Podiumsdiskussion der IK-Jahrestagung 2022 – Teil 2
Auf der Podiumsdiskussion der IK-Jahrestagung 2022 mit Verpackungsherstellern sowie Kunststofferzeugern und Recyclern drehte sich alles um die Frage, wie die Transformation zu einer klimaneutralen Kreislaufwirtschaft gelingen kann. Im ersten Teil stand die Mindest-Rezyklatquote ab 2030 im Mittelpunkt. Im zweiten Teil der Gesprächsrunde diskutierten die Teilnehmer u. a. darüber, wie eine Kannibalisierung des mechanischen Recyclings vermieden werden könne, wo zusätzliche Kunststoffabfälle als Input für Recycling herkommen sollten und wie sich Vermarktungsverbote vermeiden lassen.
Wie lässt sich eine Kannibalisierung des mechanischen Recyclings vermeiden, wenn gesetzliche Quoten für Lebensmittelverpackungen einen Bedarf an chemisch recycelten Kunststoffen um jeden Preis kreieren? Wenn allein die Marktpreise darüber entschieden, geht Wedi davon aus, dass am Ende viele vorsortierte Abfälle, die ins mechanische Recycling gehen könnten, ins chemische Recycling umgelenkt würden. Heyde bestätigte dies und fügte an, dass auch der hohe Zeitdruck dazu beitragen würde, weil man versuchen werde, die Quotenvorgaben mit den zur Verfügung stehenden Verfahrenstechniken und Stoffströmen zu erfüllen.
Kaskadische Kreisläufe als Gegenmodell
Die Hersteller der anderen Materialien, die im Verpackungsbereich eingesetzt werden und mit der Kunststoffverpackung im Wettbewerb stünden, betrieben ihre Stoffkreisläufe mit großer Selbstverständlichkeit nach kaskadischen Konzepten, so Heyde weiter. Das gelte sowohl für die Papier- und Glasindustrie, aber auch für die Metalle. So gebe es im Papierbereich natürlich Anwendungen, die man bevorzugt aus Primärmaterial herstelle, während die Recyclingfaser beispielsweise in Wellpappe verwendet würde. Das kaskadische Nutzungskonzept ließe sich auf den Kunststoff übertragen. Innovation sei nötig bei der Frage, was man mit den Abfällen nach dem letzten Nutzungszyklus mache. Den gesellschaftlichen Anforderungen an die Nachhaltigkeit müsse man durch vernünftige Nutzungskonzepte gerecht werden, die dafür Sorge tragen, dass der Kohlenstoff nicht als CO2 in die Atmosphäre gelange. Ausgerechnet die aufwendigste und anspruchsvollste Verpackung – die Lebensmittelverpackung – mit Rezyklateinsatzquoten zu belegen, wo man doch mit allen anderen Anwendungen anfangen könne, sei nicht sinnvoll.
Risikominimierung von Versorgungsengpässen
Im Bewusstsein, dass Kunststoffabfälle der Rohstoff von morgen sind, fänden derzeit strategische Investitionen des Handels und anderer Akteure statt, um sich den Zugriff auf diese Ressourcen im Gelben Sack zu sichern. Doch wie gelingt es den Herstellern von Industrieverpackungen, auf gebrauchte Verpackungen als Rohstoff zurückzugreifen? Schmidt erklärte, dass die Verpackung dem Industriekunden gehöre, der die Ware erworben habe. Bei den starren Industrieverpackungen wie IBCs gebe es aber spezielle Rückholsysteme. Auch hier werde das kaskadierende System angestrebt. Zu seinem Bedauern werde über die Fokussierung auf das Recycling jedoch zu wenig die sehr erfolgreiche Geschichte der Ressourceneffizienz und der Wiederverwendung im Bereich dieser Kunststoffverpackungen thematisiert. Erst das Material, das nicht durch „Reduce“ und „Reuse“ eingespart werde, könne letztlich ins mechanische Recycling gegeben werden. Mauser hätte dafür die Rekonditionierung und den Wiedergebrauch der eigenen Verpackungen ergänzt um das Recycling. Doch wenn es nicht ausreichend Inputströme im Recycling gebe und der Kampf um die Ressourcen entbrenne, sei es sicher schwer, sich als Verpackungshersteller richtig zu positionieren. Er sieht die Gefahr, dass andere ein Auge auf diesen Wertstoffstrom werfen und das funktionierende System des Wiedergebrauchs und Recyclings von Industrieverpackungen torpedieren könnten.
