„Natürlich wollen unsere Mitglieder auch ohne entsprechende Vorschriften ihren Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit bei Gefahrgutverpackungen leisten“

„Natürlich wollen unsere Mitglieder auch ohne entsprechende Vorschriften ihren Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit bei Gefahrgutverpackungen leisten“

Im Kosmos der Kunststoffverpackungen nehmen jene für Gefahrgut eine Sonderrolle ein: Zum einen kommen sie vor allem in Industrie und B2B zum Einsatz, zum anderen gelten hier besondere Vorschriften für das Recycling, um einen durchgehend hohen Sicherheitsstandard zu gewährleisten. Nicht alle Füllgüter verhalten sich gleich, was Hindernisse für den Rezyklateinsatz birgt – der aber grundsätzlich möglich ist. Hier gilt es, ungenütztes Potenzial zu heben. Torben Knöß vom Referat Technik bei der IK beschäftigt sich mit diesem Thema und gibt im Interview Einblicke zu Chancen, Herausforderungen, Prozessen und Akteuren.

 

Im Dialog mit Torben Knöß, Referat Technik bei der IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen e.V.

Herr Knöß, Sie sind im Referat Technik bei der IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen e.V. tätig. Welche konkreten Aufgaben fallen in Ihren Bereich?

Ich betreue direkt die Fachgruppe Fässer und Kanister sowie die Fachgruppe IBC-K (Intermediate Bulk Container). Im Prinzip umfasst das Industrieverpackungen, die im B2B-Bereich zum Einsatz kommen und oft das Thema Gefahrgut streifen. Zudem bin ich noch für den Technischen Ausschuss Hohlkörper tätig, betreue die Normungsarbeit hinsichtlich der Recyclingfähigkeit beim Deutschen Institut für Normung (DIN) und bin Ansprechpartner für die angeschlossenen Verbände im Industrieverpackungs- oder Gefahrgutbereich.

In kaum einem anderen Segment der Verpackungsindustrie haben internationale Vorschriften eine solch hohe Bedeutung wie im Bereich Gefahrgutverpackungen. Wie gestalten sich die Prozesse hier konkret?

Flexible Intermeidate Bulk Container sind ideale Gefahrgutverpackungen - bis 2019 durften in den songenannten Big Bags keine Rezyklate eingesetzt werden. Das oberste Gremium für internationale Vorschriften ist der UN-Unterausschuss „Transport von Gefahrgut“. Er gibt alle zwei Jahre ein Dokument mit Empfehlungen heraus, die in die deutsche Gesetzgebung überführt werden. Mit unserem internationalen Verband ICPP – International Confederation of Plastics Packaging Manufacturers sind wir im UN-Unterausschuss seit 1997 antragsberechtigt und können aktiv mitwirken. Das Hauptthema in diesem Gremium ist Sicherheit. Nachhaltigkeit ist dem nachgeordnet, spielt aber für uns und unsere Mitglieder eine wichtige Rolle, da es viele Gefahrgüter gibt und somit auch große Mengen an Kunststoffverpackungen im Umlauf sind. Gefahrgutverpackungen machen in etwa einen Anteil von zwölf bis 15 Prozent am Gesamtvolumen der Verpackungen aus. Bis 2019 durften für IBCs im Gefahrgutbereich überhaupt keine Rezyklate eingesetzt werden, das hat sich erst auf unseren Antrag hin verändert.

In der bei der IK angesiedelten RAL Gütegemeinschaft Kunststoffverpackungen für gefährliche Güter haben sich die führenden Hersteller von Gefahrgutverpackungen zusammengeschlossen. Welches Ziel verfolgen die Mitglieder?

Hersteller von Gefahrgutverpackungen müssen laut Behörde mindestens einmal jährlich dahingehend überprüft werden, ob ihre Produktion dem Muster der Zulassungsprüfung entspricht. Diese Überwachung wird von der Gütegemeinschaft organisiert. Wir haben bei der Gütegemeinschaft aber noch härtere Anforderungen definiert, was zum Beispiel die Häufigkeiten der visuellen Prüfungen betrifft, um einen besonderen Qualitätsstandard zu setzen.

Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit bzw. das Thema Kreislaufwirtschaft für das RAL Gütezeichen Kunststoffverpackungen für gefährliche Güter?

