Blick über den Tellerrand: Kunststoffe und Kreislaufwirtschaft international

Recyclingquoten, rPET-Einsatz, Infrastruktur: Im internationalen Vergleich gehören Europa und besonders Deutschland als größte europäische Kunststoffindustrie in Sachen Circular Economy zu den Vorreitern. Mit einer Kunststoff-Recyclingquote von 46,2 % liegt Deutschland unter den Spitzenreitern der EU (durchschnittlich 38 %). Bis 2050 sollen die Recyclingquoten für Kunststoffe in allen EU-Mitgliedstaaten auf mindestens 55 % steigen. Die Recyclingquote bei Kunststoffverpackungen aus dem Gelben Sack erreichte in Deutschland laut Zentraler Stelle Verpackungsregister (ZSVR) im Jahr 2020 gute 60,6 %.

In Europa stellen Industrie und Politik mit EU-weiten Regularien und Innovationen die Weichen für eine noch effektivere Circular Economy und mehr Nachhaltigkeit. Doch Kunststoffrecycling ist eine globale Herausforderung, wie ein Blick nach Argentinien und Japan zeigt.

Männliche und weibliche Abfallwirtschaftsarbeiter diskutieren über Stapel von verdichteten Wertstoffen

Quelle: iStock | Mindful Media

Latein- und Südamerika auf dem Weg zur Circular Economy

In Latein- und Südamerika ist Kunststoff als Verpackungslösung weit verbreitet: Da sie leichter und einfacher zu handhaben sind als Verpackungsalternativen, setzen sich Kunststoffverpackungen immer mehr durch. Und auch viele Hersteller setzen wegen der geringen Produktionskosten inzwischen auf Kunststoffverpackungen. Die geringen Kosten machen recycelten Kunststoff aus Lateinamerika zu einem der billigsten der Welt. Er wird deshalb nach Europa und in andere Regionen exportiert, wodurch sich wiederum die Recyclingrate von PET in Lateinamerika erhöht.

Für mehr Klima- und Umweltschutz ergreifen viele lateinamerikanischen Regierungen der Kunststoffbranche inzwischen weitere Maßnahmen: So möchte Argentinien seine Treibhausgasemissionen bis 2030 gegenüber 2007 um 19 % verringern. Dafür sollen unter anderem Abfälle vermieden, wiederverwendet oder recycelt statt deponiert werden, da Mülldeponien hohe Emissionen verursachen. Durch verbessertes Recycling wird die Umwelt entlastet und neue Unternehmen sowie Arbeitsplätze entstehen.

Mit gutem Beispiel voran

In den argentinischen Regionen rund um Ciudad de Salta, Ciudad de Luján de Cuyo und Valle de Punilla entstehen durch den Tourismus besonders viele Abfälle. Im Rahmen eines Projekts wollen die Hanns-Seidel-Stiftung und die Fundación Nuevas Generaciones (FNG) in den Regionen deshalb die Kreislaufwirtschaft verbessern. Am Beispiel von fünf Aufbereitungsanlagen der Stadt Buenos Aires zeigten die Projektverantwortlichen den Vertreter:innen der Regionen neue Möglichkeiten des Recyclings auf. Auf besonderes Interesse stießen eine Aufbereitungsanlage für PET-Flaschen sowie eine Aufbereitungsanlage, die Abfälle zunächst nach Materialien wie Kunststoffen sortiert, um diese anschließend in Ballenform der Industrie zur Herstellung neuer Produkte zuzuleiten.

Erhebungen von Ecoplas zufolge hat sich 2021 die Gesamtmenge der recycelten Kunststoffe in Argentinien bereits um 11 % auf 307.000 t erhöht. Der argentinische Recycler Reciclar und Tomra Recycling Sorting, ein Unternehmen für Sammelsysteme und Sortierlösungen, wollen die Kreislaufwirtschaft in Lateinamerika bzw. Argentinen weiter vorantreiben und den Lebenszyklus von Kunststoffen verlängern. Dank modernster Sortieranlagen von Tomra kann Reciclar nun mehr als 30.000 t PET-Verpackungen pro Jahr verarbeiten – so gelangen etwa 2.500 t recycelbare Materialien weniger auf Deponien oder im Meer. Darüber hinaus ist Reciclar der erste argentinische Recycler, der lebensmitteltaugliche PET-Rezyklate aus gebrauchten PET-Flaschen herstellt. Diese sind so sortenrein, dass sie zu hochwertigen PET- und HDPE-Rezyklaten weiterverarbeitet werden, aus denen neue Verpackungen und Flaschen mit höherem Rezyklat-Anteil entstehen.

