Ungeachtet aller wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Industrie infolge von Nachfrageschwäche, hohen Energiekosten und Fachkräftemangel läuft die Welle der Verpackungsregulierung weiter und erfasst mittlerweile sämtliche Ebenen staatlichen Handelns.

UN-Abkommen zu Plastikmüll in den Meeren

In Paris berieten Anfang Juni 2023 Delegationen aus 175 Staaten in einer zweiten von geplanten fünf Verhandlungsrunden über ein internationales Abkommen, mit der die Umweltverschmutzung durch Kunststoffabfälle reduziert werden soll.

Diskutiert wurden u.a. die Reduktion der weltweiten Kunststoffproduktion, das bessere Recycling und mehr Wiederverwendung, die Erweiterte Herstellerverantwortung und Verbote von Einwegplastikprodukten. Verbände und Unternehmen der Kunststoffindustrie unterstützten ein UN-Abkommen, drängten allerdings auf mehr Recycling, um für Kunststoffe eine Kreislaufwirtschaft zu schaffen. In Paris verständigte man sich da-
rauf, der UN ein Mandat zur Ausarbeitung eines ersten Entwurfs zu erteilen, der in der nächsten Verhandlungsrunde im November in Nairobi diskutiert werden soll. Geplant ist, ein rechtsverbindliches Abkommen 2025 zu beschließen. Ob es allerdings dazu kommt, ist angesichts der Uneinigkeit über die grundlegenden Prinzipien und den Umfang der zu vereinbarenden Regelungen noch unklar.

EU-Green Deal und Verpackungen

Ein Jahr vor den nächsten Wahlen zum nächsten Europaparlament im Juni 2024 zeigen sich deutliche Risse in der großen Green-Deal-Koalition auf EU-Ebene. Dieser Zusammenschluss aus Konservativen, Sozialisten, Liberalen und Grünen im EU-Parlament hatte seit Ende 2019 die weitreichenden Pläne der von der Leyen-Kommission für einen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft u.a. in eine Kreislaufwirtschaft getragen. Eines der wichtigsten Projekte dabei ist die EU-Verpackungsverordnung (s. S. 22). Schon vor dem Rückzug des Architekten des Green Deals, Frans Timmermans, vom Posten des mächtigen Kommissions-Vizepräsidenten im Sommer 2023 hatte der französische Präsident Emmanuel Macron für Aufsehen gesorgt, als
er ein Ende der EU-Umweltgesetzgebung forderte. Im Parlament zeigte sich die Spaltung bei der sog. „Verordnung über die Wiederherstellung der Natur“, der ersten Green-Deal-Umsetzungsmaßnahme, die die Konservativen auf Druck der Landwirte ablehnten und dafür insbesondere von den Grünen heftig angegangen wurden. Dass die große Koalition dennoch in der Lage ist, bei wichtigen Themen, wie z.B. der Verpackungsordnung, geeint zu agieren, zeigt die geschlossene Ablehnung der Änderungsvorschläge der französischen Berichterstatterin von der rechtsextremen Rassemblement national im Binnenmarktausschuss. Und so ist auch zu erwarten, dass das EU-Parlament Anfang Oktober mit den Stimmen der großen Green-Deal-Koalition eine gemeinsame Stellungnahme zu dem Kommissionsvorschlag für eine Verpackungsverordnung beschließen wird. Ob dagegen die Mitgliedstaaten bis Dezember 2023 eine gemeinsame Haltung finden werden, ist angesichts der Fundamentalopposition einiger Mitgliedstaaten und der vielen ungelösten Detailfragen noch unklar. Bezweifeln darf man, dass es dieser Kommission noch gelingen wird, neue Green-Deal-Umsetzungsmaßnahmen (wie z.B. zu Mikroplastik oder zur Abfallrahmenrichtlinie) durch Parlament und Rat zu bringen.

Welle Verpackungsregulierung

Taxonomie-Kriterien für Kunststoffverpackungen stoßen auf Kritik

Abgeschlossen sind dagegen, jedenfalls aus Sicht der EU-Kommission, die sog. Taxonomie-Vorgaben für die Herstellung von Kunststoffverpackungen (NACE Code 22.22), anhand derer ab 2024 Banken und große Unternehmen berichten sollen, wie „nachhaltig“ ihre Umsätze und Investitionen sind. Scharfe Kritik an dem Beschluss der EU-Kommission vom Juni 2023 kommt von den Verbänden der Kunststoffverarbeiter, -maschinenbauer, Kunststoffrecycler und der IK, die darauf hinweisen, dass diese Kriterien Kunststoffverpackungen gegenüber anderen Verpackungsmaterialien ohne Grund benachteiligen, da es für andere Verpackungsmaterialien keine entsprechenden Kriterien gibt. Außerdem halten die Verbände Taxonomie-Kriterien
für Verpackungen insgesamt für verfrüht, weil solche Kriterien im Einklang mit den gesetzlichen Rahmenbedingungen für Verpackungen stehen müssen, die im Rahmen der EU-Verpackungsverordnung derzeit erst noch festgelegt werden. Welche Rolle die beschlossenen Taxonomie-Kriterien in der Praxis spielen werden, bleibt abzuwarten.

