„Der Werkstoff Kunststoff bietet unzählige Lösungsmöglichkeiten“

Sie sind die aufstrebenden Talente in der Welt der Kunststoffverpackungen – jung, ambitioniert und mit dem klaren Ziel vor Augen, Innovationen zu schaffen. Diese jungen Menschen setzen sich bereits intensiv mit der Entwicklung von neuen Produkten auseinander, stehen für eine veränderte Unternehmenskultur und prägen die Branche maßgeblich, obwohl sie gerade erst am Anfang ihrer Karriere stehen. Menschen wie Heinz-Henning Seute zum Beispiel. Er leitet als CEO die LH-Plastics GmbH im sächsischen Werdau. Sein Beruf wurde ihm quasi in die Wiege gelegt, er führt das Unternehmen in zweiter Generation nach seinem Vater.

12. 000 Tonnen Regranulate pro Jahr, mehr als 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie 20 Jahre Erfahrung im Geschäft. Das Familienunternehmen im sächsischen Werdau arbeitet thermoplastische Kunststoffe zu Compounds, Regeneratcompounds und Regranulaten auf. Spezialisiert ist LH-Plastics ausschließlich auf die Rohstoffe Polyethylen (PE) und Polypropylen (PP). Ein stolzes Erbe, an das Heinz-Henning Seute da anknüpft. Seit 2008 wuchs er Schritt für Schritt, zunächst als Werksstudent, später als Projektleiter und anschließend im Vertrieb, Personal und Marketing, in das Familienunternehmen hinein. Der 35-Jährige folgte im Jahr 2023 auf seinen Vater Heinz-Günter Seute, der das Unternehmen 2004 gegründet hat und sich nach ingesamt über 45 Jahren Selbstständigkeit in den Ruhestand verabschiedete. Seitdem teilt sich Seute mit Robby Beckert die Geschäftsführung. Um perfekt in seine Rolle hineinzuwachsen, hat der Ingenieur und Mechatroniker zudem ein berufsbegleitendes BWL-Studium absolviert.

Im Interview spricht Heinz-Henning Seute über Innovationswillen, Employer Branding und darüber, warum die Kunststoffbranche gerade für junge Menschen eine Spielwiese sein kann, um wirklich etwas auf der Welt zu verändern.

Herr Seute, was macht die Kunststoffbranche aus Ihrer Sicht für Nachwuchskräfte so interessant?

Heinz-Henning Seute:„Ich glaube, dass die Kunststoffbranche gerade in einer enormen und nie zuvor da gewesenen Transformation steckt. Schlagworte wie Nachhaltigkeit, Klimaneutralität oder Kreislaufwirtschaft sind keine leeren Marketingfloskeln mehr. Vielmehr arbeiten alle Unternehmen an disruptiven Konzepten und Strategien, um für sich eine Marktvorherrschaft in gewissen Bereichen zu erlangen. Gerade unter diesen Bedingungen haben innovative Nachwuchskräfte die Möglichkeit, sich in allen Geschäftsbereichen einzubringen und diese mitzugestalten. Überzeugungen wie ‚Das wurde schon immer so gemacht‘ werden zunehmend aus den Unternehmen verbannt und das ‚Rethinking‘ von oberster Managementebene gefördert. Das Zusammenspiel von erfahrenen Unternehmensmitgliedern und Nachwuchskräften wird meiner Meinung nach den Unterschied machen und bildet ein großes Potential für alle Beteiligten.“

Dass Seute einmal an der Spitze des Familienunternehmens stehen würde, war für ihn nicht immer klar. Sein Traum war es, eine Karriere in der Bundeswehr einzuschlagen. Mit der Reform der Bundeswehr platzte dieser und es wurden Räume frei für neue Entwicklungsmöglichkeiten. Dabei sieht der CEO auch ganz klar Parallelen zwischen beiden Berufen: „Die Themen Führung, Verantwortung, Resilienz und Klarheit auch in herausfordernden Situationen sind in beiden Bereichen gefordert.“ Allerdings, findet er, profitiert er in seiner heutigen Position noch viel mehr von seiner Zeit als Leistungssportler. 15 Jahre hat Heinz-Henning Seute gerudert, zwei Jahre auf Bundesliganiveau. „Das war für mich eine sehr prägende Zeit, gerade was Leistungswille, Zielstrebigkeit und Durchhaltevermögen betrifft“, sagt er. Dass sein Unternehmen aber so erfolgreich sein kann, sieht er vor allem als Verdienst des Teams. Die Mitarbeitenden und die Kultur, für die das Unternehmen steht, empfindet er als den eigentlichen Wert im Unternehmen. Deswegen geht er im Employer Branding auch schon einmal unkonventionelle Wege.

Wie viele andere Unternehmen hat LH-Plastics wahrscheinlich mit dem Fachkräftemangel zu tun. Was kann die Branche hier entgegensetzen und wie stellen Sie sich auf?

Heinz-Henning Seute: „Um dem Fachkräftemangel entgegen zu treten, arbeiten wir seit einigen Jahren daran, ein Spitzenarbeitgeber zu sein. Das Gehalt ist dabei in der heutigen Zeit lediglich Hygienefaktor. Denn eine ansprechende Unternehmenskultur hat inzwischen eine viel größere Bedeutung für potenzielle Fachkräfte. Dies fördert weiterhin die Identifikation vorhandener Mitarbeiter mit dem Unternehmen und steigert deren Produktivität.“

Mit den Employer-Branding-Video „Sächsische Diamanten“ und „Haus der Diamanten“ sind Sie einen sehr kreativen und innovativen Weg gegangen, um neue Mitarbeitende zu finden. Wie funktioniert Innovation in einem traditionellen Familienunternehmen?