Japaner halten Sie ihr Land sauber und Eco freundlich durch recycling und Wiederverwendung von Materialien - Kreislaufwirtschaft

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Japan: Eine Inselnation packt das Recycling an

Kunststoffverpackungen gehören auch in Japan zum Alltag. Wer einkaufen geht, deckt sich automatisch auch mit ihnen ein, denn nahezu jedes Produkt wird darin verpackt. Neben dem Produktschutz ermöglicht die Kunststoffverpackung auch Einzelportionen von Obst, Gemüse, und sogar Keksen. Dies ist darin begründet, dass die Verpackung für Japaner:innen fast genauso wichtig ist wie der Inhalt. Sie steht für die Qualität der Dienstleistung, verleiht dem Produkt einen luxuriösen Touch und garantiert die in Japan unerlässliche Hygiene und Produktsicherheit.

In den 1990er Jahren verlagerte Japan seinen Schwerpunkt von der Abfallbehandlung hin zur Emissionsreduktion sowie zum Recycling. In diesem Zuge führte das Land strenge Regularien zur Mülltrennung ein. Seitdem ist es durchaus üblich, dass es mindestens vier verschiedene Mülltonnen gibt, darunter auch eine für Kunststoffverpackungsabfälle. Im Dorf Kamikatsu gibt es sogar bis zu 45 verschiedene Kategorien zur Mülltrennung. Die gesammelten Kunststoffabfälle wurden laut Erhebungen des Plastic Waste Management Institute (PWMI) im Jahr 2019 zu 85 % wiederverwendet oder recycelt. Doch die hohe Wiederverwertungsquote führt in die Irre: Die Erhebung zeigt, dass nur etwa 26 % der gesammelten Kunststoffabfälle mechanisch wiederverwertet wurden. 70 % gingen hingegen in die thermische Verarbeitung, vor allem in die Energie- und Wärmeerzeugung. Weitere 4 % gelangten in Verflüssigungs- und Gasproduktionsanlagen.

Bei Kunststoffflaschen hat Japan mit 85 % jedoch eine der höchsten Recyclingquoten der Welt. Zum Vergleich: Bepfandete PET-Getränkeflaschen wurden in Deutschland 2021 sogar zu über 97 % recycelt. Bis 2030 sollen in Japan sogar 100 % der Flaschen zu neuen Flaschen oder synthetischen Stoffen verarbeitet werden. Dafür fehlen jedoch noch die nötigen Aufbereitungsanlagen und geeigneten Infrastrukturen für die Reinigung der Kunststoffabfälle. Da auf dem eigenen Gebiet der Platz knapp wird, muss Japan momentan viele seiner sortierten Abfälle exportieren, auch Kunststoffabfälle.

Kreislaufwirtschaft hat höchste Priorität

Immer mehr Initiativen wollen die Produktion und den Verbrauch von Kunststoffverpackungen in Japan verringern sowie das Recycling verbessern. Die Förderung des Recyclings hat auch für die Regierung höchste Priorität für die wirtschaftliche Sicherheit des Landes. Bis 2030 möchte Japan seine Kreislaufwirtschaft ausbauen, um bis 2050 emissionsfrei zu werden. Der Ausbau soll sich auf die Wiederverwertung von Rohstoffen und die Verteilung gebrauchter Produkte konzentrierten, um CO2-Emissionen als Hauptverursacher des Klimawandels zu reduzieren.

Um effektiver zu werden, hat die japanische Regierung in den letzten Jahren wesentliche Grundlagen zur Entwicklung eines politischen Rahmens für die moderne Kreislaufwirtschaft geschaffen. Im April 2022 erließ sie das Gesetz zur Förderung des Ressourcenkreislaufs für Kunststoffe, das die gesamte Lieferkette (Cradle-to-Cradle) abdeckt. Es legt unter anderem Leitlinien für umweltgerechtes Design fest und führt dafür ein staatliches Zertifizierungssystem ein. Produkte nach diesen Leitlinien sind für den Einzelhandel und Dienstleister verpflichtend, zudem soll weniger Einwegkunststoffe verwendet werden. Um Haushaltsabfälle aus Kunststoffen besser recyceln zu können, wurden neue Sammelkategorien eingeführt, gemeinsame Sammelsysteme in den Kommunen etabliert, Sortierverfahren verbessert und die Verordnung zum Verpackungsrecycling angepasst, um ein effizientes und integriertes Recycling von Kunststoffen zu ermöglichen. Zudem sollen Einwegkunststoffabfälle bis 2030 um ein Viertel reduziert werden.

Auf dem richtigen Weg

Immer mehr Nationen erkennen, dass Verpackungen auch nach Gebrauch wertvoll sind. Effizientes Kunststoffrecycling ist und bleibt jedoch eine globale Herausforderung. Weltweit stellen sich Nationen ihr immer erfolgreicher. Dies ist wichtig, denn eine ökologische und energetische Wende kann es ohne Kunststoffverpackungen und effizientes Recycling nicht geben.

Bildnachweis Beitragsbild: iStock | KS BioGeo

14. September, 2023|
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