„‘Das haben wir schon immer so gemacht‘ funktioniert in der heutigen Zeit nicht mehr“

Der Werkstoff des 21. Jahrhunderts und die nachhaltige Entwicklung der Branche liegt in ihren Händen: die jungen „Kunststoffverbesser:innen“, die Lust auf Veränderung und Transformation haben, die Kunststoffe bzw. Verpackungen weiterentwickeln und viel bewegen, obwohl sie erst am Beginn ihrer beruflichen Laufbahn stehen. Eine von ihnen ist Eva-Maria Walter. Die 26-Jährige arbeitet als Managerin Research & Development bei der ETIMEX Primary Packaging GmbH und kommt dabei mit allen Produktgruppen des Unternehmens in Kontakt. Wie andere junge Talente gehört sie zu den zahlreichen Ideengeber:innen und Umsetzer:innen der Branche, die kontinuierlich an und mit innovativen Produkten arbeiten.

Der Stein kam früh ins Rollen

Eva-Maria Walter (Etimex)

© ETIMEX Primary Packaging GmbH

Im Interview mit Eva-Maria Walter zeigt sich schnell: Diese junge Frau ist begeistert von ihrem Job – und sie ist begeistert von Kunststoffen und Innovation. Schon immer interessiert an Themen rund um Lebensmittel und Chemie war die berufliche Richtung für Eva-Maria Walter nach dem Abitur (Fachrichtung Wirtschaft) klar: Sie studierte Lebensmittel- und Verpackungstechnologie in Kempten, zunächst mit dem Ziel, in der Lebensmittelproduktentwicklung zu arbeiten. Schnell stellte sie fest, dass Lebensmittel untrennbar mit Verpackungen verbunden sind. Ihr Praxissemester absolvierte sie deshalb im Bereich Verpackungsentwicklung in der Molkerei Müller in Aretsried. Da hier vor allem Kunststoffe eingesetzt wurden, kam der Stein ins Rollen: Fokussiert auf den Verpackungssektor blieb sie zunächst sowohl der Verpackungsentwicklung als auch den Molkereien treu – ihre Bachelorarbeit schrieb sie bei Hochland in Schongau, wo sie anschließend noch ein halbes Jahr tätig war und dort erste Einblicke in die Nachhaltigkeitsthematik bekam.

Anschließend studierte sie den international ausgerichteten Master „Packaging Technology and Sustainability“ an der FH Campus Wien, den sie im Juli 2023 erfolgreich abgeschlossen hat. „Das Masterstudium war berufsbegleitend ausgelegt: Im ersten Jahr habe ich nebenbei bei den Karwendel-Werken Huber im Qualitätsmanagement gearbeitet und war hier für die Verpackungsspezifikationen verantwortlich. Um bei Nachhaltigkeitsthemen mehr bewirken und verändern zu können, als es bei Lebensmittelherstellern möglich ist, wechselte ich auf die Seite des Verpackungsherstellers. So kam ich zur ETIMEX“, erläutert Eva-Maria Walter.

Frau Walter, was begeistert Sie an Kunststoffen?

E.-M. Walter: „Mich begeistert an Kunststoffen, dass das Innovationsspektrum gefühlt riesig ist. Aufgrund der neuen Regulierungen und dem so anstehenden Wandel gibt es eine Vielzahl an Forschungen und Entwicklungsgedanken. Außerdem ist Kunststoff im Endeffekt ein alltäglicher Begleiter. Sei es als Verpackung, im Auto, in der Spülmaschine oder im medizinischen Bereich. Er ist heutzutage nicht mehr wegzudenken und eine ‚Kunst‘ für sich.“

Was macht die Kunststoffbranche für Nachwuchskräfte interessant?

E.-M. Walter: „Gerade vor dem Hintergrund der Packaging & Packaging Waste Regulation (PPWR) wird unsere Branche auf den Kopf gestellt, es sind viele grundlegende Änderungen geplant. Das ist der größte Umbruch, den die Kunststoff- bzw. Verpackungsbranche bisher erlebt hat. Es wird alles hinterfragt und neu evaluiert. Dadurch hat man aber auch viel Freiraum für neue Ansätze und Denkweisen, die Unternehmen in dieser Zeit brauchen. Also wenn nicht jetzt, wann dann? Die Branche braucht neue, junge Köpfe, die Dinge kritisch angehen und anders denken. ‚Das haben wir schon immer so gemacht‘ funktioniert nicht mehr in der heutigen Zeit.“

Thermoforming Sheets Cheese

© ETIMEX Primary Packaging GmbH

Was bedeutet Innovation und Transformation für Sie im Kontext von Kunststoffen bzw. Kunststoffverpackungen?

