Viel Bewegung in der Kunststoffbranche

Mehr Mehrweg beim Straßenverkauf, erweiterte Pfandpflicht bei Plastikflaschen: Wie erwartet hat der Bundestag jüngst Maßnahmen mit Auswirkungen auf die Kunststoffbranche verabschiedet. Ziel ist es, durch Mehrwegverpackungen den Verpackungsabfall zu minimieren. Um dem Entgegenzuwirken, arbeiten Hersteller bereits länger an der Entwicklung nachhaltigerer Verpackungen. Dabei spielt auch der Einsatz von Kunststoff-Rezyklaten eine immer wichtigere Rolle.

IK Icons RecyclingDer diesjährige Fachpressetag von PlasticsEurope Deutschland hat bestätigt, dass die Kunststoffbranche aktuell stark in Bewegung ist, während sich die Verbraucher:innen gerade intensiv mit Lebensmittelverpackungen beschäftigen. Insbesondere die Nachhaltigkeit von Verpackungen steht hierbei im Fokus – und verändert das Einkaufsverhalten Schritt für Schritt. Wie eine Statista Global Consumer Umfrage zum Thema nachhaltiger Konsum zeigt, nehmen knapp zwei Drittel aller Deutschen mittlerweile einen eigenen Einkaufskorb, beziehungsweise eine eigene Einkaufstüte mit zum Lebensmittelkauf. Und eine repräsentative Bevölkerungsbefragung belegt, dass hierzulande die klaren Fortschritte bei der Nachhaltigkeit von Verpackungen gesehen werden. Verbraucher:innen, Handel und Politik – alle fordern nachhaltige Verpackungen. Allerdings ist noch nicht genau definiert, welche Kriterien eine Verpackung erfüllen muss, um nachhaltig zu sein. Das wird umso wichtiger, wenn man sich aktuelle Zahlen im Hinblick auf den Verpackungsabfall anschaut, der kontinuierlich ansteigt.

Wirtschaft treibt Recycling stetig voran

Kunststoff Kuehlbox Corona Impfung

So wurde während der Corona-Pandemie deutlich, wie sehr die Gesellschaft auf eine funktionierende Wirtschaft und ihre Schlüsselbereiche der Chemie angewiesen ist. Verpackungen wurden nicht nur in einem frühen Stadium der Pandemie als systemrelevant eingestuft, sondern auch bei der akuten medizinischen Versorgung spielen Kunststoffprodukte wie Transportboxen für jede Temperatur bei der Verteilung des Corona-Impfstoffes eine entscheidende Rolle. Daraus muss die Branche ihre Lehren ziehen, um sich besser für die Herausforderungen der nächsten Jahre zu rüsten. Der Strategietag „Chemie 21“ am 22. April 2021 beschäftigte sich damit, wie krisenfest und zukunftsweisend resiliente Chemie ist.

Kunststoff muss also nachhaltiger werden. Oder ist er es bereits, wie die D-EXPO Circular Economy des Carl Hanser Verlages am 13. April gezeigt hat? Einen Perspektivwechsel liefert hierzu auch das Streitgespräch zwischen Bernhard Bauske, Koordinator Meeresmüll beim WWF, und Dr. Ingo Sartorius, Leiter Geschäftsbereich Mensch und Umwelt bei PlasticsEurope Deutschland.

Nachhaltigkeit erschließt sich häufig erst auf den zweiten Blick

Initiative ERDE recycelt gebrauchte Folien und macht aus Kunststoff-Rezyklaten Foliensäcke

ERDE Recycling sammelt gebrauchte Landwirtschaftsfolien und führt sie zu 100 % dem werkstofflichen Recycling zu. Das dabei gewonnene Granulat lässt sich erneut in der Folienherstellung einsetzen.

Der Earth Day am 22. April gab das Leitmotiv für vielfältige Aktionen rund um das breite Spektrum des Umwelt- und Klimaschutzes. Gemäß dem Motto „Jeder Bissen zählt – schütze was du isst – schütze unsere Erde“ wirft die IK ein Schlaglicht auf die Initiative ERDE (Erntekunststoff- Recycling Deutschland) und ihren Beitrag zu einer nachhaltigen Lebensmittelproduktion – und zwar am Beispiel eines der beliebtesten hiesigen Gemüse: dem Spargel. Mit dem Einsatz von Folien beim Obst- und Gemüseanbau beschäftigt sich auch der Bayerische Rundfunk. Der Beitrag beleuchtet die Frage, ob biologisch abbaubare Kunststoffe die Lösung sind.

Auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit zeigt auch Nestlé am Beispiel von PET-Flaschen, dass Kunststoffverpackungen viel nachhaltiger sind als ihr Ruf. Auch Henkel setzt auf nachhaltige Verpackungen und engagiert sich aktiv für die Kreislaufwirtschaft, wie Thorsten Leopold, Director Global Packaging Innovation Home Care bei Henkel, jüngst im Interview mit dem Newsroom.Kunststoffverpackungen berichtete.

Kunststoff – vielseitig einsetzbar

Kunststoff hat eine Reihe guter Eigenschaften: Er ist leicht und robust, einfach formbar und sehr nachhaltig. Wie Kunststoffe die Versorgung mit Nahrungsmitteln verbessern und die Verschwendung von Wasser und Nährstoffen verhindert, erläutert 100jahrekunststoffe.de.

100 Jahre Kunststoffe

Sehr leicht und robust, bestens formbar, besonders nachhaltig – viele gute Eigenschaften machen Kunststoffe über die Verpackung hinaus zum Material der Wahl. Vor 100 Jahren wurden sie entdeckt.

Dass Kunststoff Wertstoff und Werkstoff ist, veranschaulicht Stefan Chalupnik, Geschäftsführer des Folienherstellers G. CORETH Kunststoffverarbeitungs GmbH, im Interview mit leitbetriebe.at.

Auch deshalb will der neue Alpla-CEO Philipp Lehner in seiner neuen Funktion nicht nur das Recycling von Kunststoffen und die Kreislaufwirtschaft weiter vorantreiben, sondern auch die positiven Seiten und Vorteile der Kunststoffe in ihrer Nutzenphase in die öffentliche Diskussion einbringen.

Neue Wege für die Kreislaufwirtschaft

Egal ob Lithium-Ionen-Batterien, Baustoffe oder Kunststoffverpackungen: Überall braucht es mehr und bessere Materialkreisläufe, um dem Ressourcenhunger in der Welt zu begegnen.

Die neu gegründete BDI-Initiative Circular Economy zeigt neue Wege für eine nachhaltige Verpackungswirtschaft. Wie Holger Lösch, stellvertretender BDI-Hauptgeschäftsführer, erläutert, sind die Ziele der Initiative, technologische Potenziale zu identifizieren und die erforderlichen Rahmenbedingungen zu definieren, um als Treiber einer funktionierenden Circular Economy zu wirken. Was Circular Economy für die Wirtschaft von morgen bedeutet, haben Dorothee Bär (Staatsministerin für Digitalisierung im Bundeskanzleramt), Christoph Winterhalter (Vorsitzender des Vorstandes von DIN e. V.), Prof. Martin Bastian (Institutsleiter vom SKZ – Das Kunststoff-Zentrum) und Tim Janßen (Geschäftsführender Vorstand von Cradle to Cradle e.V.) am 26. April im Rahmen einer Online-Veranstaltung diskutiert.

Bessere Mülltrennung – ein Muss

Aufmerksamkeitsstarker Aufsteller der Initiative "Mülltrennung wirkt" bei Netto

© Initiative “Mülltrennung wirkt”

Das große Problem liegt darin: „Die Leute trennen den Müll nicht richtig“, wie Christian Hündgen, Geschäftsführer der Hündgen Entsorgung, weiß. Um Bürger:innen aufzuklären, haben die dualen Systeme mit „Mülltrennung wirkt“ eine Initiative gegründet. Sie zeigt, wie Mülltrennung richtig funktioniert – und was sie bringt. Axel Subklew, Sprecher der Initiative, erläutert im Interview die Ziele der Initative und räumt mit einigen Müllmythen auf. Nur so können die zahlreichen Innovationen aus der Kunststoffwelt auch ihr volles Potenzial entfalten.

Als Vorreiter beim Schaumstoffrecycling und in der Gestaltung von Kreisläufen gilt Covestro, das ein innovatives Verfahren zur Rückgewinnung beider Kernrohstoffe entwickelt und eine neue Pilotanlage für chemisches Recycling in Betrieb genommen hat. Solche Innovationen und nachhaltige Alternativen werden zunehmend wichtiger, um die große Menge an Plastikabfall, die jeder Verbraucher im Jahr verursacht, zu bewältigen. Erfahren Sie im Video, wie aus Plastikabfall neuer Rohstoff wird.