Gefahrgutverpackungen sind wahrscheinlich nicht Teil der kommenden Verpackungsverordnung und somit auch nicht der Rezyklateinsatzquote unterworfen. Dennoch: Die Mitglieder produzieren in der Regel ebenfalls Kunststoffverpackungen für andere Füllgüter, die sehr wohl betroffen sind. Auch deswegen fördern und fordern unsere Mitglieder Nachhaltigkeit. Darüber hinaus beeinflussen recycelte Verpackungen generell die CO2-Bilanz positiv.

Wie sehen die Zielsetzungen zum Rezyklateinsatz von Gefahrgutverpackungen aus?

Da diese in der Regel im Industriebereich anfallen, landen sie nicht im Gelben Sack wie Konsumverpackungen. Hier gilt es viele Aspekte zu beachten, etwa, welche Füllgüter darin transportiert werden und ob sie beispielsweise ins Material eindiffundieren können oder nicht. Natürlich haben unsere Mitglieder ein Interesse am Rezyklateinsatz und wollen auch ohne entsprechende Vorschriften ihren Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit bei Verpackungen von Gefahrgut leisten. Wir werden hier keine 100 Prozent Zirkularität erreichen, setzen uns aber für eine Steigerung des Anteils ein, der derzeit schätzungsweise bei zehn bis 20 Prozent liegt – immer unter der Wahrung der Sicherheitsanforderungen.

In Ihrer Funktion betreuen Sie auch den Verband EFIBCA. Welche Ziele verfolgt dieser europäische Verband für FIBCs (EFIBCA) derzeit?

Intermeidiate Bulk ContainerIm EFIBCA sind die europäischen Hersteller und Vertreiber von FIBCS (Flexible Intermediate Bulk Container) organisiert. Der Großteil dieser sogenannten Big Bags wird zwar in Ländern wie der Türkei oder Indien hergestellt, aber es gibt auch europäische Unternehmen, die hier aktiv sind. Auch bei den FIBCS sind geschlossene Kreisläufe ein Thema. Allerdings müssen wir investigative Arbeit leisten, um festzustellen, wo diese FIBCs am Ende landen. Denn welche Produkte in den Big Bags transportiert wurden, kann auch deren Recyclingfähigkeit beeinflussen. Ziel ist es, ein Rückholsystem zu entwickeln, um das Material wieder nutzen zu können und für das Recycling verfügbar zu machen. Zusätzlich haben wir eine Design-for-Recycling-Broschüre für FIBC-Hersteller aus allen Ländern herausgebracht, mit der wir dafür sensibilisieren wollen, die Recyclingfähigkeit bereits in der Herstellung mitzudenken. Auch auf Verbandsebene stehen wir im internationalen Austausch mit Vertretern aus den USA und Indien.

Generell spielt Design for Recycling bei Kunststoffverpackungen für die Kreislaufwirtschaft ja eine entscheidende Rolle. Wo stehen wir da aktuell auf Normungsebene?

In Deutschland haben wir den Mindeststandard für die Recyclingfähigkeit. Auf europäischer Ebene kommt die Verpackungsverordnung, hierfür werden noch einige Delegierte Rechtsakte ergänzt. Zudem gibt es noch einen Normungsauftrag der EU-Kommission, der aus den Arbeiten der Circular Plastics Alliance entstanden ist. Dafür sind wir im Moment dabei, gemeinsame Kriterien zur Recyclingfähigkeit erstellen – was nicht ganz einfach ist, denn viele EU-Staaten folgen hier eigenen Systemen. Design for Recycling ist der wichtige erste Schritt, um sicherzustellen, dass das Material wieder in den Kreislauf gelangen kann. Im Moment muss aber ein Verpackungshersteller die Recyclingfähigkeit seiner Verpackung in jedem Land einzeln ermitteln lassen, das ist sehr aufwendig.

Der Mindeststandard für die Bemessung der Recyclingfähigkeit von systembeteiligungspflichtigen Verpackungen ermöglicht es den Dualen Systemen, die Recyclingfähigkeit einheitlich zu beurteilen. Nach welchen Kriterien wird dieser ermittelt?