Heinz-Henning Seute: „Das klassische Recruiting über Stellenanzeigen oder ‚Wir suchen Dich!‘-Banner an der Unternehmenseinfahrt geht im Meer aller werbenden Arbeitgeber unter. Wie bei der Vermarktung von Produkten müssen sich Unternehmen auch bei der Mitarbeitergewinnung innovative Wege zutrauen. Wer als einziger im Kinosaal aufsteht, macht sich vielleicht vor den Sitzenden ein stückweit lächerlich, wird aber von allen anderen am besten gesehen, um seine Botschaft zu kommunizieren. Diesen Ansatz verfolgten wir mit unseren zwei Unternehmensvideos ‚Sächsische Diamanten‘ und ‚Haus der Diamanten‘. Produziert auf dem Niveau eines Kinotrailers möchten wir uns von Durchschnittswerbeanzeigen absetzen. Aktuell konnten wir alle freien Stellen in unserem Unternehmen besetzen und erhalten wöchentlich neue Anfragen von Bewerbern. Unser Fazit: Ziel erreicht!“

Gerade die Kunststoffindustrie sieht Seute als ein attraktives Arbeitsumfeld. Und nicht nur, weil es der Ort ist, an dem die wirklich wichtigen Entwicklungen und Entscheidungen zu den Themen Klima und Nachhaltigkeit gerade geschehen. Er sieht die Branche als einen Ort, in dem junge Menschen etwas bewegen können. „Als ich während meines BWL-Studiums im Alter von 30 Jahren mit 18-Jährigen in Vorlesung saß, habe ich erlebt, was sich diese Generation wünscht. Sie will etwas bewegen, und zwar schnell“, erklärt er. Die Kunststoffindustrie ist dafür an sich genau der richtige Entfaltungsraum. Nur tickt die Branche zum Teil noch konservativ, entsprechend länger dauert es dann von der Idee bis zur Umsetzung. So schnell, wie die Ereignisse in der Branche aber derzeit drehen, wird sich auch das sehr bald ändert, findet er. „Ich sehe riesige Chancen in allen Bereichen für junge Führungskräfte – und zwar in allen Unternehmensbereichen“, sagt der Geschäftsführer.

Was bedeuten Innovation und Transformation für Sie im Kontext von Kunststoffen, Kunststoffverpackungen und einer effizienten Kreislaufwirtschaft?

Heinz-Henning Seute: „Kunststoffe bilden meiner Auffassung nach den modernsten und gleichzeitig vielseitigsten Werkstoff für Verpackung, den es derzeit gibt: Kunststoffverpackungen können individuell für jedes noch so anspruchsvolle, zu verpackende Gut designt werden. Rezepturen von Extrudeuren können stellenweise als ‚Rocket Science‘ bezeichnet werden, wenn durch Kombination von Kunststoff und Additiven immer bessere Folien im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit in verschiedenen Anwendungsbereichen produziert werden. Neben Qualitätsstandards werden auch Kostenvorteile immer weiter perfektioniert. Hinzu kommt jetzt der Anspruch der Nachhaltigkeit an Kunststoffverpackungen, was auf den ersten Blick der Quadratur des Kreises anmutet. Der Werkstoff Kunststoff bietet auch in dieser Disziplin, beispielsweise durch innovativen Einsatz von Rezyklaten oder der Entwicklung recyclefähiger Rezepturen, unzählige Lösungsmöglichkeiten.“

Nachhaltigkeit ist ein großes Thema im Kontext von Kunststoffverpackungen und Kreislaufwirtschaft. LH-Plastics stellt Regranulate her. Inwiefern können Rezyklate dazu beitragen, nachhaltiger zu agieren – und wo hakt es an der Stelle vielleicht noch?

Heinz-Henning Seute: „Wir haben uns auf die Verarbeitung der Massenkunststoffe Polyethylen und Polypropylen spezialisiert, mit dem Fokus auf den erneuten Einsatz unserer Rezyklate in der Folienproduktion. Wenn sie preislich unter Neuware lagen, waren Rezyklate in der Vergangenheit ein erprobtes Mittel, um Folienrezepturen von weniger anspruchsvollen Produkten zu vergünstigen. Qualitätsschwankungen wurden in gewissem Rahmen von den Verarbeitern akzeptiert. Inzwischen werden jedoch deutlich höhere Ansprüche an Rezyklate gestellt, weil der Einsatz in immer hochwertigeren Anwendungen mit zunehmendem Rezyklatanteil an der Gesamtrezeptur steigt.

Auch Zertifizierungen zum Nachweis des Nachhaltigkeitsstrebens der kunststoffverarbeitenden Unternehmen erhöhen die Vorgaben für den Einsatz von Reyclaten. So schreibt das Gütesiegel ‚Blauer Engel‘ mindestens 80 Prozent Rezyklatanteil in den Produkten vor. Um diese Anforderungen zu erfüllen, müssen wir uns als Recycler nicht nur mit der Qualität unserer Produkte im Sinne von Reinheit oder Homogenität auseinander setzen. Stattdessen müssen wir viel tiefer in den Feedstock unserer Rezyklatprodukte einsteigen und uns in die Anforderungen der Verarbeiter hinein denken. Das gegenseitige Verständnis sowie der Ausbau von Partnerschaften zwischen Recyclern und Verarbeitern wird zukünftig immer essenzieller werden. Nur so lässt sich die Überlegenheit von Kunststoff als Verpackungsmaterial verteidigen und den immer stärker werdenden Nachhaltigkeitsansprüchen der Konsumenten gerecht werden. Die Zeiten, in denen Rezyklate lediglich ‚die Rezeptur billig machten’, sollten somit vorbei sein.“

13. Mai, 2024|
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