Neue Ideen für weniger Plastikmüll

Auch die Expert:innen der Hochschule Pforzheim beschäftigen sich mit Plastikmüll und haben eine Strategie zur Wiederverwertung entwickelt. Das Fraunhofer LBF hingegen hat mit der Easicomp GmbH im Forschungsvorhaben „UpcyclePET“ einen neuen Werkstoff auf Basis gebrauchter Getränkeflaschen aus PET entwickelt.

Der Lebensmittellieferant Picnic will die Kunststofftüte mit der Einführung eines Pfands einem sicheren Materialkreislauf zuführen. Ob das der eigentlich ab 1. Januar 2022 verbotenen Plastiktüte zum Comeback verhilft, bleibt abzuwarten.

Zu einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft gehören neben dem Recycling auch Rezyklate. Und das beschäftigt weiterhin die Gemüter: So klagen viele Hersteller von Kunststoffverpackungen in Deutschland über knappe und teure Rohstoffe. Der Grund liegt auf der Hand: Die Kunststoffhersteller liefern vermehrt nach China, wo die Wirtschaft wieder wächst, Rohstoff nachfragt und daher höhere Preise zahlt. Kein Wunder, dass die Preise für Altkunststoffe im März kräftig zugelegt haben. Der Aufwärtstrend wird dabei vor allem durch weiterhin knappe Neuware getrieben. Während Ressourcenknappheit und die linearen Wertschöpfungsketten ausgedient haben, fordert der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V.  in einem Diskussionspapier „Für den nachhaltigen Umgang mit Kunststoffen – pro Kreislaufwirtschaft“ einen höheren Einsatz von Kunststoff-Rezyklaten.

Auch hier gibt es zahlreiche Innovationen aus Industrie und Forschung. BASF, Quantafuel und Remondis wollen beispielsweise beim chemischen Recycling von Kunststoffabfällen zusammenarbeiten und so den Recyclinganteil erhöhen. Und ihr Geschäft mit Styrol auf Basis von recycelten und nachwachsenden Rohstoffen gemeinsam weiter ausbauen, wollen BASF und Trinseo. Igus hingegen investiert fünf Millionen Euro in das Start-up Mura Technology. Deren Hydrothermal Plastic Recycling Solution (Hydro-PRS) hat das Ziel, durch chemisches Recycling von Kunststoff eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft zu ermöglichen.

PET Flaschen Bilden Recycling SymbolLittering – ein weltweites Problem, das weltweites Engagement verlangt

Um das Thema Littering anzugehen, fordern eine Reihe von Wirtschaftsverbänden die Einführung eines Litteringfonds, der bei der Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister (ZSVR) angesiedelt ist.  Der Fonds soll Gelder bei Herstellern sammeln, deren Einwegkunststoffartikel wie z.B. Verpackungen oder Zigarettenfilter im öffentlichen Raum landen. Ziel ist es, damit die kommunalen Entsorger zu bezahlen, die für die Sammlung, Reinigung und Entsorgung der Abfälle zuständig sind.

Insbesondere in Asien und in Afrika fehlt es an Abfallsystemen, wie Dr. Markus Steilemann, Covestro-Chef, im Interview mit NZZ erläutert. Allerdings zeigt eine entsprechende Studie des Umweltbundesamtes auch, dass Littering nur einen geringen Anteil am Kunststoffaufkommen in der Umwelt ausmacht.

Um das Problem von Plastik in der Umwelt ganzheitlich zu betrachten, hatte die Abschlusskonferenz des Forschungsschwerpunkts „Plastik in der Umwelt“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) im April 2021 zwei Tage lang 20 Forschungsprojekte im Fokus. Die ökologische, soziale und wirtschaftliche Situation in Ägypten verbessern wollen Henkel und Plastic Bank, die in einem ersten Schritt drei Sammelcenter für Kunststoffabfall eröffnet haben. Und der Forscher Marco Coniato der Fakultät für Naturwissenschaften und Technik an der Freien Universität Bozen will mit einem neuen Verfahren zur Herstellung von Dämmstoff aus Kunststoffabfällen Mikroplastik den Kampf ansagen und einen Beitrag zur Reduzierung des Plastikmülls in den Ozeanen leisten.