EFIBCA Torben KnoessDer Mindeststandard wird jährlich erneuert. Dessen Grundlage ist nicht die theoretische Recyclingfähigkeit. Sondern er basiert darauf, wie hoch der Anteil der tatsächlich aussortierten und recycelten Verpackungen ist. Das Umweltbundesamt erhebt dazu die Zahlen der Praxis der Sortierung und Verwertung. In diesen Mindeststandard fließen dann die Ergebnisse der unterschiedlichen Fraktionen ein. Starre Verpackungen wie Shampoo-Flaschen etwa werden zu einem sehr hohen Anteil von über 90 Prozent recycelt. Verpackungen aus Polystyrol (z.B. Joghurtbecher) werden zu zwei Dritteln wiederverwertet, andere Fraktionen weisen, aber auch geringere Quoten auf. Dieses Bild spiegelt sich im Mindeststandard wider. Eigentlich ist er dafür gedacht den dualen Systemen eine einheitliche Richtlinie für die Incentivierung der Inverkehrbringer von Verpackungen zu geben. Noch fehlen hierzu allerdings die gesetzlichen Grundlagen.

An welchen weiteren Projekten in der Normung ist die IK denn derzeit noch beteiligt?

Einen weiteren Normungsauftrag haben wir hinsichtlich der Qualität der Rezyklate. Auf dem Markt gibt es etwa sehr viele unterschiedliche Typen von PE-Rezyklaten mit jeweils anderen Eigenschaften – ohne, dass diese Eigenschaften transparent sind. So lässt sich etwa nicht jeder Rezyklat-Typ für die jeweilige Verpackung verwenden. Von unseren Mitgliedern erhalten wir bisweilen öfter die Rückmeldung, dass die Rezyklate nicht die für sie nötigen Eigenschaften besitzen, was den Wiedereinsatz in Verpackungen schwierig bis unmöglich macht. An dieser Stelle versuchen wir auf europäischer Ebene durch eine transparente Darstellung der wichtigsten mechanischen Eigenschaften der verschiedenen Rezyklate einen besseren Überblick zu schaffen.

Wenn nun aber nicht ausreichend Rezyklat mit der erforderlichen Qualität verfügbar ist, ergibt es dann nicht Sinn, als Hersteller einen eigenen Stoffkreislauf, einen ,Closed Loop‘, zu etablieren?

Ja, das gibt es bereits: Die Initiative ERDE, das 2013 gegründete Rücknahme- und Recyclingsystem für Erntekunststoffe in Deutschland unter dem Dach der IK in Kooperation mit RIGK GmbH. Mit diesem System werden die Agrarfolien bei den Landwirten wieder eingesammelt und recycelt. Ein ähnliches Rückgabesystem (PAMIRA®) gibt es zum Beispiel auch für die Kanister von Pflanzenschutzmitteln. Diese Rezyklate sollen bald auch wieder in neuen Kanistern eingesetzt werden können. Gerade bei Gefahrgutverpackungen unterhalten viele Unternehmen aber auch eigene Rückgabesysteme. Hier werden vor allem die IBCs kostenlos wieder zurückgeholt. Dieses Angebot wird sich in Zukunft aber sicher noch erweitern.

Vielen Dank für das sehr interessante Gespräch, Herr Knöß.

Über Torben Knöß

Torben Knöß studierte Kunststofftechnik an der Fachhochschule Darmstadt. 2003 schrieb er seine Diplomarbeit zum Thema “Untersuchung der Schweißbarkeit modifizierter PP-Formmassen”. Danach war Herr Knöß bei der Frank GmbH in Mörfelden-Walldorf zunächst für ein Jahr als Qualitätsmanagementbeauftragter und ab 2004 als Produktmanager im Bereich industrielle Kunststoff-Rohrleitungen tätig. Seit 2018 ist Torben Knöß bei der IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen e.V. als Referent Technik angestellt. Sein Fokus liegt auf den Industrieverpackungen, vor allem im Gefahrgutbereich. Darüber hinaus betreut er die drei an die IK angeschlossenen Verbände in diesem Bereich. Neben seiner Tätigkeit in den DIN Normungsausschüssen Verpackung und Kunststoff ist er u.a. im Expertenkreis III der Zentralen Stelle Verpackungsregister aktiv.

Thorben Knoess IK

Im Dialog – Unser Magazin zur Interviewreihe um Kunststoff Recycling Klima- und Umweltschutz.