Wieder drehe es sich also um die Frage, wo zusätzliche Kunststoffabfälle als Input für das Recycling herkommen sollten. Dazu resümierte Snell die aus seiner Sicht bestehenden beiden Stellschrauben: Erstens gebe es auch in Deutschland noch Potenzial bei der Verbesserung der Sammlung, was sowohl den Gelben Sack als auch den Vollzug der Gewerbeabfallverordnung beträfe. Zweitens sehe er noch zu wenig Bemühungen im Design-for-Recycling. Dabei beklagt er den anhaltenden Trend von formstabilen zu flexiblen Verpackungen, die häufig noch immer schwer recyclingfähige Materialkombinationen aufwiesen. Hier sieht er neben den Inverkehrbringern auch die Verpackungshersteller selbst in der Pflicht.
Vermeidung von Vermarktungsverboten aufgrund von Versorgungsengpässen
Welche Empfehlungen haben die Diskussionsteilnehmer, wie sich aufgrund von Versorgungsengpässen tatsächliche Vermarktungsverbote meiden ließen? Dazu sei es notwendig, in der EU geschlossener und klarer die notwendigen regulatorischen Rahmenbedingungen auszusprechen, stellte Sandkühler fest. Wichtig sei auch, dass es keinen Wettbewerb unter den Materialströmen geben dürfe. Er stimme zu, dass es notwendig sei, alles was mechanisch recycelt werden könne, auch tatsächlich mechanisch zu recyceln. Das bisherige Recycling reiche aber offensichtlich nicht aus, um die geforderten Quoten zu erfüllen, daher seien Veränderungen notwendig. Diese gelängen jedoch nur, wenn die Ziele klar definiert seien, damit sich die gesamte Wertschöpfungskette bewege, um die Transformation bis 2030 voranzutreiben. Ob verbindliche Lieferverpflichtungen für Rezyklate vorstellbar seien in ähnlicher Höhe wie die Einsatzverpflichtungen, war für Sandkühler nicht ungeprüft zu beantworten. Über ihre Investitionspläne zur Produktion von zirka 600 kt PE-Rezyklaten unterstütze Dow die Einsatzziele aber auf freiwilliger Basis, auch um keine Marktanteile zu verlieren.
Herr Snell appellierte an die Verarbeiter, auch bei sinkenden Neuwarepreisen die Nachfrage nach Rezyklaten nicht zu senken, damit Stoffströme über Investitionen in die Erfassung und Sortierung langfristig aufgebaut werden können. Dies sei nur bei Nachfragesicherheit möglich. Herr Wedi glaubt, dass es zur Unterstützung eine verbindliche Quote für recyclingfähige Verpackungen notwendig sei. Entsprechende Entwicklungen lägen alle in der Schublade, nur würden sie von der Kundschaft nicht akzeptiert, wenn sie 20 bis 25% mehr kosteten. Herr Stechhan pflichtete bei, dass die Markenartikler in noch stärkerem Maße für eine gleichbleibende Rezyklatnachfrage und das Design-for-Recycling in die Verantwortung genommen werden müssten. Herr Schmidt machte angesichts der viele Jahre dauernden Prozesse zur Änderung des UN-Rechts bei Gefahrgutverpackungen auf den benötigten Zeitbedarf aufmerksam – Vermarktungsverbote ab 2030 seien deshalb nicht akzeptabel. Auch rief er zu einer stärkeren Geschlossenheit in der Kunststoffindustrie auf.
Fazit – Kunststoffindustrie muss näher zusammenrücken
Dr. Isabell Schmidt, Geschäftsführerin Kreislaufwirtschaft, IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen, stellte abschließend fest, dass alle Beteiligten mehr Rezyklateinsatz in Kunststoffverpackungen wollten. Nur der Blick auf die Instrumente, die dorthin führten, sei unterschiedlich. Es sei verständlich, dass Planungssicherheit gebraucht werde, um in Recyclingverfahren – nicht nur in das chemische Recycling, sondern aller Art – zu investieren. Es sei aber ein ebenso essentielles wirtschaftliches Interesse, Versorgungssicherheit auf Seiten der Hersteller und Inverkehrbringer von Kunststoffverpackungen zu haben. Daran müsse gearbeitet werden. Chemisches Recycling biete eine Chance, wenn dadurch zusätzlich Mengen an Rezyklat bereitgestellt werden könnten. Quoten für Lebensmittelverpackungen bergen jedoch auch die Gefahr, dass Abfallströme nur umgelenkt würden. Entscheidend sei letztlich, die wirtschaftlichen Risiken entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu minimieren. Die ambitionierten Ziele ließen sich nur erreichen, wenn die Kunststoffindustrie näher zusammenrücke, denn am Ende säßen alle im selben Boot.