Bundesregierung streitet über Getränke-Mehrweg

Für Umweltministerin Steffi Lemke (B90/Die Grünen) gibt es mit Blick auf Verpackungen eigentlich nur ein Thema: Mehr Mehrweg. Angetrieben von der sog. Deutsche Umwelthilfe hat die Ministerin Ende Juni 2023 Eckpunkte für eine Reform des Verpackungsgesetzes vorgelegt, mit der der Anteil von Mehrweg-Getränkeflaschen gesteigert und Einweg-Verpackungen in der Gastronomie reduziert werden sollen (s.u.).
Der Widerspruch von Seiten des Koalitionspartners FDP kam prompt: Bevor Händler verpflichtet werden, für Getränke eine Mehrwegalternative anzubieten, müsse zunächst der Nachweis erbracht werden, dass Mehrwegsysteme ökologisch vorteilhaft sind. Da sich das Ministerium aus Sorge, dass nicht die gewünschten Ergebnisse herauskommen, seit Jahren weigert, eine solche Ökobilanz in Auftrag zu geben, droht diesem Gesetzespaket das Abstellgleis.

Parallel dazu wird im Umweltministerium an einer Novelle des § 21 Verpackungsgesetz gearbeitet, die die in der Praxis unwirksame Regelung zum Leben erwecken soll: Künftig sollen die Dualen Systeme bei der Berechnung der Lizenzentgelte finanzielle Anreize für hochwertig recycelbare Verpackungen und
deren Rezyklatanteil gewähren. Die Wirtschaft unter Beteiligung der IK drängt seit langem auf einen privatrechtlichen Fonds bei der Zentrale Stelle Verpackungsregister, über den die Finanzströme gelenkt werden sollen. Außerdem hat das Ministerium angekündigt, die Anerkennung des chemischen Recyclings als „Recyclingoption“ im Rahmen von neuen Recyclingquoten vorzusehen. Beide Vorhaben sind im Koalitionsvertrag verankert und sol-
len noch in der laufenden Legislaturperiode abgeschlossen werden.

Einweg-Regulierung soll ausgeweitet werden

Die seit Anfang 2023 geltende Mehrwegangebotspflicht für Anbieter von Take-away-Speisen in Einweg-Kunststoff-Verpackungen und (materialneutral) Getränkebechern wird nach Recherchen von Umweltverbänden nur unzureichend umgesetzt. Daher hat Ministerin Lemke – ohne auf offizielle Zahlen zu
warten – bereits im Juni 2023 angekündigt, die Angebotspflicht auf sämtliche Einweg-Verpackungen für Take-away-Speisen auszuweiten, also auch auf Pizzakartons und Alu-Schalen. Diesen Vorschlag hat die IK begrüßt, weil damit eine materialneutrale Regelung geschaffen wird und Mehrwegverpackungen, die in der Regel aus Kunststoff bestehen, gefördert werden. Außerdem sollen nach dem Vorschlag der Ministerin ab 2025 beim Vor-Ort-Verzehr in der Gastronomie keine Einwegverpackungen mehr erlaubt sein. Ein ähnlicher Vorschlag der Kommission im Rahmen der EU-Verpackungsverordnung wird derzeit kontrovers im EU-Parlament diskutiert.

Kommunale Verpackungssteuern auf dem Vormarsch

Das Bundesverwaltungsgericht hat im Mai 2023 entschieden, dass die Tübinger Verpackungssteuer im Wesentlichen rechtmäßig sei. Damit stellt das Gericht eine seit 1994 etablierte Rechtsprechung, wonach der Bund und nicht die Kommunen Verpackungsvorschriften erlassen dürfen, auf den Prüfstand.
Es wird erwartet, dass das Urteil durch das Bundesverfassungsgericht überprüft wird. Allerdings haben bereits einige Städte – auf Druck der sog. Deutsche Umwelthilfe – die Einführung von Verpackungssteuern angekündigt. Anfang 2022 war in Tübingen eine Satzung in Kraft getreten, die eine material-
unabhängige Steuer von maximal 1,50 Euro pro Mahlzeit auf Einwegverpackungen und Einweggeschirr für To-Go-Speisen und Getränke vorsieht. Da Verpackungen aus Kunststoff bereits auf Bundesebene durch das Einweg-Kunststoff-Fonds-Gesetz mit einer Sonderabgabe belegt werden, setzt sich die
IK dafür ein, dass diese kein zweites Mal von einer kommunalen Steuer mit demselben Zweck erfasst werden.

Einweg-Sonderabgabe vor Gericht

Nachdem das Einweg-Kunststoff-Fonds-Gesetz (EWKFondsG) gegen den Widerstand der Wirtschaft von Bundestag und Bundesrat beschlossen und im Mai 2023 verkündet wurde, bereiten die betroffenen Unternehmen im Rahmen der Verbändeallianz Klagen gegen die drohende Sonderabgabe vor. Im Kern geht es um die Fragen, ob die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Voraussetzungen für eine Sonderabgabe vorliegen und ob die
Sondergabe gegen Grundrechte der Unternehmen verstößt. Die IK unterstützt Mitgliedsunternehmen bei dieser gerichtlichen Überprüfung. Außerdem hat die IK gemeinsam mit der Ernährungsindustrie und der Systemgastronomie einen Leitfaden zu Einweg-Kunststoff-Lebensmittelverpackungen
veröffentlicht.