E.-M. Walter: „Die Transformation ist für mich ein großes Hinterfragen und geht aktuell mit einem großen Wandeln einher. Zu spannenden Innovationen gehört für mich die Verarbeitung von Polyolefin-Rezyklaten und mit welchen Methoden man diese für beispielsweise den Lebensmittelkontakt aufbereiten kann. Außerdem finde ich den Ansatz des chemischen Recyclings sehr interessant und seine nachhaltigere Gestaltung. Darüber hinaus begeistern mich Identifikationstechnologien: Mit ihnen soll während des Sortierprozesses in den Recyclinganlagen zwischen Lebensmittel- und Nicht-Lebensmittelverpackung unterschieden werden, was dann wiederum den Aufbereitungsprozess unterstützen soll.“

 

 

Lebensmittelrecht und Nachhaltigkeit im Fokus

Etimex PP Monoblister

PP Monoblister – © ETIMEX Primary Packaging GmbH

Seit Ende 2022 ist Eva-Maria Walter als Managerin Research & Development in der Entwicklungsabteilung der ETIMEX tätig. Sie legt neue Rezepturen an, testet neue Rohstoffe, beantwortet technische Kundenanfragen oder erstellt Technische Datenblätter. Ihre Schwerpunkte in der Entwicklung liegen dabei in den Bereichen Lebensmittelrecht und Nachhaltigkeit. Beides betrifft alle Produktgruppen: Schalen und Folien aus PET und PP für verschiedene Bereiche, wie beispielsweise Lebensmittel mit Vakuum-, Tiefzieh- und auch Oberfolien, im Pharmabereich mit dem PP-Monoblister oder auch Folien für verschiedene technische Anwendungen. Im Lebensmittel- und auch im Pharmarecht geht es vor allem darum, Konformitätserklärungen und weitere Bestätigungen für die Kund:innen zu erstellen. Denn es gibt viele gesetzliche Regelungen und somit hohe Ansprüche an die Materialien. „Ich bestätige, dass unsere Produkte für den Lebensmittelkontakt geeignet sind und das darin enthaltene Produkt sorgenfrei verzehrt werden kann“, erklärt Walter.

Dies betrifft auch den Nachhaltigkeitsbereich: Hier hängen rechtliche und politische Aspekte (auch aus dem Lebensmittelrecht hinsichtlich Materialsicherheit), technische Machbarkeit der mechanischen und chemischen Rezyklataufbereitung (die ebenfalls vom Lebensmittelrecht begrenzt wird), Recyclingbewertungen, Ökobilanzierungen und Rohstoffe aus 2nd oder 3rd Generation Feedstock eng zusammen. „Darüber hinaus engagiere ich mich im Nachhaltigkeitsbericht-Team des Unternehmens. Hier verlasse ich dann den Produktbereich und sorge dafür, dass die ab 2025 verpflichtenden rechtlichen Aspekte eingehalten und korrekte Äußerungen zu Nachhaltigkeitsthemen gemacht werden“, ergänzt Eva-Maria Walter.

Wie unterstützen Sie einen bewussten Umgang mit Kunststoffen?

E.-M. Walter: „Im beruflichen wie auch privaten Alltag nehme ich oft eine beratende Rolle ein: Welche Vorgaben hat der Handel an unsere Kund:innen? Wie können wir unsere Kund:innen unterstützen, die Ziele des Handels zu erreichen? Was sagt der Gesetzgeber aktuell und wie entwickelt sich die politische Grundlage? Im Familien- und Freundeskreis sind Handel und Gesetzgeber nicht so relevant. Aber auch dort erkläre ich, welche Verpackung wie entsorgt werden muss oder weise darauf hin, dass Komponenten getrennt werden sollten, bevor sie im Gelben Sack landen. Beim Einkaufen bringe ich immer mal wieder Infos über einzelne Verpackungskonzepte ein, ob man sie gut recyceln kann etc. Im Endeffekt ist der Einkaufswagen ein Stimmzettel: Wenn ein Konzept gut recyclingfähig ist, aber nicht von Konsument:innen akzeptiert wird, wird es nicht im Handel überleben.“

Welche Vorurteile begegnen Ihnen hier beispielsweise?

