mehrheit der Länder entgegen der Empfehlung des Wirtschaftsausschusses an einer Ausweitung von Produktverboten festhält, wird an den Missständen in unseren Gewässern und Wäldern allerdings kaum etwas ändern. Menschliches Verhalten ist zumindest in Ländern mit funktionierender Abfall-Infrastruktur ursächlich für achtlos weggeworfene Abfälle.

Daher bleibt der Verband der Kunststoffverpackungshersteller bei seiner Position: nicht die Produkte gehören verboten, sondern das achtlose Wegwerfen gilt es stärker zu sanktionieren. Dabei sollte auf die Situation, in der die Produkte konsumiert werden, genauer unterschieden werden: Während sich über Strohhalmverbote in der Strandgastronomie noch nachvollziehbar diskutieren ließe, ist ein generelles Verbot von Strohhalmen, die z.B. auf Kindergeburtstagen in den eigenen vier Wänden genutzt werden, wohl kaum verhältnismäßig.

Dass sich die deutsche Politik die Möglichkeit für nationale Produktverbote offenhalten möchte, die über die EU-Vorgaben hinausgehen, ist auch verfassungsrechtlich bedenklich wie zuletzt auch der Rechtsanwalt Stefan Kopp-Assenmacher als Sachverständiger im Umweltausschuss des Bundestages zum umstrittenen Plastiktütenverbot ausführte. Verbote müssen als „ultima ratio“ – also als schärfste Eingriffsmaßnahme – einer strengen verfassungsrechtlichen Prüfung standhalten.

Nachhaltige Verhaltensänderung

Faktencheck Kunststoffverpackung DeckblattProduktverbote sind nur scheinbar eine Abkürzung zum Ziel einer sauberen Umwelt, tatsächlich sind sie eine Sackgasse. Das kann jeder zu Hause nachprüfen: Kinder werden nie lernen, ihre Spielsachen aufzuräumen, wenn man sie ihnen zur Strafe wegnimmt und fortschmeißt. Verhaltensänderungen erreicht man nur mit Aufklärung und Bewusstseinsbildung. Dies gilt für jede Generation neu.

Die deutsche Kunststoffverpackungsindustrie entwickelt sich engagiert in eine Kreislaufwirtschaft für ihre Produkte. Design-for-Recycling und Rezyklateinsatz sind die Wege zum Ziel. Von der Politik erwarten wir verlässliche Rahmenbedingungen, denn ohne Rechts- und Planungssicherheit werden die notwendigen Investitionen nicht getätigt werden. Dem Meeresschutz dient auch ein schnelleres Ende der Deponierung von Kunststoffabfällen in Europa. Wir verstehen nicht, warum sich hier bis 2035 nichts ändern soll.

Umsetzung bestehender EU-Regeln muss Priorität haben

Der Bundesrat nimmt den neuen EU-Aktionsplan zur Kreislaufwirtschaft zum Anlass, auf die Bedeutung einer einheitlichen Durchsetzung bestehenden EU-Rechts hinzuweisen. Der Bundesrat stellt ausdrücklich fest, dass die Europäische Kommission ihrer Aufgabe der Rechtsdurchsetzung in diesem Bereich bisher „nicht in ausreichendem Maße“ nachgekommen ist. Die Bundesregierung wird daher gebeten, die Kommission „dringend dazu aufzufordern“, der Umsetzung bestehender Regelungen zur Schaffung eines vergleichbaren Niveaus der Kreislaufwirtschaft innerhalb Europas die gleiche Priorität zu geben wie der Umsetzung neuer Maßnahmen des Aktionsplans. Außerdem hält der Bundesrat eine umfassende Abschätzung ökonomischen und ökologischen Folgewirkungen der geplanten Maßnahmen für unverzichtbar und fordert die Kommission auf, die „Praxistauglichkeit“ unter besonderer Berücksichtigung möglicher technischer Barrieren und des Prinzips der Verhältnismäßigkeit zu überprüfen.

Diese Forderungen verdienen vollste Unterstützung, weil der gegenwärtige Stand der Umsetzung der Regelungen zur Kreislaufwirtschaft in den Mitgliedstaaten höchst unterschiedlich ist und neue Regelungen diese Unterschiede nur vertiefen würden.