E.-M. Walter: „Ich höre häufig, dass der Müll in der Natur liege. Aber weshalb liegt er da? Weil irgendwer ihn dort hingeworfen hat, weil kein Mülleimer in der Nähe war und/oder die Person ihn nicht mit sich herumtragen wollte. Teils aber auch Unwissenheit, wenn auf den Verpackungen steht, dass sie kompostierbar sind. Oft ist hier aber nur von industriellen Kompostieranlagen die Rede, wo bestimmte Temperaturbedingungen vorherrschen, die in der Natur oder auf dem heimischen Kompost niemals erreicht werden können. Oft begegnet mir auch ‚Glas ist die bessere Verpackung‘. Doch man muss bedenken, dass bei der Glasherstellung Temperaturen zwischen 900 und 1600°C vorherrschen und deshalb eine enorme Menge CO2 ausgestoßen wird. Auf die Herstellung einer Tonne Verpackungsglas kommen etwa doppelt so viele CO2-Äquivalente wie auf die Herstellung einer Tonne PP-Granulat. Außerdem ist Glas schwer und zerbrechlich ist, sodass weniger in einem LKW transportiert werden kann.“

Viele Blicke richten sich in Sachen Nachhaltigkeit auf die Industrie. Was können Verbraucher:innen oder die Politik ändern, um den Umgang mit Kunststoffverpackungen nachhaltiger zu gestalten?

Etimex Weltkugel + Hände

@ETIMEX

E.-M. Walter: „Die Politik spielt eine große Rolle. Wir brauchen eine einheitliche Gesetzgebung, dann ist vieles auch verständlicher. Aktuell ist Europa ein Flickenteppich was das Thema Verpackungen und Verpackungsabfall anbelangt. Teils ist sich nicht einmal die Industrie einig, wie manche Produkte richtig entsorgt werden sollten. Wie soll es dann für Konsument:innen ohne Hintergrundwissen verständlich sein? Hier heißt es dann: Aufklären, sensibilisieren und Wissen weitergeben. Je früher man damit anfängt, desto leichter fällt es. Verbraucher:innen können mit der richtigen Trennung von Kunststoffverpackungen ihren Umgang nachhaltiger gestalten. Dabei können schon kleine Taten etwas bewirken. ‚Was soll ich allein schon erreichen?‘ – das fragt sich immerhin die halbe Menschheit. Wir müssen an einem Strang ziehen, denn es braucht nicht viel, aber viele.“

 

 

Wissen über Verpackungen weitergeben

Wichtig sei ein ganzheitlicher Nachhaltigkeitsansatz, sagt Eva-Maria Walter: Produktschutz, Zirkularität und Umwelt. Nur so ließen sich fundierte Aussagen und Entscheidungen treffen. Jedes Produkt brauche die richtige Verpackung – wenn es mal Glas oder Papier ist, sei das absolut in Ordnung. Oft wäre aber Kunststoff eine Lösung. Aber er sei eben auch keine Allround-Lösung. Man müsse alles kritisch hinterfragen und ‚Das haben wir schon immer so gemacht‘ aus seinem Wortschatz streichen.

Etimex: Our flexible films

© ETIMEX Primary Packaging GmbH

Das schlechte Image von Kunststoffen entsteht aus ihrer Sicht vor allem aus einem Grund: Unwissenheit, gefördert von einseitiger Medienberichterstattung über negative Aspekte von Kunststoffen. Was auf der Strecke bleibe, seien die vielen aktuellen Forschungen. „Das liegt aber auch daran, dass es eben Forschungen sind und es häufig noch keine handfesten Ergebnisse gibt. Oder die Idee noch nicht in großem Maße umsetzbar ist. Außerdem fehlt dem Ottonormalverbraucher der Einblick in das ‚Warum‘. Also weshalb eine Verpackung so aussieht, wie sie aussieht. Würde man es den Leuten erklären und sie hierfür sensibilisieren, wäre das Image vermutlich besser“, glaubt Walter. Sie möchte die Menschen deshalb besser über Verpackungen aufklären. Vor allem, weil sie häufig schlecht geredet wird und gesagt wird, dass unverpackt besser sei: „Dabei macht die Verpackung nur ein bis zwei Prozent des gesamten CO2-Fußabdrucks eines Produkts aus, was im Vergleich zum Lebensmittel selbst ein marginaler Anteil ist“, argumentiert sie. Sie hebt außerdem hervor, dass Verpackungen Lebensmittel vor frühzeitigem Verderb schützen. „Das ist enorm wichtig, wenn man bedenkt, dass laut einer Studie aus dem Jahr 2021 acht bis zehn Prozent der globalen CO2-Emissionen auf Food Waste beim Konsumenten zurückzuführen sind.

Für ihre berufliche Zukunft hat Eva-Maria Walter einen konkreten Plan: „Ich möchte eine Fachfrau für meinen Bereich werden und mein Wissen weitergeben. Ob das dann in Form von Vorträgen auf Tagungen, Podcasts oder vielleicht auch als Lehrkraft, Dozentin, Ambassador oder Mentorin sein wird? Wer weiß – ich bin ja aktuell noch ganz am Anfang.“

Eva-Maria Walter stehen alle Türen offen – wir wünschen ihr von Herzen viel Erfolg und bedanken uns für ihr Engagement!

11. Januar, 2024|
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